Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ – das kann ins Auge gehen!

Viele Einladungen zur Eigentümerversammlung versprechen eine kurze Veranstaltung, die am Ende doch mehrere Stunden dauert. Auf der Einladung finden Sie zunächst die jährlichen Standard-Themen:

  • Bericht der Verwaltung,
  • Beschlussfassung über die Abrechnungsspitze,
  • Beschlussfassung über die neuen Hausgeld-Vorschüsse,
  • Entlastung des Verwalters,
  • Entlastung des Beirats,
  • Sonstiges,
  • Ende der Versammlung.

Gefährlich ist der Tagesordnungspunkt „Sonstiges“. Hier kann man Meinungen austauschen, aber keinen verbindlichen Beschluss fassen. Dafür gibt es viele gute Gründe. Im Mittelpunkt steht der Schutz der Eigentümer, damit niemand überrumpelt wird. Vor allem Nichtanwesende sollen vor dem Quasi-Verlust ihres Stimmrechts beschützt werden, wenn plötzlich neue Themen auftauchen und „beschlossen“ werden. Damit Sie sich auf die Themen vorbereiten können und Ihr Verwalter Sie richtig beraten kann, muss er die Themen im Vorfeld der EV aufbereiten. Wenn ein unerwartetes Thema vom Himmel fällt, geht das nicht.

Der Gesetzgeber verbietet die Beschlussfassung unter dem TOP „Sonstiges“ jedenfalls als Formfehler. Vielleicht sollte man den TOP Sonstiges einfach weglassen, weil er zu falschen Erwartungen und Missverständnissen führt. Ich nenne ihn deswegen „Ausblick“. Oft genug gibt es Streit, weil eine Angelegenheit vermeintlich beschlossen, aber nicht rechtsgültig ist, und der Fall landet vor Gericht – das kann teuer werden. Aber einfach weglassen? So einfach ist es nicht.

Was passiert in der Realität?

Die eigentliche Versammlung wäre nach 15 Minuten vorbei, der Verwalter beginnt schon einzupacken, da tauchen plötzlich ganz neue und unerwartete Themen auf. Ein Eigentümer nach dem anderen wirft noch einen Hut in den Ring. Weil niemand auf die Spontanvorträge vorbereitet ist, hält jeder seinen eigenen Monolog, und die anderen schauen nur verlegen in die Runde. Oder es beginnt eine ziellose Diskussion, da niemand vorbereitet ist, und die Versammlung dehnt sich mangels Struktur von 15 Minuten auf zwei oder mehr Stunden aus. Unter „Sonstiges“ tauchen die unterschiedlichsten Wünsche auf, zum Beispiel:

  • Wir würden gern das Treppenhaus neu streichen lassen. (Wer ist wir?)
  • Der Garagenhof muss besser beleuchtet werden. (Was heißt besser?)
  • Wir möchten den Eingangsbereich umgestalten. (Was bedeutet das?)
  • Ich brauche neue Fenster, sie sind undicht. (Das fällt Ihnen heute ein?)

Warum ist das so schlimm?

Außer einer ziellosen Diskussion haben Sie nichts gewonnen, weil Sie nichts beschließen können. Jeder Beschluss unter „Sonstiges“ entspricht meistens nicht der ordnungsmäßigen Verwaltung und ist somit anfechtbar (oder nichtig) und bringt Ihnen mindestens juristische Wackelkonstruktionen und damit viel Streitpotenzial ins Haus, das man vermeiden könnte.

Unschön für spontane Ideen, aber so ist es nun einmal gesetzlich geregelt. Der ganze Frust kann vermieden werden, indem Sie Ihren Verwalter im Laufe des Jahres bitten, Ihre Themenwünsche in die Einladung aufzunehmen. Wenn etwas beschlossen werden soll, können Sie evtl. sogar bei der Einholung von Angeboten unterstützen. Wenn Sie das Thema zunächst nur besprechen möchten, lässt es sich ebenfalls leicht auf die Agenda nehmen. Der Vorteil ist, dass jeder Miteigentümer Ihre Idee schon auf der Einladung lesen kann und somit eine viel konstruktivere Diskussion möglich ist, weil alle involviert sind.

Warum ist es verboten?

