Rechtswidriger Beschluss Teil 1: Das kann teuer werden

„Wir reden auf der Eigentümerversammlung mal darüber und dann sehen wir weiter“. Zu Ende planen kann man ja auch später – das ist ein weit verbreiteter Mythos. Zum Beispiel eine Balkonsanierung, also eine größere und komplexe Maßnahme, die man nicht mit ein paar Sätzen vollständig erklären kann. In der Realität wird auf der Eigentümerversammlung oftmals nur eine Art „Überschrift“ beschlossen: „Sanierung der Balkone“, also ein ganz grober Rahmen ohne richtige Aussagekraft. Kein Hinweis auf Kosten oder Finanzierung. Als Grundsatz ist es natürlich sinnvoll, ein Projekt mit einer Besprechung auf der EV zu beginnen, um miteinander zu reden und das Meinungsbild der Mehrheit zu erfahren und eine gemeinsame Richtung zu finden.

Weitere Details kann man durchaus im Nachgang klären, sie müssen dann aber von einer weiteren Eigentümerversammlung bestätigt werden. Dieser zweite Beschluss unterbleibt oftmals, was zu erheblichen Konsequenzen für die beteiligten Verwalter und Beiräte führen kann. Es wird übersehen, dass die Eigentümerversammlung (und nicht der Beirat) über alle Details entscheiden muss. Eine Angelegenheit auf mehrere Versammlungen bzw. Beschlüsse aufzuteilen, ist vielleicht nicht unbedingt effizient, aber WEGs sind aufgrund ihrer Rechtsform eben verhältnismäßig träge, verglichen mit einer Einzelperson, der ein Mehrfamilienhaus alleine gehört. Ein Projekt in Teilabschnitten auf mehreren Eigentümerversammlungen zu beschließen, kann in vielen Fällen ein guter Kompromiss sein. Viele Informationen können und müssen zu Beginn der Planungsphase noch gar nicht vorliegen – sie müssen erst eingeholt werden. Damit ein Beschluss die rechtlichen Bedingungen einhält, muss die Sache an sich erstmal klar definiert werden – alle wesentlichen Details müssen Gegenstand des Beschlusses sein. Bei einem Anstrich des Treppenhauses gehört dazu z.B. der Farbton – und bei einer Balkonsanierung der zu verwendende Fußbodenbelag. Aber auch der Kostenrahmen, die zur Verfügung stehenden Handwerker, das geplante Zeitfenster und die vorgeschlagene Art der Finanzierung, z.B. aus der Rücklage oder per Sonderzahlung. All das muss klar definiert und von der Versammlung abgesegnet werden. Vorher darf kein Auftrag erteilt werden.

Ob ein Beschluss gültig ist, können Sie wie folgt prüfen:

Würde der Verwalter morgen abspringen, könnte jemand, der nicht auf der Versammlung dabei war, den Beschluss aus dem Protokoll deuten und ohne Rückfragen umsetzen? Wenn Sie diese Frage mit „ja“ beantworten können, ist der Beschluss höchstwahrscheinlich gültig und rechtssicher. Am Beispiel „Sanierung der Balkone“:

  • „Die Balkone“ – über welche Balkone reden wir, alle Balkone? Nur die Straßenseite, nur die Rückseite, oder die Balkone im DG? Der Beschlussgegenstand muss genau definiert sein.
  • Was genau soll „Sanierung“ eigentlich heißen? Sollen aus optischen Gründen neue Fliesen gelegt oder die alten wiederverwendet werden? Sollen die Brüstungen der Balkone angestrichen werden? Oder geht es um die Sanierung der Abdichtungsschicht, weil sich an den Unterseiten der Balkone Feuchtigkeitsspuren zeigen? Geht es um die fachgerechte Herstellung eines vernünftigen Gefälles? Auch das gehört zur Beschreibung des Vorhabens, über das alle Eigentümer informiert werden müssen und schließlich abstimmen. Ohne eine vernünftige Planung durch einen Fachmann werden solche Fragen oft gar nicht erst gestellt.
  • Gibt es ein Leistungsverzeichnis und einen Zeitplan, in dem die auszuführenden Arbeiten zumindest grob definiert sind?
  • Wie hoch sind die Kosten und wer bezahlt sie? Wie werden die Kosten auf die Eigentümer verteilt? Gibt es Wohnungen, die von den Kosten ausgenommen werden? Gibt es eine Sonderumlage oder geht alles zu Lasten der Rücklage?
  • Welche Handwerker stehen zur Auswahl?
  • Gibt es weitere wesentliche Details, die vor Auftragsvergabe geklärt werden müssen? Zum Beispiel die Fliesenfarbe vom neuen nach erfolgter Sanierung?

Die Fragen können ganz unterschiedlich sein. Auch wenn das jetzt vielleicht ein paar sehr detailverliebte Beispiele gewesen sind – alles Wesentliche muss vor Auftragserteilung geklärt werden. Unzulässig wäre es jedenfalls, wenn nur eine sehr diffuse Grundsatzentscheidung auf der EV getroffen und alles weitere „später“ durch den Beirat geklärt wird. Leider passiert genau das in der Realität häufig, daher müssen sich so viele Gerichte mit WEG-Sachen beschäftigen. Die Vorgehensweise, die in folgender Grafik abgebildet ist, ist nicht erlaubt..

Skizze: Stephan Walochnik

Juristen sprechen von „fehlender inhaltlicher Bestimmtheit“, wenn der vermeintliche „Beschluss“ sehr ungenau ist und viele Fragen offenlässt. Erst recht darf die Entscheidung nicht an den Beirat delegiert werden. (Obwohl ich das bei Kleinigkeiten sogar befürworte, weil es sinnvoll ist und viel Aufwand erspart.) Weil bei so einer Beschlussfassung vieles unklar bleibt, sollen plötzlich Dinge, die eigentlich für die Versammlung gedacht sind, plötzlich im Nachgang mit dem Beirat „auf dem kurzen Dienstweg“ geklärt werden. Dies ist grundsätzlich sogar nachvollziehbar, um nicht jedes Thema unnötig aufzublähen. Jedoch kommen dabei vielleicht neue bzw. zusätzliche Ideen ans Tageslicht, die vorher niemandem eingefallen sind, aber jetzt noch reingemogelt werden sollen. Es kommt zu unzähligen Einzelgesprächen, die aber weder offiziell noch bindend sind. Große Unruhe kommt auf. Das Problem daran ist, dass nicht alle Eigentümer an den Einzelgesprächen beteiligt sind oder sie überhaupt mitbekommen. Außerhalb der EV können Sie mit Ihren Nachbarn keinen gemeinsamen Konsens mehr finden. Daher gehören Änderungswünsche, zusätzliche Ideen und erst recht die finale Entscheidung in die Eigentümerversammlung.

