Ein Eigentümer rief mich an, weil er seine Wohnung in Mönchengladbach verkaufen wollte. Er wollte wissen, welchen Preis er verlangen könnte. Wir haben uns ein paar Vergleichsobjekte und die Mieterträge angeschaut – und kamen so ungefähr auf 150.000 EUR.
Das erstaunliche daran: Im Jahr 1989 hat er (nach seiner Erinnerung) ca. 300.000 Mark für die Wohnung bezahlt. Huch! Das entspricht doch dem heutigen Wert von 150.000 EUR!? Wo ist die Wertentwicklung geblieben? Da war ich aber stutzig.
Ich vermute, dass er sich beim damaligen Kaufpreis vertan hat, mir nicht die ganze Wahrheit gesagt hat, er damals über den Tisch gezogen wurde, oder dass irgendwo anders ein Fehler liegt. Um die Gründe für die schlechte Wertentwicklung soll es hier nicht gehen.
Gekauft und verkauft zum gleichen Preis? Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Es klingt nach keinem guten Geschäft. Aber dann fiel es mir wieder ein: Selbst wenn das stimmen sollte, hätte er ein Wahnsinns-Geschäft gemacht! Jede Immobilie hat doch zwei Arten von Wertsteigerungen!
Die erste Art der Wertsteigerung ist die „sichtbare Wertsteigerung“.
- Sie kaufen eine Wohnung für 150.000 EUR.
- Später verkaufen Sie sie für 200.000 EUR.
Mit diesem Geschäft haben Sie 50.000 EUR verdient, die nach 10 Jahren sogar steuerfrei wären. Diese sichtbare, „normale“ Art der Wertsteigerung versteht man sofort. Jeder wünscht sich das: Sie bekommen mehr Geld zurück, wenn Sie die Wohnung wieder verkaufen. Aber das ist nicht alles!
Die zweite Art der Wertsteigerung ist unsichtbar:
Auch ohne Verkauf ist das damals investierte Geld bereits längst wieder zurückgeflossen! Der Eigentümer besaß 30 Jahre lang eine Wohnung. Ich nehme an, die durchschnittliche Kaltmiete in den letzten 30 Jahren lag bei 600 EUR pro Monat. Das sind (abgerundet) 7.000 EUR im Jahr. Dieses Geld ist zum Vermieter zurückgeflossen, ohne dass er die Wohnung verkauft hat.
- In 1 Jahr sind es 7.000 EUR.
- In 10 Jahren sind es 70.000 EUR.
- In 30 Jahren sind es 210.000 EUR.
Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder der Vermieter hat die Wohnung per Kredit finanziert oder er hat sie von Ersparnissen bezahlt.

Fall 1: Kreditfinanzierung
Der Eigentümer hat die Wohnung zwar damals für 300.000 D-Mark gekauft, aber eigentlich hat er gar nichts bezahlt. Vielleicht die Erwerbsnebenkosten. Die Bank hat ihm Geld geliehen und der Mieter hat es zurückbezahlt. Einstandskurs: Null, denn fast immer reicht die Miete aus, um die Bankrate zu tragen. Selbst wenn nicht, gibt es im Laufe von 30 Jahren auf jeden Fall Mietsteigerungen, und die Miete überholt die Bankrate.
Der Vermieter hat damals nicht 300.000, sondern null D-Mark investiert. Somit hat nicht der Vermieter, sondern die Bank die Wohnung vollständig bezahlt. Der Mieter (und nicht der Eigentümer) hat den Bankkredit zurückbezahlt. Nicht nur die Zinsen, sondern auch die Tilgung. Vereinfacht gerechnet 210.000 EUR, sicherlich abhängig von Zinssatz und Laufzeit. Ein durchlaufender Posten an die Bank. Der Vermieter hat null EUR investiert und verkauft die abbezahlte Wohnung jetzt für 150.000 EUR. Es ist wichtig, das Ergebniszu verstehen:
Ergibt: 150.000 EUR, die aus null EUR entstanden sind.

Fall 2: Bezahlt aus Ersparnissen
Dieser Fall ist vermutlich weniger verbreitet. Nehmen wir an, der Wohnungseigentümer hätte die Wohnung bar bezahlt. Er hätte damals (umgerechnet) 150.000 EUR für die Wohnung ausgegeben. Jetzt verkauft er sie für 150.000 EUR, also für die gleiche Summe, was auf den ersten Blick wie ein schlechtes Geschäft klingt. Aber:
In der Zwischenzeit hat er 210.000 EUR Miete bekommen (siehe Rechnung oben). Die haben sich bei ihm gesammelt, er hat sie investiert oder ausgegeben. Er hat damals 150.000 EUR gegen die Wohnung „eingetauscht“, tauscht jetzt die Wohnung gegen 150.000 EUR zurück und hat während der Jahre zusätzlich 210.000 EUR in Form von Mieteinnahmen zurückzubekommen.
Ergibt insgesamt 360.000 EUR, die aus 150.000 EUR entstanden sind. Es gibt schlechtere Möglichkeiten, sein Geld anzulegen!
Fazit:
Ob aus Eigenkapital oder per Kredit finanziert – In beiden Fällenentsprach der Verkaufspreis dem Einkaufspreis. Dennoch ist im Laufe der 30 Jahre ein schöner Gewinn entstanden, den ich „unsichtbare“ Wertsteigerung nenne. Ein schönes Geschenk im sechsstelligen Bereich. Und wenn dann noch (wie in den meisten Fällen) eine „sichtbare“ Wertsteigerung dazukommt, also ein höherer Verkaufspreis, dann ist die Investition doch ausgesprochen gut gelaufen, oder?
Bedenken Sie, dass wir hier von extrem schlechten Voraussetzungen ausgegangen sind. Der damalige Kaufpreis kann in dieser Lage von Mönchengladbach unmöglich damals so hoch wie heute gewesen sein und auch die Mieteinnahmen waren schon sehr niedrig angesetzt. Dennoch hat die Immobilie sich selbst in diesem Beispiel sehr gut entwickelt.
2 Gedanken zu „Zweifache Wertsteigerung Ihrer Eigentumswohnung“