WEG-Reform 2020: (Bauliche) Veränderungen am Gebäude

„Bauliche Veränderung“ – so nennt man grundlegende Umgestaltungen des Erscheinungsbildes, der Funktionalität oder des Wesens der Anlage. Nicht gemeint sind damit Instandhaltung und Instandsetzung, Reparaturen und Modernisierungsmaßnahmen.

Bauliche Veränderungen sind erkennbare, große Änderungen an der Anlage, wie z.B. der nachträgliche Einbau einer Klimaanlage oder einer Markise. Hingegen ist ein Anstrich der Fassade keine bauliche Veränderung, sondern Instandhaltung, also eine Erhaltungsmaßnahme – denn am Erscheinungsbild des Gebäudes wird nicht viel verändert, sondern erhalten.

Bei den neuen gesetzlichen Änderungen zu baulichen Veränderungen unterscheidet man zwischen „normalen“ und „privilegierten“ baulichen Veränderungen. Was hat sich 2020 geändert?

„Normale“ bauliche Veränderungen

Wenn Sie z.B. an Ihrem Balkon eine Markise anbringen möchten, müssen Sie unverändert die Eigentümergemeinschaft fragen, denn das äußere Erscheinungsbild wird in seinem Wesen verändert, daher nennt man es bauliche Veränderung.

Die erforderliche Stimmenmehrheit hat sich geändert. Nun brauchen Sie nur noch die einfache Mehrheit. Früher war es ein Problem, wenn auch nur ein Eigentümer Ihnen nicht gut gesonnen war. Denn bei einer einzigen „nein“-Stimme scheiterte die Genehmigung für die Markise. Leider waren viele WEGs dadurch kaum manövrierfähig, denn viele sinnvolle Maßnahmen konnten am Unwillen eines Einzelnen scheitern. Zum Beispiel das Anbringen eines Vordachs über der Haustür, um nicht im Regen stehen zu müssen. Nun genügt für eine Entscheidung ein einfacher Mehrheitsbeschluss. Bei 51% Zustimmung können Sie Ihre Markise direkt beauftragen.

Etwas kniffelig wird es bei der Kostenverteilung. Wenn früher ein Beschluss zustande kam, wurden die Kosten der Maßnahme grundsätzlich nach Miteigentumsanteilen auf die Eigentümer aufgeteilt. Seit 2020 scheint der Gesetzgeber von einer knappen Mehrheit auszugehen, denn grundsätzlich müssen sich nur die Eigentümer, die mit „ja“ gestimmt haben, an den Kosten von baulichen Veränderungen beteiligen, aber es gibt eine Ausnahme: Wenn mehr als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen und mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile mit „ja“ stimmen, dann werden eben doch alle Wohnungseigentümer an den Kosten beteiligt – diese werden wie früher nach ihren Miteigentumsanteilen auf alle verteilt, wie die folgende Grafik zeigt.

Der Gesetzgeber schiebt grundlegenden Umgestaltungen zudem einen Riegel vor. Die Mehrheit der Eigentümer kann nicht fordern, dass ein Aussichtsturm aufs Dach oder ein Personenaufzug in den Hof gebaut wird. Grundlegende Umgestaltungen können nicht mit Mehrheit beschlossen werden, hierzu braucht man immer noch das Einverständnis aller – in Form eines Vertrages, der sog. Vereinbarung.