Ohnehin fehlt dem Verwalter ohne Beschluss die Rechtsgrundlage für jegliche Auftragserteilung. Wenn der Beschluss ungenau ist und viel Interpretationsspielraum hergibt, begibt sich der Verwalter auf dünnes Eis. Die Eigentümer bezahlen es und müssen daher auch die Entscheidung treffen. Das Wohnungseigentumsgesetz kennt keine kurzen Dienstwege – zumindest nicht für Angelegenheiten von großer Tragweite. Solange nichts passiert, wird niemand sich beschweren. Gefährlich wird es, wenn die Eigentümer die Kosten und Konsequenzen einer Maßnahme während der Versammlung nicht absehen können, aber später davon überrascht werden und nicht bereit sind, diese zu tragen. Was passiert, wenn sie ihre Entscheidung dann revidieren möchten? Oder wenn jemand mit der Arbeit auf der Baustelle nicht zufrieden ist? Wenn die getroffenen Regelungen angreifbar sind, kann es schnell zu rechtlichen Schritten gegen Verwalter oder Beirat kommen. Eine fachmännische Balkonsanierung nach den Regeln der Technik kann schnell 8.000 EUR und mehr pro Balkon kosten. Mit der Überschrift „Sanierung der Balkone“ – ohne weitere Informationen – wird das nicht jedem sofort klar. Vielleicht hat auch der Verwalter nicht genau hingesehen, sich verrechnet und jetzt wird eine Sonderumlage fällig? Dann ist Ärger vorprogrammiert. Wenn jemand erst im Nachgang von dieser Kostendimension erfährt, ist es gut nachvollziehbar, dass er seine Stimme vielleicht zurückziehen möchte. Spätestens, wenn es vor Gericht geht und ein Richter einen solchen unfertigen Beschluss sieht, hört der Spaß auf. Vielleicht wurden bis dahin auch schon Handwerker beauftragt, die nun auf der Bezahlung der beauftragten Leistung bestehen? Für diese Kosten muss dann jemand geradestehen. Das muss nicht sein und kann leicht vermieden werden.

Foto: Stephan Walochnik

Weiter geht es hier mit Teil 2

Datenschutz als Beschäftigungs-Therapie und Ausrede, sich vor der Arbeit zu drücken?

Schauen Sie sich mal um. Beim Zahnarzt muss man neuerdings ein Kilo Formulare ausfüllen, weil die einen sonst nicht mehr zurückrufen dürfen. „Aus datenschutzrechtlichen Gründen“ geht so vieles nicht mehr, z.B. den Kunden anrufen oder – noch viel schlimmer – ihm eine kurze Mail schicken. Ohne mich zu „belehren“ darf der Handwerker meine Telefonnummer nicht mehr in seinem Handy speichern.

Nicht nur Corona bringt unser Leben zum Stillstand, sondern auch die DSGVO. Lassen wir uns an der Nase rumführen? Oder sind wir eine Republik von Angsthasen geworden? Oder sind es manchmal doch bloß Ausreden? Faulheit und schlechten Kundenservice kann man auf einmal mit „datenschutzrechtlichen Bedenken“ unterfüttern.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte nicht Ihre Erlaubnis, mit Ihren Daten um mich zu schmeißen, weil ich das sowieso nicht tue. Als WEG-Verwalter „verarbeite“ ich Ihre Daten (so heißt das). Anders geht es gar nicht. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich (auch ohne DSGVO) immer sorgfältig bin, denn ich sehe mich als Treuhänder von fremdem Vermögen. Für mich bräuchte es den Datenschutzrummel überhaupt nicht.

Ihr Datenschutz war mir auch vorher schon sehr wichtig. Digitale Daten sind ausschließlich auf verschlüsselten Festplatten gespeichert, so sorgfältig war ich auch schon vor der DGSVO. Und ja, ich habe auch Aktenordner, wo ich die Papierberge für jedes Gebäude abhefte. Diese Ordner stehen einfach so im Regal. Manche vertraulichen Dinge landen deswegen erst im Scanner und dann im Schredder … falls mal ein Einbrecher Langeweile haben sollte. Aber Ihre Kontoauszüge und Rechnungen muss ich aufbewahren. Das ist ganz schön viel, pro Haus pro Jahr manchmal drei Aktenordner. Die Menge an Ordnern passt in keinen Tresor. Also stehen die hier im Regal und sind datenschutzmäßig ein kleiner Weltuntergang.

Aber was ist mit Ihren E-Mail-Adressen?

Wer keine Mailadresse besitzt, geht schnurstracks zurück in die Steinzeit. Weil ich Ihr gemeinsames Eigentum verwalte, haben Sie zwangsläufig Berührungspunkte. Genau, Sie haben richtig gelesen. Die WEG gehört Ihnen allen zusammen.

Wenn ich der WEG eine Rundmail schicke, bei der jeder die anderen Mailadressen lesen kann, dann spricht man von einem „offenen Verteiler“.

Foto: Stephan Walochnik

Neulich hatte ich ein fragwürdiges Gespräch mit einem anderen Verwalter über „offene Verteiler“.

Ich bin Ihr WEG-Verwalter. Darf ich die Mailadressen der Wohnungseigentümer benutzen? Darf ich Sie mit „offenem Verteiler“ anschreiben? Meine Kunden haben mir das zu Verwaltungsbeginn unterschrieben. Sie wurden „belehrt“ (typisch deutsche Formulierung), welche Mails ich der WEG schicke (keine Werbung – kein Verkauf Ihrer Mailadressen, ist ja klar).

Meine Kunden haben offenbar verstanden, dass es ein Zeichen von gutem Service ist, wenn ich Sie über Baumaßnahmen am Gebäude informiere, Ihnen Fotos dazu schicke oder Sie über den Stand der Dinge auf dem Laufenden halte. Oder wenn ich Ihnen eine Unwetterwarnung schicke, damit Ihre Gartenstühle nicht in Ihre Fensterscheibe gewirbelt werden, wenn ich Sie an die Eigentümerversammlung oder an Handwerkertermine erinnere, dann ist das für mich guter Kundenservice.

