Manchmal kann es sein, dass die Teilnehmer einen Beschlussvorschlag am Abend der Versammlung noch ändern möchten. Im Grundsatz ist es in Ordnung, wenn auf der Eigentümerversammlung noch so ein Feinschliff erfolgt. Wenn im Ergebnis jedoch ein völlig neuer Beschluss zur Abstimmung steht, werden die Nichtanwesenden vom Gesetzgeber geschützt, indem ihnen weitere Bedenkzeit eingeräumt wird. In diesem Fall müssten die neuen Informationen nochmal an alle Eigentümer verteilt werden, das heißt, es muss eine neue Einladung zu einer weiteren Eigentümerversammlung versendet werden, damit sich alle in Ruhe Gedanken machen und mit dem neuen Vorschlag auseinandersetzen können. Sie treffen sich dann ein paar Wochen später zur finalen Entscheidung.
Die Logik ist simpel: Worüber auf der EV entschieden werden soll, muss klar und eindeutig in der Einladung stehen. Wenn Sie nicht selbst kommen, sondern eine Vollmacht erteilen, muss es Ihnen möglich sein, Ihre Meinung dahingehend zu äußern, dass der Bevollmächtigte mit „ja“ oder „nein“ abstimmen kann. Wenn sich wesentliche Tatsachen im Laufe der EV ändern, kann man mit der ursprünglichen Vollmacht nicht mehr viel anfangen.
Bei komplexeren Themen sollte der Verwalter in der Einladung einen groben Beschlussvorschlag unterbreiten, damit sich jeder orientieren kann, worum es geht. Es gehört zur Natur der Sache, dass während der Besprechung, also kurz vor der Beschlussfassung, noch Änderungswünsche auftauchen, denn Meinungsaustausch und Willensbildung finden auf der EV statt. Gewisse Änderungen am Beschlusstext vor der Abstimmung sind also möglich und sinnvoll. Es dürfen aber keine wesentlichen Änderungen mehr erfolgen, da der Gesetzgeber Sie davor schützt, überrumpelt zu werden.
Der Verwalter (und die Teilnehmer!) müssen abwägen, inwieweit Änderungen und Ergänzungen zu verantworten sind, und ob sie für Nichtanwesende überraschend sein könnten. Bei wesentlichen Änderungen ist jedenfalls eine neue Versammlung erforderlich, damit sich alle Eigentümer in Ruhe mit den neuen Rahmenbedingungen auseinandersetzen können. Sie müssen auch nicht bis zum nächsten Jahr warten. Die nächste Versammlung kann auch ein paar Wochen später stattfinden.
Weil eine weitere EV vielen Eigentümern zu mühselig ist und vielen Verwaltern zu viel Arbeit bereitet, ist es nur allzu verständlich, dass manchmal gemogelt wird und Beschlüsse zur Abstimmung gestellt werden, die gehörig abgeändert wurden. Wo kein Kläger, da kein Richter – aber wenn doch, droht eine kostspielige Anfechtungsklage. Jeder Verwalter muss selbst entscheiden, ob er das Risiko eingehen möchte, die Anwalts- und Gerichtskosten zu tragen. Ob die Haftpflicht-Versicherung des Verwalters das Risiko übernimmt, steht in den Sternen, denn sie erwartet, dass er sich an die gesetzlichen Regeln hält.
Um unwesentlicheZusätze darf ein Beschlusstext im Laufe der Versammlungsicherlichergänztwerden. Was eine unwesentliche Änderung ist, hängt sehr vom Einzelfall ab. Wenn die Änderung für Abwesende in der Form nicht absehbar war, sollte man aufpassen. In der nachfolgenden Tabelle finden Sie ein paar Beispiele, die natürlich je nach Einzelfall anders interpretierbar sind:
| Beschluss- gegenstand | Änderung auf EV | Wesentliche Änderung = Neue EV nötig? |
| Neuwahl Beirat | Ein weiterer Kandidat wird aufgestellt. | Keine wesentliche Änderung. |
| Dachreparatur | Dachdecker soll neben der Dachreparatur auch eine Dachkontrolle und Rinnenreinigung machen. Kostenpunkt: 750 EUR. | Keine wesentliche Änderung. |
| Eigentümer bittet um Genehmigung Klimaanlage | Anderes Modell => Optisch sehr ähnlich, niedrigerer Geräuschpegel. | Keine wesentliche Änderung, da geringere Beeinträchtigung im Vergleich zum ursprünglichen Beschluss. |
| Beauftragung eines neuen Hausmeisters. Vier Angebote liegen vor | Ein fünftes Angebot wird eingereicht. Das LV ist mit den vorliegenden gut vergleichbar. Es gab keinen Favoriten. Vertragslaufzeit nur ein Jahr. | Keine wesentliche Änderung, sofern vergleichbar und keine weiteren Faktoren zu berücksichtigen sind. |
| Wirtschaftsplan | Prognose der Allgemeinstromkosten sollen wegen der Energiekrise 10 % höher angesetzt werden. | Kommt darauf an. Ggfs. keine wesentliche Änderung, zumal später über die echten Kosten abgerechnet wird. |
| Anstrich Treppenhaus | Auch die Fassade soll gestrichen werden, „um Anfahrtskosten zu sparen“. Kosten noch unbekannt. | Wesentliche und völlig unerwartete Änderung für die übrigen Eigentümer. Kein Zusammenhang zu TOP. |
| Jahresabrechnung | Finanzierung der Kosten für den Anstrich der Garagentore sollen doch nicht aus der Rücklage entnommen, sondern zur Hälfte als Sonderumlage umgelegt werden. | Wesentliche und unerwartete Änderung für die übrigen Eigentümer. Finanzielle Mehrbelastung. Idee hätte früher geäußert werden können! |
| Jahresabrechnung | Änderung des Umlageschlüssels für Wasser von MEA zu Personen | Wesentliche Änderung mit Konsequenzen für alle zukünftigen Abrechnungen. Änderung der Umlageschlüssel erfordert separaten Beschluss! |