Privilegierte bauliche Veränderungen

Bestimmte Maßnahmen, die der Gesetzgeber fördern möchte, genießen ein Vorrecht, also ein Privileg. Man nennt sie daher privilegierte bauliche Veränderungen. Darunter versteht man:

  • Ladestationen für elektrische Fahrzeuge
  • Einbruchschutz
  • Telekommunikationsanschluss mit hoher Kapazität (Glasfaser)
  • Maßnahmen zur Barrierefreiheit
  • Stecker-Solaranlagen

Auch wenn die Eigentümergemeinschaft so eine Maßnahme nicht mit Mehrheit beschließt und umsetzt, kann jeder Eigentümer von nun an verlangen, dass die WEG ihm gestattet, auf eigene Kosten eine „privilegierte bauliche Veränderung“ durchzuführen. Die Kosten trägt dann nur der Eigentümer, dem es gestattet wurde. Aber zu einem späteren Zeitpunkt können weitere Eigentümer verlangen, dass sie die geschaffene Infrastruktur mitbenutzen dürfen, wenn sie sich nachträglich an den Kosten beteiligen. Bei einer Gestattung werden aus finanzieller Sicht Untergemeinschaften gebildet.

Am Beispiel Elektromobilität:

Eigentümer 1 erhält von der WEG die Erlaubnis, auf eigene Kosten eine Ladestation für sein E-Auto einbauen zu lassen. Natürlich muss ein Lastmanagementsystem eingebaut werden, um die Anschlusskapazität des Gebäudes nicht zu überlasten. Eigentümer 1 zahlt die Kosten von 20.000 EUR für das Lastmanagementsystem zunächst allein.

Ein Jahr später bekommt Eigentümer 2 einen neuen Dienstwagen und benötigt ebenfalls eine Ladestation, weil Elektroautos so eine geringe Reichweite haben. Er darf nun von Eigentümer 1 verlangen, die Infrastruktur mitzubenutzen, muss sich aber nachträglich an den Kosten beteiligen. Eigentümer 2 zahlt 10.000 EUR (also die Hälfte) indirekt an Eigentümer 1. Die Abwicklung läuft immer über Beschlüsse der WEG, in denen sie verbindlich und für alle nachvollziehbar festgehalten wird.

Zwei Jahre später möchte auch Eigentümer 3 eine Ladestation. Er darf von Eigentümer 1 und Eigentümer 2 verlangen, die Infrastruktur ebenfalls mitzubenutzen. Auch er muss sich dann am System beteiligen, und zwar mit einem Drittel, also 6.666 EUR. Eigentümer 3 zahlt davon jeweils die Hälfte, also 3.333 EUR an Eigentümer 1 sowie 3.333 EUR an Eigentümer 2.

2 Gedanken zu „WEG-Reform 2020: (Bauliche) Veränderungen am Gebäude“

  1. Wenn aus sicherheitstechnischen Gründen die komplette Fassade erneuert werden
    muss (Kosten € 2.000000,00) werden die Kosten nach einer Sonderumlage auf die
    Eigentümer verteilt
    a) nach der Wohnfläche in m² oder
    b) nach der Anzahl der Wohneinheiten

    Gibt es eine Rechtsprechung?

  2. Hallo Herr Knapp,

    wenn ich Sie richtig verstehe, soll ein Beschluss gefasst werden, mit dem die Eigentümer mehrheitlich entscheiden sollen, die Kosten entweder nach Quadratmeter oder nach Anzahl der Wohneinheiten zu verteilen. So etwas kann man (vorbehaltlich der Regelungen in Ihrer Teilungserklärung) grundsätzlich mit einfacher Mehrheit entscheiden, aber ich halte es nicht für den besten Weg.

    Auch vor der WEG-Reform kannte das WoEigG einen gesetzlichen Standard-Schlüssel zur Kostenverteilung, nämlich den Miteigentumsanteil (MEA) laut Teilungserklärung. Die Quadratmeter können schließlich auch vom MEA abweichen – und ganz ehrlich: Was haben die Quadratmeter (also der Inhalt Ihres Sondereigentums) mit der Fassade (ganz klar Gemeinschaftseigentum) zu tun?

    Vor allem in dieser Größenordnung würde ich Experimente sein lassen und die Kostentragung ganz klar nach WEG-Standard (also nach MEA) umlegen. Das ist sicherer.

    Herzliche Grüße
    Stephan Walochnik

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