Zurück zu meinem … hochbegabten … Kollegen. Als ich ihm sagte, dass ich Mails mit offenem Verteiler verschicke, hat er mich beschimpft wie einen Massenmörder. Wenn er mein Kunde wäre, dann würde er mir das Leben zur Hölle machen. Aha. Scheinbar ist es für manche Leute traumatisch, dass jeder Eigentümer die Mail-Adressen der anderen sehen kann. Gewissermaßen ein krasses Kapitalverbrechen.

Und warum hält er das für so schlimm? Angeblich gab es mal einen Immobilienmakler, der einen Wohnungseigentümer überredet hat, ihm die Mailadressen aller anderen Eigentümer aus dem Verteiler zu kopieren. Ehrlich gesagt, ziemlich idiotisch und doof noch dazu. Ist das die Schuld vom Verwalter? Es wäre ja nicht passiert, wenn der keinen offenen Verteiler geführt hätte. Wo ist die Selbstverantwortung, die man von erwachsenen Menschen erwarten sollte? Glauben Sie an den Weihnachtsmann? Wenn nein: Glauben Sie nicht auch, dass der kleinkriminelle Makler einen anderen Weg gefunden hätte?

Foto: Stephan Walochnik

Und BCC?

BCC bedeutet, dass die Empfänger ihre gegenseitigen Mailadressen nicht mehr sehen können. Und raten Sie mal… genau das empfahl mir der „souveräne Kollege“, damit von jetzt an niemand mehr die Mailadressen von den anderen sehen kann.

Nein, das mache ich nicht, denn es lähmt die Eigentümer, wenn sie etwas untereinander besprechen möchten. Gerade habe ich mit einem Neukunden gesprochen. Die WEG wollte den alten Verwalter loswerden, aber sie wussten nicht mal, wie sie miteinander kommunizieren sollen, um sich abzustimmen. Er hielt es für kühle Taktik des ehemaligen Verwalters, dass der alle Mails immer nur an BCC schickte.

Damit komme ich auf meine anfangs gestellte Frage zurück:

Sind wir eine Republik von Angsthasen geworden?

Das denkwürdige Gespräch mit dem Kollegen macht mir ernsthaft Sorgen über unsere Zukunft (sowohl der Republik, aber viel mehr noch die der Branche). Machen wir Dinge aus Selbstzweck – und ohne nachzudenken? Dürfen wir wegen der DGSVO keinen Mut mehr für etwas Neues haben? Alle plappern von „Digitalisierung“, und dann rollt die DGSVO-Dampfwalze darüber? Sind wir nicht erwachsen genug, um eigene Entscheidungen zu treffen? Brauchen wir immer und immer wieder eine neue Ausrede, warum man einem Kunden nicht helfen kann [oder „darf“]? Es gibt für jeden Anlass eine Ausrede, die Arbeit ein kleines Bisschen schlechter zu machen. Sind wir erwachsen genug oder kann man uns wirklich so schnell ins Bockshorn jagen?

Mit der DGSVO gibt es ein neues Geschäftsmodell, mit dem sich viele Abmahn-Anwälte die Taschen voll machen können.

Ich glaube, die Datenschutzgrundverordnung wurde gemacht, weil ganz, ganz große Konzerne im großen Stil mit Ihren Daten herumtoben und sie für kommerzielle Zwecke verwenden (Facebook, Amazon, Google…).

Ach ja… wie haben Sie eigentlich bei Google reagiert?

Popup => „Ich akzeptiere“ => Thema erledigt?

Wahrscheinlich war es so, oder? Den eigentlichen Adressaten der Datenschutzvorschrifthaben Sie also mit einem Klick abgehakt und erledigt, während tausende kleine Zahnarztpraxen im Papier ersaufen.

Foto: Stephan Walochnik

Nichtigkeit vs. Anfechtbarkeit von Beschlüssen

Foto: Stephan Walochnik

Damit ein Beschluss einwandfrei und rechtsgültig ist, muss er „inhaltlich hinreichend bestimmbar“ sein und darf nicht gegen Rechtsvorschriften verstoßen. Ansonsten ist er nichtig oder anfechtbar. Das ist abhängig vom Einzelfall und wahrscheinlich entscheidet jeder Richter in Grenzfällen anders.

a) NICHTIGKEIT:

Ein Beschluss ist z.B. nichtig, wenn er gegen eine zwingende rechtliche Vorschrift verstößt. Nehmen wir ein bewusst übertriebenes Beispiel:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt, das Auto vom nervigen Nachbarn Herrn Meier-Müller zu verkaufen, weil der immer vor unserer Einfahrt parkt.

JA: 720 MEA,

NEIN: 160 MEA,

ENTHALTUGEN: 120 MEA“

(Ich würde gern mal wissen, wer mit „Nein“ gestimmt und wer sich enthalten hat…)

Es ist (glaube ich) jedem sofort klar, dass dieser Beschluss illegal ist, weil er gegen den Willen des Eigentümers über fremdes Eigentum disponiert. Man muss ihn nicht anfechten, der Beschluss ist ungültig und besteht gar nicht erst. (Jedoch, falls das unklar ist, muss der Beschluss von einem Gericht für ungültig erklärt werden.)

Ein Beschluss ist auch nichtig, wenn er inhaltlich so überhaupt nicht bestimmbar ist, z.B. „jegliche Ruhestörung ist zu unterlassen“ => wie definiert man „jegliche Ruhestörung“?

b) ANFECHTBARKEIT:

Ein Beschluss ist i.d.R. anfechtbar, wenn er dem WoEigG zwar zuwider läuft, aber nicht zwingend illegal ist. Schwer zu beschreiben, es kommt wirklich auf den Einzelfall an.

Beispiel:

„Die Eigentümergemeinschaft beschließt die Wahl von Herrn Schmitz als Beirat.“

Im WoEigG steht, dass der Beirat aus genau drei Personen bestehen muss. So ein Beschluss kann innerhalb von einem Monat nach der EV angefochten werden. Wenn sich keiner die Mühe macht, wird er danach bestandskräftig.

Hartnäckiger Glaube an den „Vorratsbeschluss“

Foto. Stephan Walochnik

Eines der am weitesten verbreiteten Mythen ist der Vorratsbeschluss. Die bittere Wahrheit ist: Meistens schafft es jeder Fachanwalt, einen „Vorratsbeschluss“ schon in der ersten Instanz sofort in Stücke zu zerlegen. Was viele unter einem Vorratsbeschluss verstehen, ist vom Gesetzgeber in der Form gar nicht vorgesehen, und widerspricht vielen formellen Vorschriften des WoEigG, die zwingend eingehalten werden müssen.

