Der Zusammenhang zwischen Zinsen und Immobilienpreisen

Niedrige Zinsen, hohe Immobilienpreise – wie hängt das eigentlich zusammen?

Sie verstehen nur Bahnhof. Seit Jahren lesen Sie in der Zeitung, dass die EZB billiges Geld druckt und – QE hin oder her – dass der Realgütermarkt durch die niedrigen Zinsen aufgebläht wird. Was soll das eigentlich heißen? Ein Blick in die gängigen VWL-Lehrbücher verrät, dass Zinsen und Aktienmarkt negativ korreliert sind. Okay, kann man sich vielleicht noch merken, weil die Aktien trotz Corona durch die Decke schießen, aber was hat die Zentralbank damit zu tun, dass Sie seit Jahren in Ihrer Nachbarschaft keine bezahlbare Eigentumswohnung mehr finden können?

Betrachten wir das ganze mal aus Ihrer Perspektive – aus Sicht eines Privatkunden:

Was sollten Sie zuerst tun, wenn Sie eine Immobilie suchen? In meiner Bankausbildung habe ich gelernt, dass man zuerst seine Bank fragen sollte: „Wie viel Haus kann ich mir leisten?“ Zuerst wird also der persönliche Kreditrahmen berechnet, damit Sie wissen, wonach Sie suchen können.

„Wie viel Haus“ Sie sich leisten können, hängt ganz maßgeblich vom aktuellen Zins ab.

Die Bank prüft Ihr Einkommen und nimmt verschiedene Abzüge vor. Ein sehr vereinfachtes Beispiel:

Nettoeinkommen2.200 EUR
Lebenshaltungskosten-600 EUR
Auto-200 EUR
Versicherungen, Urlaube, Unvorhergesehenes, etc.-400 EUR
Nebenkosten aktuelle Wohnung-350 EUR
(Aktuelle Miete zählt in der Regel nicht mit, weil sie durch die Bankrate ersetzt wird) 
= potentielle Kreditrate= 650 EUR   (x 12 = 7.800 EUR im Jahr)

Der Rest ist ganz einfach: Nehmen wir an, Ihre Bank verlangt bei selbstbewohntem Wohnungseigentum einen Tilgungssatz von 2%. (Das ist natürlich von Bank zu Bank unterschiedlich, deswegen sollten Sie auch vorher zur Bank gehen!)

Je niedriger der Zins, desto mehr Kapital kann diese Kreditrate stemmen.

Sie können monatlich 650 EUR (bzw. jährlich 7.800 EUR) für Ihre Kreditrate aufwenden. Was Sie für eine Wohnung bezahlen können, hängt also davon ab, welches Kapital diese 650 EUR tragen können. Ein Beispiel:

Bei 1% Zinsen:7.800 / 3 %  = 260.000(3% bedeutet: 1% Zins plus 2 % Tilgung)
Bei 2% Zinsen:7.800 / 4 %  = 195.000(4% bedeutet: 2% Zins plus 2 % Tilgung)
Bei 3% Zinsen:7.800 / 5 %  = 156.000(5% bedeutet: 3% Zins plus 2 % Tilgung)
Bei 4% Zinsen:7.800 / 6 %  = 130.000(6% bedeutet: 4% Zins plus 2 % Tilgung)

(Auf dem Taschenrechner geben Sie einfach ein: 7.800 geteilt durch 0,03. Zins in Dezimalschreibweise, 3% schreibt man 0,03 usw.)

Vielleicht erinnern Sie sich noch an die hohen Zinsen, die Sie im unteren Bereich der Tabelle wiederfinden? Als ich 2007 meine erste Eigentumswohnung gekauft habe, lag der Zins etwa bei 4%. Die Immobilienpreise waren damals völlig anders als heute, wo die Zinsen (für Privatkunden) so etwa bei 1% liegen.

Sie erkennen, dass Sie bei gleicher Tilgung je nach Zinssatz völlig unterschiedliche Kreditobergrenzen tragen können – und dass Sie Ihre monatliche bzw. jährliche Kreditrate über den Zinssatz in einen Gesamtbetrag umrechnen können.

Und wieso werden dann alle Immobilien in Deutschland teurer? Jetzt müssen Sie sich vorstellen, dass nicht nur Sie zur Bank gehen, sondern auch viele andere Leute, die Ihnen in gewissen Parametern ähnlich sind, z.B. Einkommen, Ausgaben, Lebenssituation… Selbstverständlich bekommen die Leute – je nach Bonität – einen (geringfügig) anderen Zins, trotzdem wird die Tendenz ähnlich sein.

Wenn Sie überlegen, dass vielleicht tausende Menschen zur Bank gehen und nach Immobilien suchen, kann sich das natürlich sehr schnell auf die Immobilienpreise auswirken.

Wenn vielleicht vor fünf Jahren viele Leute einen maximalen Kreditrahmen von 130.000 EUR für eine bestimmte Art von Eigentumswohnungen bekommen hätten, dann bekommen heute vielleicht die gleichen Leute 260.000 EUR für die gleiche Art von Eigentumswohnung.

Sie sehen, dass es nicht nur graue Theorie von irgendwelchen krawattentragenden Volkswirten ist, sondern dass es ganz reale Gründe gibt, dass Immobilienpreise von den Zinsen abhängen.

Tendenziell sind Kaufpreise für Immobilien umso höher, je niedriger der Zins ist.

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