Seit der WEG-Reform im Jahr 2020 können Vollmachten zur Eigentümerversammlung grundsätzlich auch in Textform erteilt werden. Gleiches gilt für die Zustimmung zu einem Umlaufbeschluss. Aber was bedeutet Textform eigentlich? Juristen unterscheiden – neben anderen Formen – Schriftform und Textform. Schriftform bezeichnet Ihre eigenhändige Unterschrift „aus Tinte“, während Textform heißt, dass Buchstaben dauerhaft „schwarz auf weiß“ stehen, wie es bei einem Fax oder einer Email der Fall ist.
Bisher ging man davon aus, dass die Echtheit einer eigenhändigen Unterschrift einfacher nachgewiesen werden kann als die eines anderen Dokuments, z.B. einer Email. Bei bestimmten Rechtsgeschäften bevorzugt man daher immer noch die Schriftform, vor allem, wenn formale Anforderungen besonders hoch oder die Beweissicherheit wichtig ist. Denken Sie z.B. an Ihren Arbeits- oder Mietvertrag.
Bis zur WEG-Reform im Jahr 2020 war für Umlaufbeschlüsse, Vollmachten oder die Einladung zur Eigentümerversammlung die Schriftform erforderlich. Das hat sich geändert und nun ist die Textform ausdrücklich erlaubt. Das bringt Ihnen viele Erleichterungen, denn für eine schriftliche Vollmacht brauchten Sie auf jeden Fall einen Umschlag plus Briefmarke, und ggf. auch einen Drucker, um das Schriftstück überhaupt drucken und mit Tinte unterschreiben zu können. Vieles war aufwändiger und nicht mehr zeitgemäß. Für die Textform müssen Sie bspw. nur eine E-Mail schicken.
Auch Fax, WhatsApp oder SMS genügen der Textform, denn auch dort werden Buchstaben dauerhaft „schwarz auf weiß“ gespeichert – Sprachnachrichten wiederum nicht. Wenn Sie ein Dokument, das Sie mit Tinte unterschrieben haben, einscannen und als pdf-Datei versenden, bringen Sie es übrigens zurück in die Textform, weil die Tinte in Einsen und Nullen auf dem Computer umgewandelt wird. Eine Vollmacht per SMS oder WhatsApp zu erteilen, wäre möglich, aber ziemlich gewagt, weil sie schnell mal übersehen werden kann. Und weil es hier die größten Probleme mit dauerhafter Datenspeicherung und -wiederherstellung gibt. Zwar entspricht auch das Fax der Textform, aber es benutzt heutzutage fast niemand mehr.
Kann man Textform leichter fälschen? Vielleicht, aber ganz ehrlich: Eigentümerversammlungen sind kein hoheitlicher Staatsakt. Ihr Verwalter führt vermutlich keine Liste mit Unterschriftsproben und könnte selbst Ihre Unterschrift nicht ohne weiteres identifizieren oder prüfen. Wenn ich ein unterschriebenes Dokument bekomme, kann ich glauben oder nicht, dass der Absender es selbst unterschrieben hat. Ob Ihre Unterschrift aus ein paar Kringeln, Strichen oder Buchstaben besteht, kann und möchte ich nicht nachprüfen. So läuft es doch auch bei Emails. Man geht davon aus, dass der Absender die E-Mail selbst geschrieben hat und der Account des Absenders, dessen E-Mailadresse man in der Kopfzeile sieht, nicht gehackt wurde.
Vollmachten für Eigentümerversammlungen sind auch nicht gerade das beliebteste Ziel von Trickbetrügern und „Enkeltricksern“. Schwer vorstellbar, wer einen Vorteil davon hätte, hierfür eine fremde Unterschrift zu fälschen. Außer vielleicht ein Eigentümer mit viel krimineller Energie, der sich eine Mehrheit für seinen eigenen Tagesordnungspunkt ergaunern will. Aber der würde auch handgeschriebene Vollmachten fälschen. Ein paar Kringel und Striche auf das Vollmachtsformular, und schon hat er seine Unterschrift. In einer Eigentümergemeinschaft gibt es ja keinen ständigen Publikumsverkehr, sondern oftmals jahrelang die gleichen Eigentümer, die sich von den Versammlungen mittlerweile kennen. Daher fliegen solche Tricksereien besonders schnell auf, spätestens bei Versand des Protokolls mit den Abstimmungsergebnissen – und das hätte für den Fälscher erhebliche, strafrechtliche Konsequenzen. Daher brauchen Sie sich nicht allzu sehr vor Vollmachten und Umlaufbeschlüssen in Textform zu fürchten.