Eine Wohnung unter Wert kaufen

Sie versuchen, eine Wohnung unter Wert zu kaufen? Klasse. Dann müssen Sie zuerst wissen, wo der Wert liegt.

Und wie bewertet man eine Eigentumswohnung? Es gibt viele gesetzlich normierte Verfahren, aber die taugen für Ihr Vorhaben nicht. Es sind schablonenhafte Formeln, mit denen man Steuer-Bemessungsgrundlagen oder gerichtlich festzusetzende Abfindungen berechnen kann. Mehr aber auch nicht. Sie werden Ihnen nicht helfen, den wahren Wert Ihrer Immobilie zu ermitteln.

Hier die gute Nachricht: Zur Immobilienbewertung brauchen Sie fast nur Ihren gesunden Menschenverstand.

Jedenfalls brauchen Sie keine verschachtelten mathematischen Formeln. Da blickt doch eh keiner durch. Bewertung ist einfach! Ich zeige Ihnen, wie es geht: Unter „Wert“ verstehe ich die Preisgrenze, ab der es sich nicht mehr lohnt, sich auf das Geschäft einzulassen.

Ein Beispiel: Sie haben eine Immobilie geerbt und wissen nicht, ob Sie sie behalten oder verkaufen sollten. „Verkauf oder Vermietung“ ist ein Tausch. Mathematisch betrachtet: Wenn Sie verkaufen, dann tauschen Sie einen (dauerhaften) Einkommensstrom (monatliche Mieteinnahmen) gegen einen (einmaligen) Preis.

Sie sind Käufer? Dann tauschen Sie noch mehr:

  • Der Käufer tauscht Geld gegen Immobilie, bzw.: Der Käufer tauscht Einmalbetrag (Kaufpreis) gegen wiederkehrende Mieteinnahmen.
  • Der Käufer braucht meistens auch einen Kredit. Er tauscht also 30 Jahre dauernde Monatsraten gegen einen Einmalbetrag (Darlehensbetrag, der direkt an den Verkäufer fließt). Dieser Zahlungsstrom an Abflüssen besteht aus Zins und Tilgung und zahlt die Verbindlichkeit im Laufe von XY Jahren ab.
  • Und jetzt kommt der Mieter: Der Mieter tauscht Geldabflüsse (monatliche Mietzahlungen) gegen das Nutzungsrecht an 71 qm Wohnraum im 2. OG und damit bezahlt er nach und nach Ihre Wohnung ab.

Und jetzt?

Bewerten heißt vergleichen. Man muss die Zeitkomponente ausschalten, um die ganzen getauschten Gelder miteinander zu vergleichen.

Foto: Stephan Walochnik

Aus Sicht des Käufers als Kapitalanleger:

Nehmen wir an, Sie kaufen eine bereits vermietete Wohnung. Der Wert ist ja Ihre „Preisobergrenze“. Sie suchen also die maximale Belastungsgrenze, bedeutet: Bei einem Kauf zum Wert „trägt sich“ die Wohnung gerade selber. Werttreiber sind Ihre Mieteinnahmen.

Wenn Preis = Wert, dann Mieteinnahmen = Finanzierungskosten.

Damit die Rechnung stimmt, müssen Sie die nicht umlagefähigen Nebenkosten von den Mieteinnahmen abziehen. Wenn die Wohnung komplett kreditfinanziert ist, müssen Sie folgende Daten kennen:

  • Die Kaltmiete
  • aber nicht die Heiz- und Betriebskosten, denn die sind ja ein durchlaufender Posten und fließen direkt weiter zu Stromversorger, Müllabfuhr, Gebäudeversicherung usw.
  • die nicht umlagefähigen Nebenkosten, denn die dürfen Sie nicht an Ihren Mieter weitergeben (z.B. Hausverwaltung, Rücklage, Reparaturen, Bankgebühren, ggfs. Sachverständigen- und Rechtsanwaltskosten).

Wichtig! Sie müssen Ihre Annuität kennen, d.h. den Prozentsatz von Zins und Tilgung. Deswegen ist es wichtig, frühzeitig mit Ihrer Bank zu sprechen, idealerweise bevor Sie eine Wohnung gefunden haben.

Ein Beispiel, nehmen wir an…:

  • Die Mietüberschüsse (Kaltmiete abzgl. nicht umlagefähiger Nebenkosten) betragen jährlich 4.000 EUR.
  • Die Annuität der Bank (= Zins + Tilgung) liegt bei 4% p.a.
  • Ihre Belastbarkeitsgrenze liegtdort, wo Mietüberschüsse genauso groß sind wie Zins + Tilgung. Sie rechnen also 4.000 EUR (Mietüberschüsse) geteilt durch 4% (Annuität) = 100.000 EUR.
  • Wenn Sie die Wohnung (incl. Erwerbsnebenkosten) für 100.000 EUR kaufen, dann zahlen Sie jährlich 4.000 EUR an die Bank (4% von 100.000 EUR) und bekommen pro Jahr 4.000 EUR vom Mieter (, was natürlich unabhängig vom Kaufpreis geschieht). Unter der Annahme, dass der Mieter immer pünktlich zahlt und es keinen Leerstand gibt.
  • Wenn Sie mehr als 100.000 EUR für die Wohnung ausgeben, dann zahlen Sie drauf. Und warum sollten Sie dieses Geschäft eingehen?

Der Wert (=Preisobergrenze) aus Sicht des Käufers liegt in diesem Beispiel also bei 100.000 EUR. Und der Preis? Der sollte natürlich möglichst weit davon weg sein! Ein Immobilieninvestor möchte ja auch etwas mit der Wohnung verdienen!

Sie wissen jetzt also, dass Sie Minus machen, wenn Sie mehr als 100.000 EUR für die Wohnung bezahlen. Wie Sie verhandeln, ist eine ganz andere Sache. Sie müssen natürlich einen Preis weit unterhalb von 100.000 EUR aushandeln, wenn Sie sich ein monatliches, passives Einkommen aufbauen möchten. Vielleicht schaffen Sie es, sich auf einen niedrigeren Preis zu einigen, z.B. 95.000 EUR, 90.000 EUR oder 85.000 EUR. Je niedriger, desto besser. Aber der Verkäufer muss sich ja auch darauf einlassen.

Foto: Stephan Walochnik

Eine praktische Faustformel, mit der Sie schnell Ihre Preisobergrenze berechnen können.

Sie haben schnell erkannt, dass die Preisobergrenze von mehreren Faktoren abhängig ist. In der Berechnung habe ich Annahmen getroffen:

  • Die Mieteinnahmen (4.000 EUR) und
  • die Annuität (4%)
  • stehen fest und sind bekannt.

Wenn Sie unter diesen Annahmen die Wohnung zu 100.000 EUR kaufen, machen Sie gerade ein Nullsummengeschäft. Sie haben aber mehrere Stellschrauben: Vielleicht bietet eine andere Bank einen niedrigeren Zinssatz an? Dann sinkt Ihre Annuität und die monatlichen Finanzierungskosten.

Oder vielleicht können Sie nach dem Kauf eine moderate Mieterhöhung durchführen (obwohl ich da wirklich kein Freund von bin, weil es die Mieter verscheucht).

Und Wert ist ja nicht gleich Preis, sondern Preisobergrenze. Hier können und sollten Sie verhandeln.

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