Jeder Beschluss ist verbindlich und muss vom Verwalter umgesetzt werden. Was einmal mehrheitlich beschlossen ist, bindet alle Eigentümer, auch die zukünftigen, wenn eine Wohnung mal verkauft wird. Um Sie zu schützen, gibt es so hohe Hürden für die Beschlussfassung, u.a.:

  • Es kann nur beschlossen werden, was in der Einladung stand. Sie sollen ausreichend Zeit haben, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen (§ 23 Abs. 2 WoEigG).
  • Inhaltliche Bestimmbarkeit: Ein Beschluss ist nur gültig, wenn er klar und eindeutig formuliert ist. Er muss auch für fremde Dritte nachvollziehbar sein, ansonsten ist er rechtlich angreifbar.
  • Wenn ein Beschluss formell nicht hundertprozentig in Ordnung ist, kann er einen Monat lang gerichtlich angefochten werden (§ 45 WoEigG). Die Folge ist möglicherweise ein jahrelanger Rechtsstreit, der viel Geld kostet – und am Ende wird der Beschluss vom Gericht für ungültig erklärt.
  • Der Verwalter muss jeden Beschluss in die Beschlusssammlung eintragen, damit sich auch potentielle Käufer mit den Rahmenbedingungen der WEG auseinandersetzen können (§ 24 Abs. 7 WoEigG).

Warum gibt es dieses ausgeprägte Redebedürfnis am Ende der EV?

Es ist wichtig, dass die Eigentümer regelmäßig miteinander sprechen können, um sich eine Meinung zu den unterschiedlichen Themen zu bilden. Oftmals sehen die Eigentümer sich außerhalb der EV gar nicht, vor allem die Vermieter wohnen ja nicht am Objekt. Vielleicht auch die Besitzer von Wohnungen, die als Zweitwohnsitz dienen. Regelmäßige Besprechungen sind daher sinnvoll und zu befürworten. Um die Themen von oben wieder aufzugreifen:

  • Das Treppenhaus SOLLTE gestrichen werden.
  • Die Beleuchtung vom Garagenhof IST viel zu dunkel und wirklich zu gefährlich.
  • Der Eingangsbereich IST in die Jahre gekommen und könnte viel schöner sein.
  • Die Fenster SIND undicht.

Das Problem ist, dass solche Themen nicht so unvermittelt in den Raum gestellt werden sollten, weil sonst niemand außer dem Redner etwas damit anfangen oder sich rechtzeitig Gedanken machen kann. Eigentlich ist es ja ideal, wenn sich die Eigentümer sogar sofort einig sind, aber für die gesetzlichen Formalitäten ist das jetzt ganz ungünstig. Denn was soll der Verwalter tun? Er kann nicht einem beliebigen Handwerker blanko den Auftrag erteilen, das Treppenhaus zu streichen. Was ist mit dem Kostenrahmen? Er kann auch nicht planlos ein paar Lampen am Garagenhof montieren lassen. Solche Themen müssen vorbereitet und Details besprochen werden, das ist auch in Ihrem Sinne. Zum Beispiel müssen Angebote eingeholt, eine Skizze erstellt oder ein Kostenrahmen ermittelt werden.

Foto: Stephan Walochnik.

Wie könnte man es besser lösen?

Es wäre ideal, wenn Sie Ihre Themenwünsche rechtzeitig äußern. Man kann und sollte vieles besprechen, denn eine gute Kommunikation vermeidet Streitigkeiten. Am Ende jeder Versammlung sollte auch genügend Platz für diese Gespräche eingeplant werden. DerUnterschied zwischen „Besprechung“ und „Beschluss“ muss aber allen klar sein. Wenn Sie ein Thema besprechen möchten, sollten Sie es rechtzeitig äußern – am besten im Laufe des Jahres. Der Verwalter kann es dann auf seine Liste der Gesprächsthemen für die nächste EV nehmen.

Nun muss besprochen werden, was von der Mehrheit gewünscht ist. Erst danach macht eine Planung und Einholung von Angeboten Sinn. Zudem muss die Maßnahme später noch beschlossen werden, nachdem alle Informationen, Angebote oder Kostenschätzungen vorliegen. Der Beschluss verpflichtet den Verwalter nämlich verbindlich zur Umsetzung einer Maßnahme. Daher muss der Beschlussgegenstand klar und eindeutig zu verstehen sein, damit es später keinen Streit gibt.

Sie müssen keine Angst haben, dass sich alles unnötig in die Länge zieht. Wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten (damit sind Verwalter und Eigentümer gemeint), kann die Vorbereitung sehr schnell gehen. Die nächste Versammlung muss nicht im nächsten Jahr stattfinden, sondern in zwei Monaten, wenn die Sache nicht warten kann oder sollte.

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