BWL für Hausverwalter – Von der überarbeiteten Büroleiche zum zufriedenen Privatier

Eine Liebeserklärung an meine Kunden. Wir schreiben das Jahr 2021. Ich bin WEG-Verwalter und arbeite pro Woche 12 bis 16 Stunden. Ja, pro Woche. Nein, kein Schreibfehler. Und ja, das war alles mal ganz anders.

Rückblick, Mai 2014: Um 01 Uhr morgens sitze ich immer noch im Arbeitszimmer. Seit ich um 07 Uhr früh den Rechner angeschaltet habe, ist das Postfach einfach immer voller geworden. Jede meiner Mails hat fünf verschiedene Antworten nach sich gezogen und so habe ich schon wieder 45 Mails in der Inbox, die ich verzweifelt versuche, heute noch abzuarbeiten. Und irgendwie wird das alles immer länger. Mindestens zwei Kunden haben mir im Laufe des Tages am Telefon wieder verbale Ohrfeigen verpasst, weil ich ihre unrealistischen Vorstellungen einfach nicht zu erfüllen vermag. Zugegeben, eine vollständige Balkonsanierung für 1.500 EUR herbeizuzaubern war auch damals schon utopisch – und die Konflikte mit den verhassten Nachbarn kann ich beim besten Willen nicht für den Schreihals lösen, der seine Wut dann eben an mir ausgelassen hat. Blick auf die Uhr – nun ist es 1:30 Uhr und ich sollte langsam mal schlafen gehen, trotzdem türmt sich die Arbeit noch immer. Ist das im Laufe des Tages denn überhaupt nicht weniger geworden? Irgendwas muss sich ändern.

Ich nehme gerne die Probleme anderer Leute an und versuche, sie zu lösen. Eigentlich eine gute Eigenschaft, aber bei manchen Leuten und Problemen geht das halt nicht. Erstmal braucht es realistische Erwartungen, zweitens müssen die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein gewisses Gemeinschaftsgefühl entwickeln, sonst hilft der beste Verwalter nichts. Mein „Kümmer-Gen“ führte jedenfalls dazu, dass ich 2014 völlig überladen war.

Das war natürlich kein Leben. Dann ist mir 2016 „Die 4-Stunden-Woche“ von Tim Ferriss in die Hände gefallen und hat förmlich mein Leben verändert. Ich habe dann ein paar Sachen erkannt: Erstens hat mein Job die angenehme Eigenschaft, dass es eine pauschale Grundvergütung jeden Monat gibt. Zweitens gibt es bestimmte Kunden, die den Verwalter stark strapazieren, aber die gleiche Grundgebühr bezahlen, während sich andere quasi das ganze Jahr lang überhaupt nicht melden. Das typische Pareto-Prinzip. Drittens kann ich (laut Verwaltervertrag) für bestimmte Dinge zusätzliche Rechnungen schreiben – und sollte endlich mal anfangen, von dieser vertraglichen Vereinbarung auch Gebrauch zu machen!

Zuerst habe ich angefangen, ein Kundenranking zu machen (80:20-Analyse) und nachzuhalten, wer welche Zeit in Anspruch nimmt. Welche Kunden / WEGs rufen mich mehrmals pro Woche an und wer meldet sich so gut wie gar nicht? Gibt es eine Konzentration, nehmen mich bestimmte Eigentümergemeinschaften mehr in Anspruch als andere? Nach ein paar Monaten war völlig klar: Zehn Prozent der Kunden sind verantwortlich für 90 Prozent meiner Arbeit (und meines Kummers), während sie aber nur zehn Prozent des Geldes bringen.

Diese Kunden habe ich dann radikal vor die Tür gesetzt. Ich weiß, in Gemeinschaften sind ja selten alle gleich. Und ich gebe zu, es ist wirklich ein schmaler Grat zwischen grottenschlechtem Kundenservice und der Selektion guter Kunden. Und wenn nur einer von 20 Leuten blöd ist? Ich bin da wirklich radikal geworden. Auch wenn nur einer sich im Ton vergreift oder mir gegenüber respektlos ist, dann fliegen alle – und zwar kurzfristig. Finanziell hat es sich absolut gelohnt.

Weniger Kunden, mehr Geld? Wie soll das gehen? Wenn man die o.g. zehn Prozent der Kunden rausschmeißt, sind fast alle Störfaktoren weg und man kann sich viel, VIEL besser um die restlichen 90 Prozent kümmern – die ja quasi keine Arbeit machen, dann aber entsprechend Premium-Service bekommen. Das spricht sich rum und zieht noch mehr sehr gute Kunden an.

Dazu kommt ein weiterer Zeiteffekt: Am Anfang, wenn man eine neue Eigentümergemeinschaft übernimmt, hat man praktisch immer Aufräumarbeit. (Niemand wechselt einfach so den Verwalter, da muss schon ordentlich was vorgefallen sein, Sanierungsstau, Rechtsstreit, keine Ahnung, irgendwas ist vorgefallen, sonst gäbe es keinen Wechsel. Eigentümergemeinschaften sind träge.) Wichtig ist also, gute Kunden langfristig zu halten, weil dann irgendwann kaum noch Arbeit anfällt.

Bringen wir das mal auf den Punkt: Ich muss die guten Kunden beschützen.

Ein einziger Katastrophenkunde hat das Potential, dem Hausverwalter so viele graue Haare zu bescheren, dass er für die vielen guten Kunden überhaupt keinen freien Gedanken mehr hat.

Um die vielen guten Kunden zu schützen (, die es verdienen!), ist es einfach erforderlich, schlechte Kunden rauszuwerfen – auch wenn die einen gewissen Umsatz bringen mögen. Wenn Sie also nach wie vor mein Kunde sind, dann können Sie sicher sein, dass ich Sie und Ihre WEG von ganzem Herzen mag.

Zudem konzentriere ich mich auf nur eine einzige Sache: Ich bin Experte für WEG-Verwaltung. Alles andere mache ich nicht. Ich habe z.B. vor vielen Jahren aufgehört, für Drittkunden Mieterabrechnungen zu machen. Dafür gibt es immer noch genügend Dienstleister. Ich mache ausschließlich WEG-Verwaltung und nichts anderes.

Kundenselektion und Konzentration aufs Wesentliche. So einfach geht das – und meine Branche sollte sich diese Verhaltensweisen schnellstens ebenfalls angewöhnen. Schließlich werfen auch Versicherungen die Kunden mit hoher Schadenquote konsequent raus. Ich habe da ziemlich lange drauf hingearbeitet, und das war richtig anstrengend. Jetzt darf ich auch mal die Lorbeeren ernten und 12 bis 16 Stunden pro Woche arbeiten.

Foto: Stephan Walochnik

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