Wie berechnet man die optimale Höhe der Rücklage?

Foto: Stephan Walochnik

Zur Berechnung des Beitrags zur Rücklage verwendet man Durchschnittswerte, weil man praktisch keine Alternative hat. Der Beitrag sollte sich an zukünftigen Instandhaltungskosten orientieren, aber wie hoch sind die? In der Literatur findet man immer die gleichen Formeln und Werte: Die Peters’sche Formel sowie die drei Werte aus der II.BV (Zweite Berechnungsverordnung).

Es mangelt nicht an Kritik. Die II. Berechnungsverordnung ist ein Gesetz für den sozialen Wohnungsbau. Man differenziert dort lediglich drei Altersklassen von Gebäuden: Jünger als 22 Jahre, zwischen 22 und 32 Jahren sowie ältere Gebäude. Keine Würdigung, ob ein Gebäude einen Aufzug oder eine Tiefgarage hat. Die Instandhaltungskosten, die man in §28 findet, haben sich nicht geändert, seit ich sie 2009 zum ersten Mal gesehen habe … obwohl Baukosten täglich klettern. Aber die Werte sind ja auch gar nicht für den Ansatz im Wirtschaftsplan einer WEG gedacht. Man verwendet sie einfach.

Eigentlich sollte es ganz anderes sein: Instandhaltungskosten sind stark vom Einzelfall abhängig, z.B. Alter und Zustand des Gebäudes, Gebäudetechnik, etc. Praktisch werden solche Faktoren aber fast nie berücksichtigt. Dass man Durchschnittswerte verwendet, liegt nicht daran, dass bisher niemand eine bessere Idee hatte. Ein Hochrechnen von Lebensdauer und Folgekosten jedes Bauteils würde zu einer Komplexitätsexplosion führen, die jeden Verwalter sofort auf Jahre beschäftigen würde.

Jede Immobilie umfasst so viele unterschiedliche Gewerke. Möchten Sie wirklich für Heizung, Dach, Abwasserleitungen und vieles mehr die Verarbeitungsqualität, Haltbarkeit und Restnutzungsdauer abschätzen? Oder zukünftige Sanierungskosten? Sachverständige kommen nicht umsonst. Für Dach, Heizung und Tiefgaragentor brauchen Sie andere Fachleute. Und am Ende der ganzen zeit- und kostenintensiven Besichtigungen sind sie auch nicht schlauer als vorher.

Es hilft nicht, den Austausch des Heizkessels in 4,3 Jahren vorauszusagen (Preis?). Oder die Lebensdauer Ihres Balkons mit 21,7 Jahren zu prognostizieren (Folgekosten?). Entweder Ihre Heizung geht kaputt oder nicht.

Durchschnitte und statistische Vergangenheitsdaten sind nun einmal mit Vorsicht zu genießen. Viele Autoren sind zahlenverliebt und in den Lehrbüchern steht, dass man nur genug Daten erheben muss, um treffende Prognosen abzugeben.

Aber wer Lehrbücher schreibt, kümmert sich nicht um die Instandhaltung von Gemeinschaftseigentum.

Vor diesem Hintergrund ist es durchaus gerechtfertigt, wenn die (ohnehin überlastete) Verwalterbranche sich dann eben doch gerne an einfachen Formeln und Werten aus dem Netz orientiert. Man sollte trotzdem ein Bisschen differenziert vorgehen.

Was also tun?

Zweck der Rücklage ist es, einen Puffer zu bieten, um die Eigentümer vor plötzlichen finanziellen Lasten größeren Umfangs zu schützen. Anstatt einen Leistungswettbewerb mit dem Kraken-Orakel Paul vom Zaun zu brechen, sollten Verwalter alles tun, um Wohnungseigentümer vor der finanziellen Katastrophe zu bewahren.

Als Verwalter kann man durchaus in den eigenen Akten recherchieren, wie viel Geld in der Vergangenheit für Instandhaltungsmaßnahmen ausgegeben wurde. Wenn man genügend Daten findet, kann man daraus einen (z.B. gewichteten) Durchschnitt bilden oder mit einem bestimmten Prozentsatz in die Zukunft hochrechnen, um eine angemessene Beitragspflicht zu berechnen.

Auch hier sollte man ruhig mal näher hinsehen, anstatt die Werte blindlings hochzurechnen. Sind die eigenen Vergangenheitsdaten deutlich niedriger als in der II.BV? Dann verwenden Sie lieber den höheren Wert, denn Sie wollen die Eigentümer ja vor dicken Sonderumlagen schützen! Gab es in der Vergangenheit größere Schwankungen? Dann lassen Sie niedrige Werte beim Hochrechnen lieber aus. Das Ansparen einer Rücklage hat ja zumindest theoretisch einen periodischen Glättungseffekt und gleicht größere Sprünge im Zeitverlauf aus – zumindest theoretisch.

Deswegen spielt nicht nur die jährliche Zuführung zur Rücklage eine Rolle – wichtig ist auch ein Blick auf die bereits angesparten Mittel. Wenn der jährliche Rücklagenbeitrag niedrig und die Kasse fast leer ist, sollte die WEG schnellstens höhere Sparraten beschließen. Oder ist die Kasse bereits sehr voll, obwohl in den letzten Jahren kaum Instandhaltungen aufgetreten sind? Möglicherweise kann man die Beitragspflicht etwas reduzieren oder zumindest nicht weiter erhöhen, um die Eigentümer zu entlasten? Es kann aber auch sein, dass die WEG in letzter Zeit viel Glück hatte und größere Reparaturen bevorstehen.

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