Der Verwalter ist kein Architekt  

Foto: Stephan Walochnik

Selbst bei großen Bauprojekten gibt es immer wieder bestimmte Eigentümer, die sich das Geld für die fachkundige Planung lieber sparen möchten. Ein Architekt sei doch überhaupt nicht nötig, brauchen wir nicht, hört man dann auf den Eigentümerversammlungen. Und so glauben manche Wohnungsbesitzer, dass WEG-Verwalter eine Berufsqualifikation besitzen, die einem Architekten gleichgeordnet ist. Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern sehr gefährlich.

WEG-Verwalter ist ein kaufmännischer Beruf. Warum sollte er die Bauleitung übernehmen? Sein Job ist es, Eigentümerversammlungen zu organisieren, die Buchhaltung im Griff zu haben und eine klare und verständliche Jahresabrechnung zu erstellen. Er kümmert sich um Konten, Abrechnung, Aufträge, Mahnwesen, Nachhalten von Terminen, organisiert Versammlungen, Besprechungen und Umlaufbeschlüsse, erstellt Ihre Steuerbescheinigungen und erklärt Ihnen das Stimmrecht und die Formalitäten auf der Versammlung, informiert und kommuniziert. Sein Job ist es, alle Belange Ihres Hauses zusammenzuführen und Sie ständig auf dem Laufenden zu halten. Aber er hat weder Architekturstudium noch alltägliche Baustellenerfahrung.

Manchmal überfordern größere Instandhaltungsmaßnahmen die Eigentümergemeinschaft – nicht nur finanziell, sondern auch inhaltlich. Damit die Maßnahme gutgeht, braucht man kompetente Beratung. Ein Fachmann mit Routine und Erfahrung muss her. Ein Fachplaner, der meist nach Stundenhonorar bezahlt wird. Also jemand, der tagein tagaus nichts anderes macht, als Instandhaltungsmaßnahmen zu planen und zu begleiten. Anstatt so jemanden mit einer gründlichen Diagnose (und später mit der Planung der Maßnahme) zu beauftragen, haben „kostensensitive“ Kapitalanleger manchmal etwas andere Vorstellungen: Sie verwechseln den Verwalter mit einem Hochbauingenieur und erwarten von ihm die Beschaffung von mehreren Reparaturangeboten und deren Vergleich. Das kann sogar sinnvoll sein, wenn es um überschaubare Vorgänge geht, z.B. den Anstrich eines Treppenhauses oder die Reparatur vom Tiefgaragentor. Aber bei komplexeren Maßnahmen sind die Angebote der Handwerker selten vergleichbar! Zudem müssen ja die Angebote von mehreren Gewerken zusammengeführt werden, wenn es um eine komplexe Maßnahme geht. Vielleicht müssen Gerüstbauer und Dachdecker zusammenarbeiten und sich absprechen? Wurden wirklich alle Leistungen bedacht und angeboten?

Foto: Stephan Walochnik

Architekten und Ingenieure durchlaufen ein mehrjähriges Studium an einer Fachhochschule oder Universität und müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um Mitglied in der Berufskammer zu werden. Um als Bauplaner zugelassen zu werden, müssen sie eine teure Berufshaftpflichtversicherung abschließen, die es für Verwalter nicht gibt.

Der Architekt kennt auch die juristischen Zusammenhänge, z.B. Unfallverhütungsvorschriften, Hinweispflichten gegenüber Nachbarn, Brandschutzvorschriften, Abnahme. Muss man die Baustelle beim Amt anmelden? Welche Beschilderung muss man aufstellen? Der Architekt weiß, was zu tun ist. Wussten Sie, dass Verstöße grundsätzlich auf Sie als Eigentümergemeinschaft zurück fallen? Als Bauherr ist die WEG Träger von Rechten und Pflichten – und verantwortlich. Jeder Eigentümer haftet im Außenverhältnis persönlich. Sobald mehrere Gewerke im Spiel sind (Elektriker, Maurer, Gerüstbauer, Maler, Dachdecker, …), ist Koordinationsarbeit nötig. Ohne fundierte Baukenntnisse geht das schief: Plötzlich fällt während der Bauarbeiten auf, dass irgendwas doch nicht so läuft, wie geplant. Schlecht geplant? Naja, manche Handwerker geben ein möglichst günstiges Angebot ab, um den Zuschlag zu bekommen. Dass der Verwalter nicht alle Details durchblickt, wissen viele ganz genau. Und dann kommt das Nachtragsangebot – während der laufenden Bauarbeiten. Nun will es keiner schuld sein. Und jetzt? Völlig unerwartet oder nicht – es muss sofort entschieden werden, wie es weitergeht. Denn das Gerüst steht bereits und kostet für jeden Tag der Standzeit Miete. Erpressung? Meinetwegen, aber keiner der Handwerker wird sich den Schuh anziehen – es war eben bei Angebotserstellung „nicht absehbar“.

Foto: Stephan Walochnik.

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