Bevor Sie eine Eigentumswohnung kaufen, werden Sie von Ihren Freunden gewarnt: Ob Sie sich das wirklich antun möchten? Ihre Freunde (, die meistens nicht mal Wohnungseigentümer sind,) sagen, dass Sie plötzlich mit unvorhersehbaren Großreparaturen konfrontiert sind und unabsehbare Sonderzahlungen leisten müssen. Wissen diese Leute, wovon sie reden? Und wenn ja, ist vielleicht der Kauf einer Eigentumswohnung der beste Weg in die Privatinsolvenz?
Und dann bekommen die Leute panische Angst davor,
- dass „das Dach gemacht werden“ muss (was bedeutet das eigentlich?),
- dass die Heizung von heute auf morgen ausfällt und komplett erneuert werden muss, oder
- dass Fassade und Fenster im Rahmen (meist sinnloser) „Energieeffizienzmaßnahmen“ mit großen Mengen Sondermüll ausgestopft werden (sog. „Wärmedämmung“).
Fakt ist: Diese Sachen sind selten. Außerplanmäßige Großprojekte sind meistens sehr früh im Voraus absehbar und werden nicht übers Knie gebrochen. Zwar sind sog. „Energieeffizienzmaßnahmen“ bei jungen enthusiastischen Verwaltern manchmal ein Thema, wenn sie erst noch die Erfahrung machen müssen, dass sich die Energiekosten dadurch kaum senken lassen. Jedenfalls kann man solche Dinge vor Abschluss des Kaufvertrags erfragen, denn sowas wird langfristig geplant. Jedenfalls sind solche Großprojekte nicht besonders häufig und lenken nur ab von denjenigen Merkmalen, auf die Sie beim Wohnungskauf tatsächlich achten sollten.
Egal ob Selbstnutzung oder Vermietung – Ihr Ziel sollte sein, dass Sie sich möchten wenig mit unnötigen Nebensächlichkeiten herumschlagen müssen. Bei Vermietung ist das noch viel wichtiger: Wenn Ihr Ziel ein passives Einkommen ist, wenn Sie pro Jahr maximal 3 Stunden Arbeitszeit in Ihre Eigentumswohnung investieren möchten, dann
- brauchen Sie glückliche Mieter,
- müssen Sie größere Gefahrenquellen möglichst vermeiden und
- sollten zeitraubenden Streitigkeiten mit anderen Eigentümern möglichst aus dem Weg gehen.
Nochmal zurück zu Ihren panischen Freunden: Die lenken Sie von den wesentlichen Merkmalen ab, weil sie immer nur vom Dach und von der Heizung reden. Fehlgeleitet achten die meisten Leute beim Kauf einer Eigentumswohnung auf die falschen Merkmale.
Schön, dass im Fernsehen immer die Rede ist von tropfenden Wasserhähnen, undichten Toiletten und großflächiger Dachsanierung. Viel schlimmer sind Eigentümergemeinschaften, die sich nicht einigen können, dauernd im Kreis drehen oder schlimmer noch – ihre Kraft und Energie mit langwierigen WEG-Binnenstreitigkeiten verschwenden.
Hier trennt sich die Spreu vom Weizen: Der Wert einer Eigentumswohnung steht und fällt mit der Fähigkeit von Verwalter und Eigentümern, Probleme anzupacken und zu lösen, anstatt sich über Jahre hinweg gegenseitig zu blockieren.
Weil Sie in vielen Fällen auf deren Mitwirkung angewiesen sind, gehört es zur Analyse des Bewertungsobjekts, auf charakterliche Merkmale von Verwalter und Eigentümern zu achten.
Es gibt jedenfalls eine Reihe an Faktoren, die auf eine problematische Eigentümergemeinschaft schließen lassen (aber nicht müssen). Dazu gehören z.B. Eigentümer mit offensichtlichen psychischen Problemen, wie Beiratsvorsitzende mit eigenen Visitenkarten, die auch noch vom Familienwappen geziert werden. Mindestens genauso schlimm sind total überforderte Verwalter. Aber die verraten sich selber, weil sie nämlich einfach nicht auf Ihre Anfragen reagieren, wenn Sie vor dem Kauf versuchen, Kontakt aufzunehmen. Das wird auch nach dem Kauf nicht besser.