Weil weder Verwalter noch Beirat über Themen von größerer Tragweite selbst entscheiden dürfen, muss die Eigentümerversammlung einen Beschluss fassen. Manchmal reicht die Vorbereitungszeit nicht aus und es liegen z.B. noch nicht alle Angebote für eine Baumaßnahme vor. Es wäre ja verlockend, die Maßnahme jetzt doch schon zu beschließen, und wichtige Details später vom Beirat entscheiden zu lassen. Das ist leider nicht zulässig. Noch schlimmer wird es, wenn bereits über Dinge entschieden werden soll, zu denen praktisch noch gar keine Details bekannt sind. Der Gesetzgeber hat aber bestimmte Anforderungen an die Wirksamkeit von Beschlüssen. Wenn noch keine Fakten bekannt sind, kann man nichts beschließen. Auch nicht auf Vorrat. Das Problem: Beschlüsse müssen inhaltlich bestimmbar sein und sich auf einen konkreten (Einzel-) Fall beziehen. Vorratsbeschlüsse erfüllen in der Regel beide Voraussetzungen nicht. Spätestens, wenn es mal Ärger unter den Eigentümern gibt, kann das teuer werden. Jedes Gericht erklärt solche Beschlüsse sofort für unwirksam. Ein paar Beispiele von gut gemeinten, aber ungültigen „Vorratsbeschlüssen“:

  • Wir beschließen, dass das Treppenhaus angestrichen werden soll, „wenn es mal nötig ist“.
  • Wenn die Treppenhausreinigung weiter so schluderig gemacht wird, entscheidet der Beirat über die weitere Vorgehensweise.
  • Wenn zwei weitere Angebote vorliegen, entscheiden Verwalter und Beirat über die Auftragsvergabe für die Dachreparatur.

Inhaltliche Bestimmbarkeit

Ein Beschluss muss inhaltlich hinreichend bestimmbar sein, ansonsten ist er nicht gültig.Aus dem Beschlusstext muss klar hervorgehen, welche Handlung ausgeführt werden soll. Wenn morgen ein neuer Verwalter gewählt wird, müsste er allein aus dem Beschlusstext verstehen können, was er tun soll und wie er es zu tun hat. Es darf keinen Interpretationsspielraum geben. Alle wichtigen Details müssen zwingend im Beschluss geregelt werden. Wenn z.B. eine handwerkliche Maßnahme beschlossen wird, muss klar sein, welcher Handwerker beauftragt werden soll, wie hoch der Kostenrahmen ist, wie die Maßnahme finanziert werden soll (Rücklage oder Sonderumlage?), bis wann sie umgesetzt werden soll usw.

Wenn sich aus dem Beschlusstext eine konkrete Handlung ableiten lässt, ist er in der Regel gültig. Bei Vorratsbeschlüssen sind hingegen viele Dinge noch gar nicht klar. Das stellt den Verwalter vor Probleme, da er ja für die Umsetzung verantwortlich ist. Wenn er selbst Entscheidungen trifft, haftet er auch.

  • Beim Beschluss, das Treppenhaus zu streichen, „wenn es nötig ist“, fehlt eine klare Regel, wie man feststellt, wann „es nötig“ ist. Unklar bleibt, bis zu welchem Kostenrahmen der Auftrag erteilt werden darf, welcher Handwerker beauftragt werden soll und aus welchem Topf es bezahlt wird.
  • Beim Beschluss über die Treppenhausreinigung steht der Beirat in der Schusslinie. Was „weitere Vorgehensweise“ bedeutet, wird nicht klar. Soll der bestehenden Firma gekündigt und eine neue beauftragt werden? Liegen Angebote und ein Preisspiegel vor? Ist ein Leistungsverzeichnis als Grundlage für den neuen Auftrag definiert? Wie erkennt man, ob die Treppenhausreinigung als „so schluderig“ zu bezeichnen ist? Die Entscheidung wird auf den Beirat delegiert, der für das Treffen von Entscheidungen gar nicht befugt oder versichert ist.
  • Auch bei der Dachreparatur, für die noch weitere Angebote eingeholt werden sollen, wird die Entscheidung über die Handwerkerauswahl aus der EV herausdelegiert. Sollte der beauftragte Handwerker Insolvenz anmelden und dadurch die gezahlte Anzahlung uneinbringlich werden, haften Verwalter und Beirat dafür, denn nur die EV darf die Handwerker auswählen

Lösungsmöglichkeit: Weitere EV

Warum sollte für solche Fälle überhaupt ein Vorratsbeschluss gefasst werden? Das Gesetz verlangt schließlich, dass allein die Eigentümerversammlung Entscheidungen trifft, wenn sie eine gewisse Tragweite haben. Also sollte man Entscheidungen auch nicht künstlich aus der EV herausverlagern, weil ansonsten immer jemand anders die Haftung auf sich nehmen müsste. Wenn es nach dem Gesetzgeber geht, sollen sich die Eigentümer immer dann treffen, wenn eine (größere) Entscheidung getroffen werden muss. Die Eigentümerversammlung findet nicht einmal im Jahr statt, sondern nach Bedarf. Sie müssen also nicht bis nächstes Jahr warten. Wenn alle Entscheidungsgrundlagen vorliegen und Sie genau im Bilde sind, worüber entschieden werden soll, treffen Sie sich wieder. Zwar ist eine erneute EV für alle Beteiligten etwas aufwändig, aber sie ist es wert, damit die Eigentümer sich über eine größere Maßnahme eine Meinung bilden und entscheiden können. Viel besser als der Vorratsbeschluss, der sowieso nur bis zum Amtsgericht hält.

Lösungsmöglichkeit: Umlaufbeschluss mit einfacher Mehrheit

Ein Umlaufbeschluss ist ein „Unterschriftenzettel“, mit dem die Eigentümer außerhalb der Eigentümerversammlung erklären, dass sie mit einem Beschlussvorschlag einverstanden sind. Wenn man keine separate Versammlung veranstalten möchte, kann man seit der WEG-Reform des Jahres 2020 auch abkürzen: Wenn noch nicht alle Fakten bzw. Angebote vorliegen, können Sie auf der EV trotzdem den groben Rahmen beschließen, und festlegen, dass die Entscheidung über bestimmte Details später per Umlaufbeschluss getroffen wird. Sofern sich die EV mit der Sache „vorbefasst“ hat, dürfen Sie auf der EV sogar bestimmen, dass der Umlaufbeschluss in dieser Angelegenheit mit einfacher Mehrheit getroffen wird. Die hohen Voraussetzungen für den Umlaufbeschluss, der ansonsten 100% Zustimmung erfordert, werden für den Einzelfall auf 50,01% heruntergesetzt, wenn Sie die Entscheidung auf „später“ verlagern möchten, wenn alle Fakten vorliegen. Voraussetzung ist aber immer, dass die Eigentümer sich in der EV mit einem Thema schon auseinandergesetzt haben.

