Vielleicht sind Sie gerade auf der Suche nach einer Eigentumswohnung – und werden von Freunden gewarnt: Ob Sie sich das wirklich antun möchten? Meistens sind es Leute, die selbst kein Immobilieneigentum besitzen, die Ihnen ausführlich darlegen, dass Sie in Zukunft urplötzlich mit unvorhersehbaren Großreparaturen konfrontiert sein werden und unabsehbare Sonderzahlungen leisten müssen. Wissen diese Leute, wovon sie reden? Ist vielleicht der Kauf einer Eigentumswohnung der beste Weg in die Privatinsolvenz?

Wenn Sie keine Eigentumswohnung, sondern ein ganzes Mehrfamilienhaus kaufen würden, dann müssten Sie vor allem auf Dach, Fenster und Heizung achten. Das sind die größten Kostenblöcke, die Sie im Fall der Fälle allein tragen müssten, was Sie tunlichst vermeiden sollten. Nach dem Kauf eines Mehrfamilienhauses sind Sie der Alleineigentümer. Alle anstehenden Sanierungen müssten aus Ihrem eigenen Geldbeutel bezahlt werden. Beim Kauf eines ganzen Mehrfamilienhauses können solche Großreparaturen durchaus vorkommen, und Sie müssten sie allein bezahlen.
Aber Sie sind ja auf der Suche nach einer Eigentumswohnung! Bei dieser Art von Immobilie sollten Sie lieber auf andere Faktoren achten. Denn alle Kosten, die das Gemeinschaftseigentum betreffen, werden von allen Eigentümern gemeinsam getragen – und zwar meistens aus der Rücklage, d.h. aus dem gemeinsamen WEG-Geldbeutel aller Eigentümer, in den bereits in der Vergangenheit hineingespart worden ist.
Auch bei einer Eigentumswohnung sind Fenster, Dach und Heizung eine gewisse Belastung für den Geldbeutel. Diese Dinge sind meistens sehr früh absehbar und werden nur selten übers Knie gebrochen. Solche Großprojekte lenken Sie aber von denjenigen Merkmalen ab, auf die Sie beim Wohnungskauf tatsächlich achten sollten.
Denn: Reparaturen müssen von allen Eigentümern getragen werden, und diese haben daher ein Mitspracherecht. Und es kann passieren, dass notwendige Reparaturen aus den unterschiedlichsten Gründen von der WEG vertrödelt werden und dann zunächst überhaupt nicht stattfinden. Ihnen bleibt in extremen Fällen nur der Rechtsweg, um eine notwendige Reparatur durchzusetzen.
Bei Eigentümergemeinschaften kann es nämlich vorkommen, dass Sie sich mit unnötigen Nebensächlichkeiten herumschlagen müssen, was Sie unbedingt vermeiden sollten. Wenn Sie mit der Wohnung ein passives Einkommen aufbauen möchten, sollten Sie nur wenige Stunden Arbeit im Jahr mit der Wohnung zubringen. Das bedeutet:
- Sie brauchen zufriedene Mieter,
- Sie müssen größere Gefahrenquellen vermeiden und
- Sie sollten zeitraubenden Streitigkeiten mit anderen Eigentümern aus dem Weg gehen.

Nochmal zurück zu den panischen Freunden: Die lenken Sie von den wesentlichen Merkmalen ab, weil sie immer nur vom Dach und von der Heizung reden. Schön, dass im Fernsehen immer die Rede ist von tropfenden Wasserhähnen, undichten Toiletten und großflächiger Dachsanierung, bei der jeder Vermieter sofort springen muss. Viel schlimmer für Besitzer einer Eigentumswohnung sind aber WEGs, in denen es ständig Stress um Kleinigkeiten gibt, dauernde Diskussionen und Feindseligkeiten auf den Eigentümerversammlungen, Beiräte, die über die Köpfe der anderen Eigentümer hinweg nur ihre Eigeninteressen durchsetzen und Verwalter, die nicht arbeiten und nie erreichbar sind. Eigentümergemeinschaften, die ihre Energie mit internen Streitigkeiten verschwenden, müssen Sie vermeiden.
Der Wert einer Eigentumswohnung steht und fällt mit der Fähigkeit von Verwalter und Miteigentümern, Probleme und Reparaturen gemeinsam anzupacken und zu lösen, anstatt sich über Jahre hinweg gegenseitig zu blockieren. Sie sind in vielen Fällen auf die Mitwirkung von Verwalter und Miteigentümern angewiesen, daher müssen Sie bei der Analyse jeder Wohnung auf deren Charaktere achten.
Eine Reihe von Faktoren können (müssen aber nicht) auf eine problematische Eigentümergemeinschaft schließen lassen. Dazu gehören verhaltensauffällige Eigentümer, die die Beschlusssammlung auswendig gelernt haben, Beiratsvorsitzende mit eigenen Visitenkarten. Aber mindestens genauso schlimm sind überforderte Verwalter, die ihren Job nicht machen und praktisch nicht erreichbar sind. Letztere verraten sich selber, weil sie einfach nicht auf Ihre Anfragen reagieren. Wenn Sie vor dem Kauf versuchen, Kontakt aufzunehmen und keine Antwort bekommen, wird sich das auch nach dem Kauf nicht ändern.