Als Datenquellen kommen die Protokolle vergangener Eigentümerversammlungen oder ggfs. ehemalige Jahresabrechnungen in Frage sowie Gespräche mit Eigentümern und Verwaltung.
Viele Faktoren können Sie nirgends ablesen. Aber Sie können zumindest nach Warnzeichen suchen. Schauen Sie sich die Beschlusssammlung und die Protokolle der letzten Versammlungen an, werfen Sie auch einen Blick auf die letzten Jahresabrechnungen und sprechen Sie mit Eigentümern und Verwalter. Es kann natürlich schwierig sein, die wesentlichen Knackpunkte zu identifizieren, schließlich gibt ja kein Eigentümer mit komplizierter Persönlichkeit gern zu, dass er die ganze WEG blockiert und vor sich her treibt.
Aber in den Protokollen kann man erkennen, ob Reparaturen aus Geldnot oder Unverständnis abgelehnt oder „vertagt“ wurden. Dann sind größere Probleme absehbar. Eine Umfrage des Berufsverbands DDIV aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass man selbst bei einem hauptberuflichen Verwalter keineswegs selbstverständlich von dessen Professionalität oder Kenntnis derartiger Vorschriften ausgehen kann – schlimm! Anhaltspunkte, ob der Verwalter sein Handwerk versteht, kann die Jahresabrechnung liefern, weil sie die Einhaltung vieler sehr spezieller Formalien fordert.
Indizien für eine schlechte Wohnungseigentümergemeinschaft können (müssen aber nicht) sein:
- Späte Jahresabrechnungen (Quelle: Datum auf der Jahresabrechnung).
- Späte Eigentümerversammlungen (Quelle: Datum der EV in der Beschlusssammlung).
- Häufige oder zeitintensive Eigentümerversammlungen (Quelle: Beschlusssammlung oder Uhrzeit auf den EV-Protokollen).
- Tagesordnungspunkte zu Versicherungsschäden, Zahlungsrückständen oder juristischen Konflikten (Quelle: Beschlusssammlung).
- Häufige oder „vertagte“ Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen (Quelle: vergangene EV-Protokolle. Beschlüsse, die nicht zustande gekommen sind, werden nicht in die Beschlusssammlung eingetragen).
Indizien für eine gute Wohnungseigentümergemeinschaft können (müssen aber nicht) sein:
- Nur eine Eigentümerversammlung pro Jahr (Quelle: Beschlusssammlung).
- Kein Rechtsstreit (Quelle: Beschlusssammlung).
- Kein Zahlungsrückstand (Quelle: Jahresabrechnung).
- Kein Sanierungsstau, d.h. immer wieder auftretende Reparatur-, Instandhaltungs- oder Instandsetzungsmaßnahmen (Quelle: Beschlusssammlung oder Jahresabrechnung).
- Überschaubare Anzahl von Versicherungsschäden (Quelle: Beschlusssammlung oder Jahresabrechnung).
Ich überlege aktuell, ob ich mir eine Eigentumswohnung kaufen sollte. Ich habe mir auch bereits eine tolle Wohnung angeschaut. Mir ist bei einer Eigentumswohnung auch wichtig, dass das Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern klappt. Mir war gar nicht bewusst, dass es dafür auch Indizien gibt, ob es eine gute Gemeinschaft ist und ich diese durch die Jahresabrechnungen und Beschlusssammlungen überprüfen kann. Das werde ich mir gleich mal anschauen und mich dann entscheiden, vielen Dank für die Tipps.
Ich möchte mich ganz herzlich für den tollen Artikel bedanken. Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen und konnte eine Menge neuer Informationen und Denkanstöße mitnehmen. Ich freue mich schon auf weitere Artikel. Wie seht ihr eigentlich die aktuelle Lage am Immobilienmarkt?
LG
Vielen Dank für den großartigen Beitrag! Ich konnte für mich viel hilfreiches mitnehmen. Und ich freue mich schon auf weitere Beiträge.
Herzliche Grüße,
Robert
Vielen Dank euch für diesen tolle und informativen Artikel, ich konnte viel neues für mich mitnehmen. Und ich freue mich auch zukünftig weitere Beiträge von euch zu Lesen.
Grüße Daniel