BWL für Hausverwalter – Weg von der überarbeiteten Büroleiche

Die Lösung der ganzen Probleme könnte für viele Verwalter ganz einfach sein. Aber fangen wir mal ganz von vorne an, wie die Geschichte bei mir abgelaufen ist.

Das Problem

Rückblick, Mai 2014: Um ein Uhr morgens sitze ich immer noch im Arbeitszimmer. Seit ich um halb sieben Uhr morgens den Rechner angeschaltet habe, ist das Postfach immer voller geworden, obwohl ich ständig dagegen gearbeitet habe. Jede meiner Mails hat mindestens fünf Antworten nach sich gezogen und so habe ich schon wieder 65 Mails im Posteingang und versuche verzweifelt, diese heute noch abzuarbeiten, damit ich endlich mal wieder einen leeren Posteingang habe. Heute haben mir wieder zwei Kunden im Laufe des Tages am Telefon verbale Ohrfeigen verpasst, weil ich ihre unrealistischen Vorstellungen einfach nicht zu erfüllen vermochte. Eine vollständige Balkonsanierung für 1.500 EUR herbeizuzaubern, und das auch noch bis Ende des Monats, war auch damals schon utopisch – und die Konflikte mit den verhassten Nachbarn kann ich beim besten Willen nicht für den Schreihals lösen, der seine Wut dann eben an mir ausgelassen hat. Blick auf die Uhr – nun ist es 1:30 Uhr und ich sollte langsam mal schlafen gehen – oder wenigstens das Mittagessen nachholen. Aber die Arbeit türmt sich noch immer, und morgen früh kommt bestimmt der nächste Schwung Emails. Ist das im Laufe des Tages überhaupt mal weniger geworden? Irgendwas muss sich ändern!

Ich sehe mich als Dienstleister und versuche immer, die Probleme anderer Leute zu lösen. Bei manchen Leuten und ihren Problemen stößt man aber auf Granit. Wenn die Personen unrealistische Erwartungen haben, oder die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft keinerlei Gemeinschaftsgefühl besitzen, hilft der beste Verwalter nichts. Meine „Kümmerei“ für die Sorgen anderer Leute führte jedenfalls dazu, dass ich 2014 völlig überladen war.

 

Die Analyse

Das war natürlich kein Leben. Dann habe ich ein paar Sachen erkannt: Der Job als Hausverwalter hat nämlich die angenehme Eigenschaft, dass es eine pauschale monatliche Grundvergütung gibt. Interessant ist auch, dass es bestimmte Kunden gibt, die den Verwalter ständig beanspruchen, anrufen, Rückfragen haben, Dinge besprechen oder einfach nur ihren Frust abladen wollen. Andere Kunden melden sich quasi das ganze Jahr lang überhaupt nicht, zahlen aber die gleiche Grundgebühr. Wieder das Pareto-Prinzip! Es machen 10% der Kunden 90% der Arbeit – während 90% des Umsatzes von Kunden kommt, die nur 10% der Arbeit machen.

Das Pareto-Prinzip zur Kundenselektion

Ich beginne, ein Kundenranking zu machen, mit einer 90:10-Analyse, und nachzuhalten, wer welche Zeit in Anspruch nimmt. Welche Kunden rufen mehrmals pro Woche an und mit wem habe ich schon seit Wochen nicht mehr telefoniert? Wer meldet sich so gut wie gar nicht? Gibt es eine Konzentration? Nehmen mich bestimmte Eigentümergemeinschaften mehr in Anspruch als andere? Aber ja! Und wie. Als ich meine Liste ein paar Monate lang führe, ist das Ergebnis deutlich erkennbar: Zehn Prozent der Kunden sind verantwortlich für 90 Prozent meiner Arbeit und meines Kummers, während sie aber nur zehn Prozent des Geldes bringen.

