WEG-Reform 2020: Der neue Umlaufbeschluss – reicht jetzt die einfache Mehrheit?

April 2021, die WEG-Reform ist fünf Monate alt – und schon hat sich das erste Missverständnis in den Köpfen festgebrannt:

Viele Wohnungseigentümer und auch Verwalter glauben neuerdings, dass ein Umlaufbeschluss mit einfacher Mehrheit zustande käme. Aber so einfach ist es nicht.

Aber was ist überhaupt ein Umlaufbeschluss? Grundsätzlich treffen WEGs Entscheidungen per Beschluss auf der Eigentümerversammlung. Wenn es bei der Abstimmung 50,01% Zustimmung gibt, kommt der Beschluss zustande, die Entscheidung ist gefallen. Die einfache Mehrheit reicht aus.

Jede Eigentümerversammlung verursacht aber Organisationsarbeit. Der Verwalter muss Einladung und Tagesordnung vorbereiten, einen Termin abstimmen, den Versammlungsort buchen, Protokoll schreiben und so weiter. Das dauert eine Zeit und es gibt Möglichkeiten, das abzukürzen, wenn es nur um ein einziges Thema geht: Ein Umlaufbeschluss ist ein Beschluss ohne Eigentümerversammlung. Weil aber Formen und Fristen abgekürzt sind, reicht keine einfache Mehrheit. Alle Eigentümer müssen dem Beschlussvorschlag zustimmen, dann erst kommt er ohne EV zustande. Weil beim UB praktisch alle Formen und Fristen ersatzlos wegfallen, liegt die Hürde bei der notwendigen Mehrheit so hoch – mal wieder Verbraucherschutz. Auch die WEG-Reform hat nicht viel am Umlaufbeschluss gerüttelt. Nur an seiner Schriftform. Von nun an genügt es, wenn Sie per E-Mail zustimmen – es muss es keine eigenhändige Unterschrift aus Tinte mehr sein.

Nun glauben aber viele Eigentümer und Verwalter, dass ein Umlaufbeschluss jetzt auch immer mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann. Das ist aber sehr gefährlich, weil ein UB mit einfacher Mehrheit normalerweise ungültig ist. Und ohne einen gültigen Beschluss fehlt dem Verwalter auch jede Rechtsgrundlage für eine Auftragserteilung. Im Gesetz steht:

„Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt“ (§23 Abs. 3 WoEigG).

Der UB kommt also doch nicht mit 50,01% Zustimmung zustande! Dort steht ja, dass es zuerst beschlossen werden muss, und dann geht es noch um einen einzelnen Sachverhalt, zu dem ein Umlaufbeschluss nachgeholt wird, der mit einfacher Mehrheit zustande kommt.

Wenn man zuerst einen Beschluss braucht, warum dann noch der Umlaufbeschluss? Warum beschließt man diesen Sachverhalt nicht direkt auf der EV? Weil man nun auf der EV das Thema in groben Zügen absegnen kann und die Details im Nachgang mit einem UB um alle Details ergänzen kann. Weil die formellen Hürden abgesenkt werden, will der Gesetzgeber, dass sich die EV vorab mit dem Thema auseinandergesetzt hat, damit niemand überrumpelt wird.

Vielleicht erinnern Sie sich an die formellen Hürden einer Beschlussfassung. Wenn einem Beschluss wichtige Details fehlen, z.B. die Auswahl des Handwerkers oder der Kostenrahmen, ist er nicht gültig. Wenn sich aus dem Beschluss keine konkrete Handlung ableiten lässt, ist er wertlos. Wenn die WEG beschließen würde, „die Fassade anstreichen zu lassen“, ohne weitere Angaben, fehlen praktisch alle relevanten Informationen: Welcher Handwerker? Welcher Kostenrahmen? Und vieles mehr. Die Auswahl des Handwerkers darf bei größeren Vorgängen nicht auf Verwalter oder Beirat delegiert werden. Alle relevanten Eckdaten müssen von der WEG per Beschluss abgesegnet werden.

Das Problem daran: Wenn noch Details fehlen, würden Sie sich von Versammlung zu Versammlung hangeln, aber der Vorgang würde nicht erledigt werden. Wenn der Verwalter auch noch kapazitätsmäßig voll ausgelastet ist, warten Sie evtl. bis nächstes Jahr auf die nächste EV. Der Gesetzgeber wollte diese Situation entschärfen, damit man schneller weitermachen kann. Ein UB ist schneller organisiert als eine zusätzliche EV.

