Ihre WEG hat beschlossen, die Fassade anstreichen zu lassen. Sie haben aber keine einfache, glatt verputzte, homogene Fassade. Nein, Ihr Gebäude ist eleganter, hat viele Vorsprünge, Erker, Loggien, Markisen, Ecken, Winkel, Gitter, Zierelemente, Regenrinnen, Fallrohre und vieles mehr. Daher wird das Projekt sehr umfangreich. Wenn zwei oder mehr Gewerke beteiligt sind (z.B. Maler, Gerüstbau und Dachdecker), sollten Sie ein Bauprojekt nicht ohne Architekten bzw. fachkundige Planung durchführen. Gleiches gilt, wenn die voraussichtlichen Kosten eine gewisse Größenordnung überschreiten. Einfach einen Anstreicher zu beauftragen, könnte ins Auge gehen. Aber wofür brauchen Sie einen Architekten und was macht er?

Erstens: Die Planungsphase
Er macht die Angebote vergleichbar, indem er ein Leistungsverzeichnis erstellt und bei den Firmen Preise für die Einzelpositionen abfragt. Sie können sich das als „Blanko-Angebot“ vorstellen, das er an die Handwerker schickt, damit sie es mit ihren Preisen ausfüllen. Das Ergebnis sind mehrere vergleichbare Angebote und ein übersichtlicher Preisspiegel in Tabellenform.
Der Verwalter könnte zwar auch selbst Angebote bei Handwerkern einholen. Aber man würde schnell erkennen, dass sie nicht vergleichbar sind. Schon komisch, dass sich Preise und Leistungen so stark unterscheiden – beim Anstrich derselben Fassade. Da muss es Leistungsunterschiede geben. Aber wo muss man sie suchen? Welche Details darf man auf keinen Fall übersehen? Nicht nur die Preise, sondern auch die enthaltenen Positionen weichen meist deutlich voneinander ab. Der eine Maler setzt vielleicht 14 Stunden für Abklebearbeiten an, der andere aber 18. Auch das Aufmaß der anzustreichenden Fläche wird bei verschiedenen Betrieben unterschiedlich sein. Die eingeholten Angebote sind Ausführungsvorschläge – und damit nicht vergleichbar.
Zweitens: Ausführungsphase und Abnahme
Der Architekt übernimmt auch die Bauleitung und überwacht die Baustelle. Das ist sehr wichtig. Denn leider kommt es regelmäßig vor, dass Handwerker es ansonsten ausnutzen, dass ihr Gegenüber einen anderen Beruf erlernt hat. So versucht man, Ihnen Nachtragsangebote aufzubinden, die angeblich nicht absehbar waren. Der Bauleiter hat Erfahrung am Bau und lässt sich keinen Bären aufbinden. Ohne ihn sehen Sie schnell alt aus.
Aber auch die Abnahme ist wichtig. Hier prüft der Auftraggeber, ob die geschuldete Leistung vertragsgerecht erbracht wurde. Die Abnahme ist die Bestätigung des Auftraggebers, dass die Anforderungen erfüllt wurden, keine wesentlichen Mängel vorliegen und alles in Ordnung ist. Wenn ein kaufmännischer Verwalter ohne technische Ausbildung meint, er müsste die Abnahme alleine machen, kann er leicht etwas übersehen. Nach der Abnahme muss die WEG aber dem Handwerker beweisen, dass der Mangel schon da war. Schwer zu erklären, warum der Mangel bei Abnahme nicht gerügt worden ist. Alles spricht dafür, sich fachkundige Unterstützung zu holen.

Ein paar Anekdoten aus meinem Berufsleben.
- „Oh, diese Arbeiten haben wir nicht mit eingerechnet. Wollen Sie die Balkone denn wirklich auch von innen angestrichen haben? Das war leider nicht absehbar, sorry, das hätten Sie sagen müssen. Hier ist das erste Nachtragsangebot – 20.000 EUR.“
Oft wird der Spieß einfach umgedreht. Man holt sich doch einen Handwerks-Meisterbetrieb ins Haus, um sich beraten zu lassen! Und nicht, damit man ihm Selbstverständlichkeiten aus der Nase ziehen muss. Mit der Erstellung eines klaren Leistungsverzeichnisses liegt es in der Verantwortung des Architekten, zu prüfen, welche Positionen dabei sein müssen und welche ausgelassen werden können – im Zweifel kann man die WEG ja fragen. Als kaufmännischer Verwalter kann man schnell etwas übersehen.
