Fisch oder Fleisch? (Hausverwalter oder Architekt?)

Foto: Stephan Walochnik

In Anfragen potentieller Neukunden lese ich manchmal folgendes:

  •  „Eine Dachsanierung steht an. Ein Angebot wurde bereits eingeholt“
  • „Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen sind geplant“
  •  „Die Wohnungseigentümergemeinschaft plant den Einbau energiesparender Fenster und einer neuen Heizung. Die Maßnahmen sollten vom neuen Verwalter begleitet und abgenommen werden und binnen 6 Monaten abgeschlossen sein.“

Obwohl ich auf derartige Anfragen nicht antworte, scheinen sie durchaus ernst gemeint zu sein. Es sind Textschnipsel von echten Anfragen, die ich in den letzten Jahren gesammelt habe.

Bei Neukunden ist sowieso genug zu tun.

Dass ein Verwalter an Neukunden im ersten Jahr Geld verdient, dürfte ausgesprochen selten vorkommen, denn für den Verwalter gibt es genug zu tun. Unter der Überschrift „Datenübernahme und Einpflegen ins System“ verbirgt sich weit mehr, als man sich vorstellt. Zuerst muss er die ganzen Daten aus den Unterlagen des Vorverwalters übernehmen. Und die sind ja selten digital, mit anderen Worten – sie müssen von Hand abgetippt werden, und am besten werden die wichtigsten Unterlagen gescannt. Also ganz viel zu tun, was meistens sehr viel Mühe macht. Es geht um Stammdaten, Buchhaltung, bestehende Verträge, Versorger, Ämter (natürlich müssen die alle angeschrieben werden). Dann noch Eröffnung oder Wechsel des WEG-Kontos und selbstverständlich muss man die neuen Kunden kennen lernen – also alle Eigentümer und deren Wünsche und Vorstellungen. Nur so kann man eine WEG entsprechend den Wünschen der Eigentümer verwalten.

Und dann bringen die Neukunden noch einen Rucksack voll mit außerplanmäßigen Großprojekten mit?

Scheinbar glauben viele Eigentümer, dass WEG-Verwalter für 50 EUR Stundenlohn eine Berufsqualifikation besitzen, die einem Architekten gleichgeordnet ist.


Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern sehr gefährlich.

Warum soll der Verwalter das machen? Ein WEG-Verwalter sitzt in erster Linie am Schreibtisch. Er kümmert sich um Konten, Abrechnung, Aufträge, organisiert und kommuniziert. Sein Job ist es, auf alle Belange Ihres Hauses aufzupassen – und Sie ständig auf dem Laufenden zu halten. Aber er hat weder Architekturstudium noch Baustellenerfahrung.

Foto: Stephan Walochnik

Hausverwalter oder Architekt?

Manchmal überfordern größere Instandhaltungsmaßnahmen die Eigentümergemeinschaft – nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich. Damit die Maßnahme gutgeht, braucht man gute Beratung. Ein Fachmann mit Routine und Erfahrung muss her. Ein nach Stundenhonorar bezahlten Fachplaner also jemand, der tagein tagaus nichts anderes macht, als Instandhaltungsmaßnahmen zu begleiten. Anstatt so jemanden mit einer gründlichen Diagnose (und später auch mit der Planung der Maßnahme) zu beauftragen, haben bestimmte „kostensensitive“ Kapitalanleger etwas andere Vorstellungen: Sie verwechseln plötzlich den Verwalter mit einem Hochbauingenieur und erwarten von ihm die kosten- und ziellose Beschaffung von drei, vier oder besser fünf Reparaturangeboten.

Es kann ja auch sinnvoll sein, dass der Verwalter selbst Angebote einholt und vergleicht – aber nur, wenn es um überschaubare Vorgänge geht, z.B. den Anstrich eines Treppenhauses. Aber bei komplexeren Maßnahmen sind die Angebote (=Ausführungsvorschläge!) der Handwerker selten vergleichbar! Und so stolpern WEGs von einem Angebot zum nächsten und schimpfen auf den Verwalter, weil alles so lange dauert, während die Rücklage leer bleibt und die Substanz vor sich hin bröckelt. Darunter leidet dann auch die Vermietbarkeit Ihrer Eigentumswohnung!

Foto: Stephan Walochnik

Kein gutes Ende?

Eins sollte klar sein: Ihr Verwalter riskiert seine Mitgliedschaft im Berufsverband, wenn er glaubt, dass er mir nichts dir nichts Bauplanungen ausführen oder Abnahmen erklären darf.

Das kollidiert mit der Berufsordnung und gefährdet den Versicherungsschutz.

Architekten und Ingenieure durchlaufen ein mehrjähriges, intensives Studium an einer Fachhochschule oder Universität und müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllen, um Mitglied in der Berufskammer zu werden. Wollen sie auch als Bauplaner zugelassen werden, müssen sie eine bestimmte (und teure) Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die es für Verwalter nicht gibt.

Begibt sich ein Verwalter trotz besserem Wissen auf das millimeterdünne Eis, ist er selbst schuld.

Sobald mehrere Gewerke im Spiel sind (Elektriker, Maurer, Gerüstbauer, Maler, Dachdecker, …), ist Koordinationsarbeit nötig. Ohne fundierte Baukenntnisse, die nur ein Architekt haben kann, geht es ganz bestimmt schief: Plötzlich fällt während der Bauarbeiten auf, dass irgendwas doch nicht so geht, wie geplant. Schlecht geplant? Jedenfalls will keiner der Handwerker schuld sein. Und jetzt? Völlig unerwartet muss jetzt entschieden werden, wie es weitergeht – aus dem Stegreif. Das Gerüst steht jedenfalls rum und kostet Miete für jeden Tag der Standzeit. Erpressung? Meinetwegen, aber keiner der Handwerker wird sich den Schuch anziehen – es war eben bei Angebotserstellung nicht absehbar.

Jetzt wird es teuer – und zwar richtig. Wenn die Eigentümer konsequent sind, zahlen sie die Zeche, in die sie den Verwalter getrieben haben, aber meistens wollen selbst erwachsene Menschen nichts mehr von ihrer eigenen Entscheidung wissen. Beliebter ist – bzw. praktischer erscheint es manchen Eigentümergemeinschaften, den Verwalter vor Gericht zu ziehen. Vergessen sind die Versprechungen von gestern („Ein Architekt kostet doch nur Geld“, „das möchten wir uns sparen“, „Unfug“). Die Eigentümer, die am lautesten geschrien haben, besinnen sich urplötzlich auf den gesunden Menschenverstand: „Das hätten Sie uns doch sagen müssen“. Selten hat der umsichtige Verwalter einen schriftlichen Vermerk im Protokoll der Eigentümerversammlung gemacht.

Die Haftpflichtversicherung des Verwalters wird sich auf die AGB berufen, denn versichert sind Schreibtischtätigkeiten, Organisation, Koordination und Kommunikation – Verwaltertätigkeiten eben.

Versucht sich der Hausverwalter sich als Hobbyelektriker, Steuerberater oder Chauffeur, ist das ebenso wenig versichert wie tollkühne Ausflüge ins Land der Architekten.

Foto: Stephan Walochnik.

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