Sie können z.B. auf der EV den Anstrich der Fassade beschließen und bereits einen groben Kostenrahmen freigeben. Wenn noch nicht alle Handwerker-Angebote vorliegen, können Sie auf der EV beschließen, die Auswahl der Handwerker und die Festlegung eines Kostenrahmens per Umlaufbeschluss nachzuholen – nun können Sie regeln, dass für diese Auswahl eine einfache Mehrheit ausreichen soll. Für diesen Fall ist die Neuerung im WoEigG gedacht. Das Sonderrecht gilt für den Einzelfall – und kann oftmals schon sehr weiterhelfen. Sie können aber nicht beschließen, dass von nun an jeder Umlaufbeschluss der Eigentümergemeinschaft mit einfacher Mehrheit gültig werden soll.

Foto: Stephan Walochnik

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8 Gedanken zu „WEG-Reform 2020: Der neue Umlaufbeschluss – reicht jetzt die einfache Mehrheit?“

  1. Ich sehe das also richtig: Nach neuem WEG muss nicht zunächst das Umlaufverfahren per Beschluss in einer EV mit 100 % beschlossen werden, sondern können gleich einzelne Punkte ( Bsp.: Zusätzliche Angebote von Handwerkern ) als Umlaufbeschuss beschlossen werden ( 50% + X ) sobald die restlichen Angebote der Handwerker vorliegen. Also nicht zuerst ein 100 %-iger Beschluss der zuerst das Verfahren an sich ermöglicht und erst später einen Umlaufbeschluss mit abgesenkter Quote?

    1. Hallo Herr Häberle,

      hier liegt leider ein Missverständnis vor, denn laut §23 (3) WoEigG können die Wohnungseigentümer „beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.“

      Das bedeutet zwei Dinge: Erstens müssen Sie darüber erstmal auf einer normalen EV beschließen (dort reicht einfache Mehrheit), zweitens gilt die Vereinfachung im UB immer nur für einen bestimmten Gegenstand.

      Trotzdem hilft das ungemein, weil man die Hauptsache (z.B. Austausch von Fenstern) auf der EV beschließen kann, aber die Handwerkerauswahl in einen UB verlagern kann, der dann mit weniger Formalitäten auskommt.

  2. Ich möchte in meiner Erdgeschoss Eigentumswohnung eine Split Klimaanlage einbauen lassen. 3 Parteien Haus. Das Mauerwerk welches Gemeinschafteigentum ist muss durchgebohrt werden. In der Eigentűmerversammlung wűrde einfache Mehrheit reichen jedoch wie sieht es durch einen Umlaufbeschluss aus. Reicht fűr die Genehmigung auch einfache MEHRHEIT? Unser Miteigentumsanteil 347 von der Partei die fűr mich stimmt 345 Miteigentumsanteil jedoch die Restlichen 308 Prozent stellt sich quer.

    1. Hallo Gerhard,

      wenn sich schon jemand querstellt, solltet Ihr immer eine echte EV bevorzugen. Wenn es nachher Streit geben sollte, findet der andere bei einem Umlaufbeschluss viel schneller Formfehler und das möchtest Du ja vermeiden.

      Du solltest den Verwalter dazu bewegen, eine (vermutlich kostenüflichtige) zusätzliche EV zu veranstalten, hier gilt dann die einfache Mehrheit und Du erhältst Deine Genehmigung – da kann der Querdenker sich auf dem Kopf stellen.

      Vorsicht: Ich kenne Eure Teilungserklärung nicht, bitte schau mal nach, ob zu diesem Sachverhalt abweichende Regelungen getroffen wurden, im Zweifelsfall „schlägt“ die individuelle Teilungserklärung das allgemeine WEG-Recht. Wenn hier also etwas steht wie „Die Genehmigung von Durchbrüchen durch die Fassade erfordern Einstimmigkeit“…

      Und: Auch nach der WEG-Reform erfordert ein Umlaufbeschluss die 100%ige Zustimmung aller Eigentümer. Man kann aber (auf einer EV) beschließen, dass eine einfache Mehrheit ausreicht, wenn es um einen „einzelnen Gegenstand“, also um einen Einzelfall geht (z.B. Kernbohrung Fassade).

  3. Hallo Herr Walochnik,

    ich verstehe die Aussage im Text leider nicht. Sie schreiben: […] Der Verwalter formuliert einen Beschlusstext, und wenn 100% (!) der Eigentümer dem Vorschlag zustimmen, kommt der Beschluss zustande – […]

    WEG §23 Abs 3 bezieht sich jedoch nur auf abgegebene Stimmen und die darauf begründete Mehrheit.