- „Sie können sich in Ruhe überlegen, ob Sie das Nachtragsangebot beauftragen möchten. Wir sind aber ab nächster Woche in Betriebsferien. Währenddessen steht das Gerüst hier rum und kostet 400 EUR pro Woche.“
Zu gerne bauen Handwerker Zeitdruck auf, damit die Kunden sich nicht mit den rechtlichen Gegebenheiten auseinandersetzen können, und kurzerhand den Auftrag erteilen müssen, um den finanziellen Schaden einzudämmen.
- „Leider waren weitere unabsehbare Arbeiten notwendig. Sie waren telefonisch nicht erreichbar, deswegen haben wir einfach gemacht. Unseren Preisrahmen von 20.000 EUR mussten wir leider minimal überschreiten. Hier die Rechnung über 24.000 EUR. Sorry, leider 20% teurer, ging nicht anders. Den Skonto gewähren wir übrigens nur, wenn Sie binnen sieben Tagen zahlen.“
Oftmals erteilen Handwerker sich die Aufträge einfach selbst, weil der Verwalter angeblich telefonisch nicht erreichbar war – was ja kaum nachweisbar ist. Oder es wird behauptet, dass eine bestimmte Person bzw. „der Beirat“ die Aufträge mündlich erteilt hätte, aber der Name leider entfallen sei.
- Es kann auch vorkommen, dass das Ordnungsamt mal zur Kontrolle vorbeikommt, um zu sehen, ob auch alle Vorschriften eingehalten wurden (z.B. Dixi-Toilette, Baustellenschild, …). Der Handwerker ist nämlich nur für sein eigenes Gewerk verantwortlich. Wenn es übergreifende Vorschriften gibt, obliegen diese dem Bauherrn, also der WEG. Wenn mehr als ein Gewerk involviert ist und nicht aus einer Hand geliefert wird (z.B. Maler und Gerüstbau), sollte die WEG das Risiko nicht eingehen, ohne fachkundige Planung zu agieren, da man nicht alle gesetzlichen Vorschriften kennen kann, wenn man nicht vom Fach ist.
- Plötzlich tauchen unvorhersehbare Arbeiten auf, für die ein Handwerker eines anderen Gewerks benötigt wird. Beim Anstrich fällt vielleicht auf, dass die Fassadenbeleuchtung entfernt und später neu verkabelt werden muss. Ein Architekt hätte das absehen können, wir aber nicht. Jetzt brauchen wir einen Elektriker, und zwar schnell. Der kann aber frühestens nächste Woche kommen, weil er ebenfalls Auftragsflut hat. Bis dahin steht die Baustelle still. Nichts zu machen.
- Das schlimmste ist, dass die Rücklage nicht ausreicht, weil der Handwerker sich „verkalkuliert“ hat. Vielleicht wollte er ja der Billigste sein, um den Zuschlag zu bekommen? Der Verwalter muss kurzfristig eine Eigentümerversammlung einberufen, Ihnen das alles erklären und Sie kurzfristig um eine Sonderumlage bitten. Das macht keinen Spaß und war vermeidbar.
Zwar können unvorhergesehene Mehrkosten auch auftauchen, wenn das Vorhaben von einem Architekten begleitet wird. Aber mit jahrelanger Berufs- und Bauerfahrung hat er die besseren Chancen, zu erkennen, ob man ihm einen Bären aufbinden will oder ob ein Nachtrag seine Berechtigung hat.
Sein Hauptjob beginnt schon bei der Grundlagenermittlung und Erstellung des Leistungsverzeichnisses. In Gesprächen mit Verwalter, Beirat und später auch der Eigentümerversammlung klopft er die üblichen Punkte ab und fragt, ob sie gewünscht sind und berücksichtigt werden sollen. Dazu gehören so simple Fragen wie, ob die Innenseiten der Balkone auch gestrichen werden sollen, wie es mit den Fensterrahmen aussieht und was mit der Fassadenbeleuchtung geschehen soll. Ansonsten wird es schnell passieren, dass ein Handwerksbetrieb die selbstverständlichsten Punkte außen vor lässt, damit er der Billigste ist und den Zuschlag bekommt – nur um später mit großen Nachkalkulationen um die Ecke zu kommen.




