WEG-Jahresabrechnung Teil 3 – Abrechnung ohne Rücksicht auf Vorauszahlungen?

Foto: Stephan Walochnik.

Was interessiert Sie am meisten, wenn Sie Ihre Abrechnung im Briefkasten finden? Der Betrag, der mit Ihnen verrechnet wird. Kosten minus Vorauszahlungen. Oder: Muss ich nachzahlen?

Alles klar. Die Jahresabrechnung besteht dann aus Kosten minus Vorauszahlungen? Nö. Der Bundesgerichtshof hat 2012 entschieden, dass so eine Abrechnung formell falsch wäre. Er sieht das Rechenwerk als Zwillings-Geschwisterpaar, bestehend aus Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung. Vorgeschrieben ist ein Zwischenschritt:

Eines der beiden Geschwister ist der Wirtschaftsplan. Er gibt vor, wieviel ein Eigentümer monatlich (voraus-)bezahlen muss und unterscheidet Soll- und Ist-Vorauszahlungen. Der Wirtschaftsplan ist eine eigene Anspruchsgrundlage mit eigener Verjährungsfrist. Das kann für eine WEG sehr wichtig sein, wenn ein Eigentümer nicht bezahlt.

Größere Rückstände sind für eine WEG gefährlich, weil z.B. Lastschriften platzen. Ihr Versicherungsschutz kann gefährdet sein, wenn die Prämie mangels Kontodeckung nicht eingezogen wird. Damit die WEG sich schon während des Jahres wehren kann, wenn ein Eigentümer nicht zahlen möchte oder kann, ist der Wirtschaftsplan ein eigenständiger, klagbarer Anspruch, der schon vor der Jahresabrechnung beschlossen wurde … und früher verjährt. Der Verwalter darf nicht bis zur Abrechnung warten, weil die WEG in vielen Fällen ernste Probleme bekommen kann.

Das zweite der beiden Geschwister ist die Jahresabrechnung. Weil Zahlungsrückstände über den Wirtschaftsplan geltend gemacht werden können (und müssen!), passen sie nicht mehr in die Jahresabrechnung. Deswegen vergleicht man in der Jahresabrechnung die TATSÄCHLICHEN Kosten mit den SOLL-Vorauszahlungen.

Fazit: Die Jahresabrechnung rechnet tatsächliche Kosten minus Soll-Vorauszahlungen. Der Wirtschaftsplan rechnet Soll- minus Ist-Vorauszahlungen. Zusammen besteht das ganze Zahlenwerk also trotzdem irgendwie aus echten Vorauszahlungen minus echter Kosten. Das ist aber nicht das, was der Bundesgerichtshof unter „Jahresabrechnung“ versteht. Eine strenge Trennung zwischen Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung ist erforderlich, die manche Eigentümer verständlicherweise irritiert. Aber ohne sie fällt die Abrechnung vor Gericht aus formellen Gründen um.

Saldo, Abrechnungsspitze, Wirtschaftsplan – Alles paletti?

Ein Beispiel:

Der beschlossene Wirtschaftsplan verpflichtet den Wohnungseigentümer, im Laufe des Kalenderjahres 1.200 EUR Hausgeld zu bezahlen (Soll-Vorauszahlung). Leider hat er vergessen, den Dauerauftrag zu ändern und hat in 12 Monaten nur 1.000 EUR überweisen (Ist-Vorauszahlung). Der Verwalter hätte rechtzeitig dafür sorgen müssen, dass der Eigentümer das volle Hausgeld bezahlt. Jedenfalls besteht jetzt ein Rückstand von 200 EUR. Er hat eine eigene Verjährungsfrist. Weil eine bestehende Forderung nicht erneut beschlossen werden kann, ist der Rückstand kein Bestandteil der Jahresabrechnung. Weil der Wirtschaftsplan meistens ein Jahr vorher beschlossen wurde, endet seine Verjährungsfrist auch früher.

+ 1.000 EUR (Ist-Vorauszahlung)
– 1.200 EUR (Soll-Vorauszahlung)
= -200 EUR (Rückstand Wirtschaftsplan)

Anfang nächsten Jahres erstellt der Verwalter die Jahresabrechnung. Auf die Wohnung entfallen tatsächliche Kosten von 900 EUR (Ist-Kosten). Die Jahresabrechnung vergleicht diese mit den geschuldeten 1.200 EUR (Soll-Vorauszahlung). Die Differenz (Abrechnungsspitze) beträgt 300 EUR zugunsten des Eigentümers. Sie ist der Beschlussgegenstand der Jahresabrechnung – aber nicht die rückständigen Zahlungen!

+ 1.200 EUR (Soll-Vorauszahlung)
– 900 EUR (Ist-Kosten)
= +300 EUR (Abrechnungsspitze)

In der Sekunde der Beschlussfassung ist die Abrechnungsspitze von 300 EUR fällig geworden. Der Eigentümer hat einen Anspruch auf Überweisung.

Unabhängig davon schuldet er der WEG aber 200 EUR aufgrund des Wirtschaftsplans (und die sind schon vorher fällig gewesen). Jetzt muss der Verwalter sich darum kümmern, die beiden Forderungen gegeneinander aufzurechnen. Dem Eigentümer bleibt ein Guthaben von 100 EUR (Saldo). Es gibt zwei Rechenwege:

+ 1.000 EUR (Ist-Vorauszahlung)
– 900 EUR (Ist-Kosten)
= +100 EUR (Saldo)

Oder:

+ 300 EUR (Abrechnungsspitze)
– 200 EUR (Rückstand Wirtschaftsplan)
= +100 EUR (Saldo)

Ganz einfach? …oder was 🙂

Die Ist-Kosten für jede Wohnung berechnet man übrigens, indem man die Gesamtkosten mit dem Umlageschlüssel umrechnet.

Näheres hierzu finden Sie im folgenden Beitrag.

Ein Gedanke zu „WEG-Jahresabrechnung Teil 3 – Abrechnung ohne Rücksicht auf Vorauszahlungen?“

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