Gültiger Vorratsbeschluss

In seltenen Fällen kann ein Vorratsbeschluss auch gültig sein, aber das ist wirklich die Ausnahme. Denn er muss sowohl inhaltlich eindeutig bestimmbar sein als auch auf einen Einzelfall bezogen. In über 15 Jahren WEG-Verwaltung hatte ich so einen Fall nur ein einziges Mal, aber es war möglich: Es ging um eine Brandschutztür zur Tiefgarage, die einen Automatikantrieb hatte, der öfters ausfiel. Vor der EV funktionierte aber alles wieder. Trotzdem lagen schon konkrete Angebote für den kompletten Austausch vor. Die EV hat entschieden, dass – sobald die Türe noch einmal ausfällt – ein bestimmter Handwerker in einem festgelegten Kostenrahmen auf Basis eines konkreten Angebots beauftragt werden soll, den Türantrieb komplett auszutauschen. Auch die Finanzierung zu Lasten der Rücklage wurde entschieden. Der Vorratsbeschluss war in praktisch jeder Hinsicht konkret und greifbar – nur der Zeitpunkt stand nicht fest, war aber ebenfalls eindeutig bestimmbar, nämlich sofort beim nächsten Ausfall des Türantriebes. Alle Details standen fest: Handwerkerauswahl, Kostenobergrenze und Finanzierung. In der Regel sind solche greifbaren Vorratsbeschlüsse sehr selten.

Verpassen Sie keinen Artikel mehr. Melden Sie sich zum Newsletter an, und ich informiere Sie, wenn ein neuer Artikel online ist.

Warum eine regelmäßige Dachkontrolle so wichtig ist.

Viele Leute haben Sorge vor einer großen Dachsanierung, aber eine solche kommt relativ selten vor. Häufiger müssen kleinere Flächen auf Dächern stellenweise repariert bzw. instandgesetzt werden. Wenn es zu einer großen Dachsanierung kommt, haben alle Beteiligten viele Jahre geschlafen und weggesehen.

Daher ist es wichtig, dass ein Dachdecker jedes Jahr einmal „kurz“ Ihr Dach kontrolliert und die Rinnen säubert (, auch wenn man keine Anzeichen für Probleme sieht). Das rechnet er nach Stunden ab und kostet nicht viel Geld. Auf diese Weise ist es möglich, kleinere Schäden sofort zu entdecken, bevor sie große Probleme bereiten. Diese werden in der Regel sofort behoben, z.B. Lötstellen, lockere Ziegel oder vielleicht Kleinigkeiten an der Dachschweißbahn.

Eine Dachkontrolle hilft dabei, kleinere Schäden sofort zu erkennen und gar nicht erst größer werden zu lassen. Es kann auch mal sein, dass Reparaturen anfallen. Aber wenn sein Dach über die Jahre immer beihält, wird langfristig kaum etwas passieren und meiner Meinung nach ist eine vollständige Dachsanierung dann extrem unwahrscheinlich. Natürlich sind Sturmschäden jedweder Art vorstellbar, aber die sind ja versichert. Wenn man sich regelmäßig um das Dach kümmert, dann bleibt die Substanz auch langfristig erhalten.

Foto: Stephan Walochnik

Eigentümerversammlung: Was ist der Unterschied zwischen einer Besprechung und einem Beschluss?

Foto: Stephan Walochnik

Manche Eigentümer sehen sich nur einmal im Jahr, nämlich auf der Versammlung. Das gilt besonders für Vermieter, die nicht selbst im Objekt wohnen. Selbstverständlich gibt es viel Gesprächsbedarf, um Sichtweisen, Vorstellungen und Fragen untereinander auszutauschen und sich Meinungen zu bestimmten Themen zu bilden.

Verständlicherweise sprechen Sie meistens über weit mehr, als auf der Tagesordnung stand. Das ist auch gut so, damit Ihnen und Ihren Miteigentümern klar ist, wie das gegenseitige Meinungsbild zu bestimmten Themen aussieht. Solange aber nicht über einen Tagesordnungspunkt abgestimmt wird, hat diese kollektive Meinungsfindung nichts mit einer Beschlussfassung zu tun, sondern ist eine ganz normale Besprechung, die Sie theoretisch auch im Hausflur oder per WhatsApp halten können.

Ein Beispiel: Vielleicht möchten Sie den Eingangsbereich umgestalten oder wünschen sich eine neue Haustür. Um die richtigen Angebote einzuholen, muss zuerst besprochen werden, was sich die Mehrheit wünscht, z.B. Farbton, Gestaltung, Layout usw. Und natürlich, ob die Mehrheit das überhaupt so haben möchte. Diese Willensbildung ist sehr wichtig, damit der Verwalter weiß, welche Angebote er einholen soll und welche Wünsche er den Handwerkern vermitteln soll. Wenn die Angebote dann vorliegen, die Details und der Kostenrahmen klar sind, dann ist ein Beschluss nötig – und erst dann ist er möglich, damit es in die Umsetzung gehen kann.

Der Beschluss nämlich ist eine konkrete Anweisung an den Verwalter, eine klar bezeichnete Maßnahme mit einem bestimmten Kostenrahmen zu beauftragen. Und das ist der ganze Unterschied zwischen Beschlüssen einerseits und bloßen Anregungen, Ideen, Fragen oder Anmerkungen andererseits: Der Beschluss regelt eine ganz bestimmte Sache verbindlich, z.B. die Ausrüstung der Heizung mit einem Fernwartungssystem, die Aufstellung einer neuen Hausordnung oder die Beauftragung einer bestimmten Reparatur. Ein Beschluss ist für Sie und alle übrigen Eigentümer verbindlich – auch für Ihren Nachfolger, wenn Sie Ihre Wohnung verkaufen. Aufgrund dieser Tragweite werden bestimmte Anforderungen an jeden Beschluss gestellt. Er ist nur gültig, wenn die Formulierungen und Anweisungen klar und verständlich zu deuten sind – auch für diejenigen, die nicht an der EV teilgenommen haben.

