Die Beurkundung des Kaufvertrags ist Ihre Tür zum Wohnungseigentum. Aber leistet der Notar eine angemessene Aufklärungsarbeit über diese besondere und einzigartige Eigentumsform? Eher selten. Meistens stellt er nur Geschwindigkeitsrekorde auf, wenn er den Kaufvertrag vorliest.
Beim Führerschein ist das ganz anders: Bevor Sie auf die anderen Verkehrsteilnehmer losgelassen werden, müssen Sie zur Theorie und Fahrstunden nehmen, bevor Sie zur Prüfung gehen dürfen. Wenn Sie mit dem TÜV im Auto die Leitplanke rammen oder über rot fahren, war’s das.
So eine kleine Prüfung für werdende Wohnungseigentümer wäre klasse. Aber es gibt sie leider nicht, meistens nicht einmal eine Infobroschüre. Während Sie beim Autofahren intuitiv wissen, dass Sie dem Vordermann nicht zu dicht auffahren oder in den Gegenverkehr geraten sollten, steckt im WoEigG viel Zündstoff, der für Anfänger nicht so leicht zu erkennen ist.
Es steckt viel Konfliktpotential in den Besonderheiten des Wohnungseigentumsrechts. Woher soll ein „durchschnittlicher“ Wohnungseigentümer z.B. wissen, dass er Sachbeschädigung begeht, wenn er ohne WEG-Beschluss „seine“ Fenster erneuert oder einen Türspion einbohrt? Richtig gehört: Fenster und Wohnungstüren sind zwangsläufig Gemeinschaftseigentum, ebenso wie Dach und Heizung. Aber die Nebenleitungen von Strom, Heizung und Wasser gehören (ab der ersten Absperrung) Ihnen alleine, ebenso wie der Fußbodenbelag und die Innenseite des Balkons, dessen tragende und abdichtende Elemente wiederum zwangsläufig Gemeinschaftseigentum sind. Wenn Sie nicht aufmerksam Ihre Teilungserklärung gelesen haben, erklärt Ihnen das niemand.
Schlimmstenfalls führen Missverständnisse
zu langwierigen Grabenkämpfen in einer WEG.
Anwalts- und Gerichtskosten sind Wertminderungen, weil Geld aus Ihrer Tasche fließt. Das Statistische Bundesamt sagt, dass es 22.500 gerichtlich ausgetragene WEG-interne Streitigkeiten allein im Jahr 2017 gab. Natürlich sollten Sie sich wehren, wenn Ihnen Unrecht geschieht. Aber viele WEG-Prozesse dienen nur zur Befriedigung von Egos. Manche Eigentümer hinterlassen eine Spur von gerichtlichen Aktenleichen, bloß um am Ende zu sagen „Ich hatte recht“.
Oder auch nicht. Diese Leute erleiden nämlich oftmals Schiffbruch, weil sie ihr „rechtsformspezifisches Fachwissen“ aus dem Internet beziehen. Dort findet man viel Gebrabbel. Schlimmer noch: Viele Beiträge stammen aus dem Bereich des Mietrechts und werden dann einfach so interpretiert, als ginge es um Wohnungseigentum.
Kommt einer zur Eigentümerversammlung: „Ich hab da was im Internet gefunden: Der Vermieter darf …“. Moment, Vermieter? Hier verwechseln Sie WEG- und Mietrecht. Das Wort „Vermieter“ kommt im WoEigG genau einmal vor, und zwar im § 36 (2). Dort geht es um das Dauerwohnrecht, dem verkümmerten zweiten Teil des Gesetzes, das keiner anrührt.
Die Rechtsgrundlagen von Miet- und WEG-Recht sind völlig anders.
Was im Mietrecht vorgeschrieben ist, kann im WEG-Recht verboten sein und andersrum. Zwei Paar Schuhe. Es ist keine Schande, dass man schnell mit seinem Latein am Ende ist und im Internet nichts Brauchbares findet.
Sollte man sich wirklich darauf verlassen, was der Benutzer „WEG_Kenner_m_1994“ im Forum „Plauderecke/Sonstiges“ zum Besten gibt?
Anstatt irgendwas zusammenzugoogeln, kann ich nur empfehlen, einen Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht anzurufen. Ein guter Anwalt ist wie ein Kompass. Er hilft Ihnen bei der Orientierung und erklärt Ihnen, was Sie dürfen und was nicht. Ein guter Anwalt bricht keinen Streit vom Zaun, sondern berät Sie, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist. Gute Anwälte findet man z.B. in den jährlichen Bestenlisten von Focus Money, aber auch über gute Bewertungen im Internet sowie über ihre Publikationen in Fachzeitschriften.