    1. Hallo Herr Ägidius,

      in §23 (3) finden Sie die folgende Formulierung: „Auch ohne Versammlung ist ein Beschluss gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären.“

      => Alle bedeutet alle.

      Im Anschluss finden Sie dann die Neuregelung: „Die Wohnungseigentümer können beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt.“

      => Hier ist aber wichtig, zu differenzieren. Erstens gilt das nur für einen einzelnen Gegenstand, z.B. Anstrich des Treppenhauses, für den in der Eigentümerversammlung noch nicht genügend Angebote vorgelegen haben. Um sich eine zweite EV zu sparen, können Sie beschließen, dass für diesen Vorgang ein UB gefasst wird, in dem eine einfache Stimmenmehrheit ausreicht. Zweitens – wie gesagt – das muss auf der EV aber erstmal beschlossen werden – und erstreckt sich nur auf den Einzelfall.

  4. Guten Tag Herr Walochnik,

    zu mehreren „Erhaltungsmaßnahmen“ wird beschlossen , dass für diese Angelegenheiten Angebote eingeholt werden und nach Vorlage Zirkularbeschlüsse hierüber durchgeführt werden. Die ETG beschließt pauschal, dass diese Zirkularbeschlüsse jeweils mit einfacher Mehrheit Gültigkeit erlangen.

    Wie ist ein solches Vorgehen zu sehen?

    Es ist doch sicherlich nicht der Sinn der Neuregelungen zum Umlaufbeschluss, dass Angelegenheiten, für die auf der Versammlung noch nicht einmal Angebote vorlagen und die womöglich in der Abstimmung auf der Versammlung mehr als die einfache Mehrheit bedürfen, jetzt mit Umlaufbeschlüssen + einfache Mehrheit durchgezogen werden.

    1. Guten Tag auch Herr Joseph,

      wir sind uns einig, dass ich Hausverwalter und kein Rechtsanwalt bin – und daher keine Rechtsberatung gebe (siehe auch „Haftungsausschluss“). Außerdem kenne ich die Rahmenbedingungen des Einzelfalls nicht, denn je nach Kontext muss man die Frage ganz anders beantworten.

      Wenn Sie mich fragen: Ich habe an dem Vorgehen nichts auszusetzen. Der Gesetzgeber wünschte sich mit der Einführung des neuen WoEigG, dass man von nun an so gut wie alles mit einfacher Mehrheit beschließen kann – und dass Beschlüsse nicht mehr mit einer einzigen Nein-Stimme blockiert werden können. Ausnahmen gibt es nur bei wirklich extrem grundlegenden Veränderungen (z.B. Gebäude bekommt nachträglich einen außenliegenden Aufzug, den es vorher nicht gab). Die einfache Mehrheit ist deswegen auch auf den Umlaufbeschluss ausgeweitet worden. Aber nicht pauschal, sondern nur in bestimmten Fällen, wo es vorher zu einer Besprechung auf der EV gekommen ist.

      Für Ihren vorliegenden Fall bedeutet das: Sinn der Sache ist, auf der EV erstmal zu beschließen, OB eine Maßnahme (z.B. Treppenhausanstrich) überhaupt gewünscht ist. Wenn nein, dann kann der Hausverwalter sich die mühselige Arbeit sparen, Angebote einzuholen. Ein grober Kostenrahmen sollte aber trotzdem auf der EV beschlossen werden. Dieser sollte eher hoch als niedrig angesetzt werden, weil er als bindende, absolute Preisobergrenze zu verstehen ist.

      Über das WIE kann nun per Umlaufbeschluss mit einfacher Mehrheit entschieden werden (sofern das im Haupt-Beschluss auf der EV genannt wurde): Wenn der Hausverwalter dann die Klinken verschiedenster Handwerker geputzt hat und ihm endlich Angebote vorliegen, kann er den ersten Beschluss der EV durch diesen UB ausgestalten und die Eigentümer bitten, den Handwerker auszuwählen. Schließlich ist die Handwerker-Auswahl (bei größeren Maßnahmen) nicht auf Verwalter oder Beirat delegierbar, sondern muss von der Eigentümergemeinschaft getroffen werden.

      Die Sache mit den Umlaufbeschlüssen gilt jedoch nur für den Einzelfall, der vorher auf einer echten (oder online-) EV thematisiert wurde. Sollte die WEG jedoch beschlossen haben, dass von nun an einfach jeder Umlaufbeschluss immer mit einfacher Mehrheit getroffen werden können, hat der Verwalter das neue WEG-Recht verschlafen – das wäre dann ungültig.

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