Die Beschlüsse von morgen entstehen oft durch die unverbindlichen Gespräche auf der Eigentümerversammlung von heute. Wenn Sie auf der EV mit Ihren Nachbarn oder dem Verwalter ins Gespräch kommen, äußern Sie vielleicht Ihre Vorstellungen zu einem bestimmten Thema, hören die Sichtweise der Nachbarn und einigen sich sogar schon vorläufig auf Kompromisse oder Alternativen. Das alles ist ungeheuer wichtig, aber Sie dürfen nicht so weit gehen, dass ein spontan aufgekommenes Thema heute sofort beschlossen wird – sofern es nicht in der Einladung angekündigt wurde. Eine sofortige Entscheidung scheitert meistens an gesetzlichen Formvorschriften zum Verbraucherschutz, weil jeder Beschlussgegenstand, über den eine Entscheidung getroffen werden soll, klar und eindeutig in der Einladung stehen muss. Diese muss Ihnen drei Wochen vor der Versammlung zugestellt worden sein. Sie sollen auf der Eigentümerversammlung nicht spontan überrumpelt und zur Stimmabgabe genötigt werden, sonst wäre der Beschluss ungültig oder zumindest angreifbar.

Bei der Besprechung auf der Eigentümerversammlung – oftmals im letzten Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ stellen Sie also die Weichen für die Zukunft. Es ist eine Einordnung, damit auch der Verwalter weiß, was Sie sich wünschen und wo die Reise hingehen soll. Der letzte Punkt der Eigentümerversammlung darf gerne etwas länger dauern, denn eine ausgiebige Meinungsfindung ist sehr wichtig, aber sie hat nichts mit Beschlussfassung zu tun.

Unwetterwarnung für Sonntag und Montag (09.02.2020 und 10.02.2020)

Liebe Kunden,

für Sonntag und Montag ist ein starkes Unwetter angesagt, aber Versicherungsprämie (und Hausverwalter) träumen von zwei Tagen ohne Sturmschäden. Vielleicht klappt es ja 🙂

Bitte seien Sie so nett: Schauen Sie doch mal in Garten, Balkon und Terrasse, ob dort Gegenstände herumstehen. Jeder Gartenstuhl, Blumentopf oder Sonnenschirm kann bei starkem Wind mitten in Ihre Fensterscheibe knallen. Versicherung hin oder her, jeder Schaden macht Arbeit. Nach den letzten beiden „Sturmkatastrophen“ (Ela und Friederike) konnten Sie sich auf acht Wochen Wartezeit bei der Versicherung einstellen.

Vielleicht stellen Sie Gartenstühle, Blumentöpfe, etc. einfach mal zwei Tage rein und lassen die Rollläden runter (Beispielfoto siehe Anhang) 🙂
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

Foto: Stephan Walochnik
Archivbild: Sturmtief Ela, 2014. Foto: Stephan Walochnik.

Süchtig nach Angeboten, blind für den Rest

Wem ein Gebäude gehört, der muss es auch instand halten. In Wohnungseigentümergemeinschaften gibt es jedoch einiges an Abstimmungsbedarf zu beachten. Zwar darf nur der Verwalter Aufträge erteilen, aber die Eigentümerversammlung entscheidet, wer in welchem Kostenrahmen beauftragt werden soll. Der Verwalter muss Vorarbeit leisten, um den Instandsetzungsbedarf festzustellen und Eigentümer über Reparaturmöglichkeiten zu informieren.

Foto: Stephan Walochnik

Dazu gehört es auch, mehrere Angebote einzuholen. Die Grundidee dahinter ist einfach: Wenn man drei Angebote für die gleiche Leistung hat, erkennt man den fairen Marktpreis. Sie können vergleichen und den Billigsten beauftragen. Soweit die Theorie. Bei einfachen Sachen (z.B. Anstrich Treppenhaus) kann man das auch so machen.

Die Suche nach drei Angeboten kann aber ziemlich anstrengend sein. Viele gute Handwerker reißen sich nicht gerade um Eigentümergemeinschaften, denn sie wissen auch, dass WEGs drei Angebote einholen und den Billigsten beauftragen werden. Gute Handwerker lassen sich immer seltener darauf ein, schließlich wissen sie, dass der niedrigste Preis gewinnt. Wenn ein Hausverwalter anfragt, weiß jeder Handwerker, was gerade abläuft. Für den Verwalter besonders blöd: Wenn zu viele Angebote nicht beauftragt werden, sind Handwerker irgendwann nicht mehr bereit, weiterhin Angebote abzugeben.

Außerdem gehen viele alte Handwerker in den Ruhestand, und „Generation Z“ will lieber Blogger oder Influencer werden. Nur leider sterben hierdurch die Handwerker aus.

Selten sind die Angebote wirklich vergleichbar. Handwerker bieten unterschiedliche Leistungen an. Weil die Angebotserstellung für den Kunden meistens kostenlos ist, führen sie selten Untersuchungen durch. Niemand möchte mehr Arbeit als nötig investieren. Am Ende beauftragt die WEG den Günstigsten. Vielleicht hat er auch bewusst Positionen vergessen, um der Billigste zu sein und den Auftrag zu bekommen. Möglicherweise droht während der Ausführung das erste Nachtragsangebot. Ob der Handwerker das Problem hundertprozentig verstanden hat, sehen Sie, wenn er fertig ist.

Foto: Stephan Walochnik

Tagesordnungspunkt „Sonstiges“ – das kann ins Auge gehen!

Viele Einladungen zur Eigentümerversammlung versprechen eine kurze Veranstaltung, die am Ende doch mehrere Stunden dauert. Auf der Einladung finden Sie zunächst die jährlichen Standard-Themen:

  • Bericht der Verwaltung,
  • Beschlussfassung über die Abrechnungsspitze,
  • Beschlussfassung über die neuen Hausgeld-Vorschüsse,
  • Entlastung des Verwalters,
  • Entlastung des Beirats,
  • Sonstiges,
  • Ende der Versammlung.

Gefährlich ist der Tagesordnungspunkt „Sonstiges“. Hier kann man Meinungen austauschen, aber keinen verbindlichen Beschluss fassen. Dafür gibt es viele gute Gründe. Im Mittelpunkt steht der Schutz der Eigentümer, damit niemand überrumpelt wird. Vor allem Nichtanwesende sollen vor dem Quasi-Verlust ihres Stimmrechts beschützt werden, wenn plötzlich neue Themen auftauchen und „beschlossen“ werden. Damit Sie sich auf die Themen vorbereiten können und Ihr Verwalter Sie richtig beraten kann, muss er die Themen im Vorfeld der EV aufbereiten. Wenn ein unerwartetes Thema vom Himmel fällt, geht das nicht.