Obwohl es ein bisschen Überwindung gekostet hat, habe ich diese Kunden dann radikal vor die Tür gesetzt. Und weil es Eigentümergemeinschaften sind, bedeutet das: Wenn ich nur einen nervigen Querulanten nicht mehr haben möchte, dann muss ich der ganzen Eigentümergemeinschaft kündigen. Es musste sein, also bin ich ganz radikal vorgegangen. Wenn auch nur einer von 20 Eigentümern sich im Ton vergriffen oder respektlos gewesen ist, dann fliegen alle. Das habe ich nicht nur bei kundenseitigen Unverschämtheiten durchgezogen, sondern auch dann, wenn Eigentümer mich mit ständig neuen Aufgaben überschüttet haben, z.B. immer wieder Angebote für Maßnahmen einzuholen, die am Ende klar an der Mehrheit scheitern und doch nicht beschlossen werden.

So habe ich viele Kunden vor die Tür gesetzt und Umsatz verloren. Sie werden es nicht glauben: Finanziell hat es sich absolut gelohnt. Weniger Kunden, mehr Geld? Wie soll das gehen? Wenn man die o.g. 10% der Kunden rausschmeißt, sind auch fast alle Störfaktoren abgestellt. Ich konnte mich viel, viel besser um die restlichen 90% der Kunden kümmern – die ja auch ihre berechtigten Anliegen hatten, aber leider etwas auf der Strecke geblieben sind. Auch hier wiederum das 90–10–Prinzip: Wenn ich z.B. nur 10% mehr Arbeit in diese Kunden investiere, sind diese vielleicht 90% zufriedener mit dem Service oder ich erziele dort 90% bessere Ergebnisse. Auf einmal war ich im Wunderland, weil Kunden, die nur sehr wenig Arbeit verursachen, einen hochwertigen Premium-Service bekommen. Das merken die sich, es spricht sich rum und zieht noch mehr sehr gute Kunden an.

Die Kostendegression

Zum Pareto-Prinzip kommt der Effekt der Kostendegression. Im Fall von Hausverwaltern ist es wohl eher eine Arbeitsdegression. In der Betriebswirtschaft kennt man das, wenn z.B. eine Fabrik längere Zeit ein Produkt herstellt, dann stellen sich Lerneffekte ein und nächstes Jahr brauchen die Arbeiter nur noch 80% der Zeit (anstatt 100%), um das Produkt herzustellen.

Bei der WEG-Verwaltung ist das ähnlich. Wer als Verwalter gerade eine neue WEG übernommen hat, muss praktisch immer hinter seinem Vorgänger aufräumen. (Niemand wechselt einfach so den Verwalter!) Nach einigen Jahren sind die größten Themen aufgeräumt, und es fallen nur noch überwiegend Routinetätigkeiten an. Anstatt von 100% verursacht die WEG dann vielleicht noch 70% des Aufwandes oder weniger. Wichtig ist also, schlechte Kunden auszusortieren und gute Kunden langfristig zu halten, weil die Arbeit bei guten Kunden nach ein paar Jahren am geringsten ist.

Um es auf den Punkt zu bringen: Ein einziger Katastrophenkunde hat das Potential, mir so viele graue Haare zu bescheren, dass ich für die vielen guten Kunden überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Meine wichtigste Aufgabe ist es, die guten Kunden zu beschützen und gut zu versorgen. Sie haben es verdient! Dazu ist es einfach erforderlich, schlechte Kunden vor die Tür zu setzen – auch wenn diese einen gewissen Umsatz bringen mögen. Wenn Sie also heute noch mein Kunde sind, dann können Sie sicher sein, dass ich Sie und Ihre WEG von ganzem Herzen mag.

Die Kernkompetenz

Zudem habe ich mich entschieden, mich auf nur eine einzige Sache zu konzentrieren: Ich bin Experte für Wohnungseigentümergemeinschaften. Aufträge für Mietshäuser und Betriebskostenabrechnungen nehme ich nicht mehr an. Dafür gibt es immer noch genügend andere Dienstleister. Ich verwalte ausschließlich Wohnungseigentümergemeinschaften.

Kundenselektion und Konzentration aufs Wesentliche. So einfach geht das – die ganze Branche sollte sich diese Vorgehensweise schnellstens ebenfalls angewöhnen, um den schönen Beruf endlich wieder attraktiver zu machen. Versicherungen arbeiten ja nach genau demselben Prinzip und werfen ihre Kunden konsequent raus, wenn die Schadenquote zu hoch ist.

Foto: Stephan Walochnik

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