Wie können Sie etwas über diese Probleme in Erfahrung bringen?
Eine gute Quelle sind die Protokolle von früheren Eigentümerversammlungen und ggfs. die Kostenpositionen von ehemaligen Jahresabrechnungen, weil sich Rechtsstreitigkeiten auch auf der Kostenseite niederschlagen. Ob Miteigentümer kompliziert sind, können Sie nirgends so richtig ablesen, aber Sie können in diesen Dokumenten nach Warnzeichen suchen. Ganz wichtig – sprechen Sie mit Eigentümern und Verwalter. Natürlich gibt kein Eigentümer mit komplizierter Persönlichkeit gern zu, dass er die ganze WEG mit Unfug blockiert. Aber Sie können sich herantasten und fragen, wie man sich in der Vergangenheit bei bestimmten Themen arrangiert hat.
In den Protokollen können Sie erkennen, ob Reparaturen – aus welchen Gründen auch immer – abgelehnt oder ständig „vertagt“ wurden. Dann sind größere Probleme absehbar. Eine Umfrage des Berufsverbands DDIV aus dem Jahr 2019 hat gezeigt, dass Sie keineswegs davon ausgehen können, dass der Verwalter professionell ist und alle Vorschriften kennt – selbst, wenn er den Job hauptberuflich seit vielen Jahren macht. Ein Anhaltspunkt für einen guten oder schlechten Verwalter ist auch die Jahresabrechnung, denn sie erfordert die Einhaltung sehr vieler Formalien. Ist sie gut strukturiert und für Sie nachvollziehbar? Dann ist schon viel gewonnen.
Indizien für eine schlechte WEG bzw. Verwaltung können sein:
- Späte Jahresabrechnungen (siehe Datum auf der Jahresabrechnung).
- Späte Eigentümerversammlungen (siehe Datum der EV in der Beschlusssammlung oder im Protokoll).
- Häufige oder lang dauernde Eigentümerversammlungen – häufiger als einmal im Jahr (siehe Beschlusssammlung oder Uhrzeit auf den Protokollen).
- Tagesordnungspunkte zu Versicherungsschäden, Zahlungsrückständen oder juristischen Konflikten (siehe Beschlusssammlung).
- Häufige oder „vertagte“ Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen (siehe vergangene EV-Protokolle. In der Beschlusssammlung nicht erkennbar, denn Beschlüsse, die nicht zustande gekommen sind, werden hier nicht eingetragen).
Indizien für eine gute Wohnungseigentümergemeinschaft können (müssen aber nicht) sein:
- Nur eine Eigentümerversammlung pro Jahr (siehe Datumsangaben in der Beschlusssammlung).
- Kein Rechtsstreit (siehe Beschlusssammlung).
- Keine Zahlungsrückstände (siehe Jahresabrechnung – Abschnitt Gesamtabrechnung).
- Kein Sanierungsstau, d.h. immer wieder auftretende Reparatur-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen (siehe Beschlusssammlung oder Teil „Rücklage“ in der Jahresabrechnung).
- Überschaubare Anzahl von Versicherungsschäden (siehe „Bericht der Verwaltung“ in den früheren Protokollen, ggfs. Beschlusssammlung oder Posten „Versicherungsschäden“ in der Jahresabrechnung).
Ich überlege aktuell, ob ich mir eine Eigentumswohnung kaufen sollte. Ich habe mir auch bereits eine tolle Wohnung angeschaut. Mir ist bei einer Eigentumswohnung auch wichtig, dass das Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern klappt. Mir war gar nicht bewusst, dass es dafür auch Indizien gibt, ob es eine gute Gemeinschaft ist und ich diese durch die Jahresabrechnungen und Beschlusssammlungen überprüfen kann. Das werde ich mir gleich mal anschauen und mich dann entscheiden, vielen Dank für die Tipps.
Ich möchte mich ganz herzlich für den tollen Artikel bedanken. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und konnte eine Menge neuer Informationen und Denkanstöße mitnehmen. Ich freue mich schon auf weitere Artikel. Wie seht ihr eigentlich die aktuelle Lage am Immobilienmarkt?
LG
Vielen Dank für den großartigen Beitrag! Ich konnte für mich viel hilfreiches mitnehmen. Und ich freue mich schon auf weitere Beiträge.
Herzliche Grüße,
Robert
Vielen Dank euch für diesen tolle und informativen Artikel, ich konnte viel neues für mich mitnehmen. Und ich freue mich auch zukünftig weitere Beiträge von euch zu Lesen.
Grüße Daniel