Der Gesetzgeber verbietet die Beschlussfassung unter dem TOP „Sonstiges“ jedenfalls als Formfehler. Vielleicht sollte man den TOP Sonstiges einfach weglassen, weil er zu falschen Erwartungen und Missverständnissen führt. Ich nenne ihn deswegen „Ausblick“. Oft genug gibt es Streit, weil eine Angelegenheit vermeintlich beschlossen, aber nicht rechtsgültig ist, und der Fall landet vor Gericht – das kann teuer werden. Aber einfach weglassen? So einfach ist es nicht.

Was passiert in der Realität?

Die eigentliche Versammlung wäre nach 15 Minuten vorbei, der Verwalter beginnt schon einzupacken, da tauchen plötzlich ganz neue und unerwartete Themen auf. Ein Eigentümer nach dem anderen wirft noch einen Hut in den Ring. Weil niemand auf die Spontanvorträge vorbereitet ist, hält jeder seinen eigenen Monolog, und die anderen schauen nur verlegen in die Runde. Oder es beginnt eine ziellose Diskussion, da niemand vorbereitet ist, und die Versammlung dehnt sich mangels Struktur von 15 Minuten auf zwei oder mehr Stunden aus. Unter „Sonstiges“ tauchen die unterschiedlichsten Wünsche auf, zum Beispiel:

  • Wir würden gern das Treppenhaus neu streichen lassen. (Wer ist wir?)
  • Der Garagenhof muss besser beleuchtet werden. (Was heißt besser?)
  • Wir möchten den Eingangsbereich umgestalten. (Was bedeutet das?)
  • Ich brauche neue Fenster, sie sind undicht. (Das fällt Ihnen heute ein?)

Warum ist das so schlimm?

Außer einer ziellosen Diskussion haben Sie nichts gewonnen, weil Sie nichts beschließen können. Jeder Beschluss unter „Sonstiges“ entspricht meistens nicht der ordnungsmäßigen Verwaltung und ist somit anfechtbar (oder nichtig) und bringt Ihnen mindestens juristische Wackelkonstruktionen und damit viel Streitpotenzial ins Haus, das man vermeiden könnte.

Unschön für spontane Ideen, aber so ist es nun einmal gesetzlich geregelt. Der ganze Frust kann vermieden werden, indem Sie Ihren Verwalter im Laufe des Jahres bitten, Ihre Themenwünsche in die Einladung aufzunehmen. Wenn etwas beschlossen werden soll, können Sie evtl. sogar bei der Einholung von Angeboten unterstützen. Wenn Sie das Thema zunächst nur besprechen möchten, lässt es sich ebenfalls leicht auf die Agenda nehmen. Der Vorteil ist, dass jeder Miteigentümer Ihre Idee schon auf der Einladung lesen kann und somit eine viel konstruktivere Diskussion möglich ist, weil alle involviert sind.

Warum ist es verboten?

Jeder Beschluss ist verbindlich und muss vom Verwalter umgesetzt werden. Was einmal mehrheitlich beschlossen ist, bindet alle Eigentümer, auch die zukünftigen, wenn eine Wohnung mal verkauft wird. Um Sie zu schützen, gibt es so hohe Hürden für die Beschlussfassung, u.a.:

  • Es kann nur beschlossen werden, was in der Einladung stand. Sie sollen ausreichend Zeit haben, sich mit den Themen auseinanderzusetzen und Fragen zu stellen (§ 23 Abs. 2 WoEigG).
  • Inhaltliche Bestimmbarkeit: Ein Beschluss ist nur gültig, wenn er klar und eindeutig formuliert ist. Er muss auch für fremde Dritte nachvollziehbar sein, ansonsten ist er rechtlich angreifbar.
  • Wenn ein Beschluss formell nicht hundertprozentig in Ordnung ist, kann er einen Monat lang gerichtlich angefochten werden (§ 45 WoEigG). Die Folge ist möglicherweise ein jahrelanger Rechtsstreit, der viel Geld kostet – und am Ende wird der Beschluss vom Gericht für ungültig erklärt.
  • Der Verwalter muss jeden Beschluss in die Beschlusssammlung eintragen, damit sich auch potentielle Käufer mit den Rahmenbedingungen der WEG auseinandersetzen können (§ 24 Abs. 7 WoEigG).

Warum gibt es dieses ausgeprägte Redebedürfnis am Ende der EV?

Es ist wichtig, dass die Eigentümer regelmäßig miteinander sprechen können, um sich eine Meinung zu den unterschiedlichen Themen zu bilden. Oftmals sehen die Eigentümer sich außerhalb der EV gar nicht, vor allem die Vermieter wohnen ja nicht am Objekt. Vielleicht auch die Besitzer von Wohnungen, die als Zweitwohnsitz dienen. Regelmäßige Besprechungen sind daher sinnvoll und zu befürworten. Um die Themen von oben wieder aufzugreifen:

  • Das Treppenhaus SOLLTE gestrichen werden.
  • Die Beleuchtung vom Garagenhof IST viel zu dunkel und wirklich zu gefährlich.
  • Der Eingangsbereich IST in die Jahre gekommen und könnte viel schöner sein.
  • Die Fenster SIND undicht.

Das Problem ist, dass solche Themen nicht so unvermittelt in den Raum gestellt werden sollten, weil sonst niemand außer dem Redner etwas damit anfangen oder sich rechtzeitig Gedanken machen kann. Eigentlich ist es ja ideal, wenn sich die Eigentümer sogar sofort einig sind, aber für die gesetzlichen Formalitäten ist das jetzt ganz ungünstig. Denn was soll der Verwalter tun? Er kann nicht einem beliebigen Handwerker blanko den Auftrag erteilen, das Treppenhaus zu streichen. Was ist mit dem Kostenrahmen? Er kann auch nicht planlos ein paar Lampen am Garagenhof montieren lassen. Solche Themen müssen vorbereitet und Details besprochen werden, das ist auch in Ihrem Sinne. Zum Beispiel müssen Angebote eingeholt, eine Skizze erstellt oder ein Kostenrahmen ermittelt werden.

Foto: Stephan Walochnik.

Wie könnte man es besser lösen?

Es wäre ideal, wenn Sie Ihre Themenwünsche rechtzeitig äußern. Man kann und sollte vieles besprechen, denn eine gute Kommunikation vermeidet Streitigkeiten. Am Ende jeder Versammlung sollte auch genügend Platz für diese Gespräche eingeplant werden. DerUnterschied zwischen „Besprechung“ und „Beschluss“ muss aber allen klar sein. Wenn Sie ein Thema besprechen möchten, sollten Sie es rechtzeitig äußern – am besten im Laufe des Jahres. Der Verwalter kann es dann auf seine Liste der Gesprächsthemen für die nächste EV nehmen.

Nun muss besprochen werden, was von der Mehrheit gewünscht ist. Erst danach macht eine Planung und Einholung von Angeboten Sinn. Zudem muss die Maßnahme später noch beschlossen werden, nachdem alle Informationen, Angebote oder Kostenschätzungen vorliegen. Der Beschluss verpflichtet den Verwalter nämlich verbindlich zur Umsetzung einer Maßnahme. Daher muss der Beschlussgegenstand klar und eindeutig zu verstehen sein, damit es später keinen Streit gibt.

Sie müssen keine Angst haben, dass sich alles unnötig in die Länge zieht. Wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten (damit sind Verwalter und Eigentümer gemeint), kann die Vorbereitung sehr schnell gehen. Die nächste Versammlung muss nicht im nächsten Jahr stattfinden, sondern in zwei Monaten, wenn die Sache nicht warten kann oder sollte.

Verwalter, Beirat und Eigentümerversammlung

Foto: Stephan Walochnik.

Wer hätte das gedacht? Das Modell Eigentümerversammlung hat sich anders entwickelt, als der Gesetzgeber sich das vorgestellt hat. Viele Eigentümer glauben, dass die Eigentümerversammlung grundsätzlich immer nur einmal jährlich stattfindet und eine stundenlange Sitzung ist. Viele Verwaltungen handhaben es ja auch so. Und weil es so langweilig ist, geht kaum jemand hin. Von der gesetzlichen Lage findet man in der Realität oft herzlich wenig: Entscheidungen laufen mehr oder weniger im Hintergrund, und wenn Sie Glück haben, stimmt der Verwalter sich wenigstens mit dem Beirat ab, bevor er Aufträge erteilt oder Verträge kündigt. Das ist zwar in den meisten Fällen rechtswidrig, geht aber oft über Jahre gut, weil keiner fragt. Zudem kennen die wenigsten Eigentümer die rechtliche Situation.

Wie würde man es richtig machen?

Aus rechtlicher Sicht hat die WEG drei Organe mit klaren Befugnissen und Grenzen:

  1. Die Aufgabe der Eigentümerversammlung ist die Willensbildung der WEG, d.h. hier werden alle wesentlichen Entscheidungen getroffen – von den Eigentümern gemeinsam im Mehrheitsprinzip.
  2. Die Aufgabe des WEG-Verwalters ist es, Entscheidungen vorzubereiten, über anstehende Themen zu informieren und von der EV getroffene Entscheidungen umzusetzen.
  3. Der Verwaltungsbeirat hat die Aufgabe, den Verwalter bei der Umsetzung zu unterstützen und zu überwachen.

In § 23 Abs. 1 WoEigG ist klar geregelt, dass Entscheidungen – zumindest bei Dingen von größerer Tragweite – nur von den Eigentümern auf der Versammlung getroffen werden können – von niemandem sonst. In der Realität kommt es leider allzu oft vor, dass sich Verwalter und Beirat „auf dem kurzen Dienstweg“ abstimmen. Bei Dingen von untergeordneter Bedeutung oder bei dringenden Angelegenheiten hat der Verwalter nach § 27 Abs. 1 WoEigG auch das Recht, das zu tun. Aber oft werden auch größere Angelegenheiten rechtswidrig über die Köpfe der Miteigentümer hinweg von Verwalter (und ggfs. Beirat) entscheiden. Der Beirat ist kein Entscheidungsorgan, der Verwalter auch nicht. Beide sind an Mehrheitsbeschlüsse der EV gebunden.

Wenn ein bestimmtes Thema im Raum steht, ist der Verwalter dafür verantwortlich, zur Eigentümerversammlung einzuladen, damit Sie einen Beschluss fassen können. Natürlich auch dann, wenn in diesem Jahr schon eine Versammlung stattgefunden hat. Nach der rechtlichen Lage treffen Sie sich nicht einmal im Jahr, sondern bei jedem anstehenden Thema, zu dem eine Entscheidung getroffen werden muss. Eine EV muss keine lange Veranstaltung werden – vielleicht hat sie nur einen Tagesordnungspunkt. Im Extremfall stimmen Sie ab und gehen nach zwanzig Minuten wieder nach Hause.

Der jährliche Turnus ist hauptsächlich der Jahresabrechnung geschuldet. Wie Ihre Steuererklärung kommt sie jedes Jahr und muss beschlossen werden, damit sie gültig wird. Für die Beschlussfassung muss man sich treffen. Regelmäßig stehen auch die üblichen Themen auf der Agenda:

  • Bericht der Verwaltung
  • Beschlussfassung über die Abrechnungsspitze
  • Beschlussfassung über die neuen Hausgeld-Vorschüsse
  • Entlastung der Verwaltung
  • Entlastung des Beirats

Klar ist aber auch, dass der Verwalter in Notfällen auch ohne EV sofort handeln muss. Das gilt laut § 27 WoEigG auch bei Themen von „untergeordneter Bedeutung“, um die EV vor zu vielen Kleinigkeiten zu entlasten. Wenn also ein Notfall ohne Ermessensspielraum vorliegt, muss der Verwalter sofort, auch ohne EV, handeln. Ist es kein Notfall, kommt es auf die Dringlichkeit an, ob der Verwalter mit dem Thema warten kann – oder schnellstens eine EV einberufen muss:

Themen, die nicht dringend sind, sammelt der Verwalter wahrscheinlich im Laufe des Jahres und schreibt sie auf seine Themenliste für die nächste EV. Denn diese können vielleicht bis nächstes Jahr warten. Leider kommt es in der Realität oft vor, dass diese gesammelten Themen nicht gut vorbereitet werden, sondern einsilbig auf einer langen und unübersichtlichen Liste stehen. Oft lassen undurchsichtige Überschriften wie „Schutzanstrich Balkon“ ohne weitere Informationen in der Einladung nur erahnen, worum es geht. Das darf nicht sein, denn der Verwalter hat eine Informationspflicht Ihnen gegenüber – nicht nur gegenüber dem Beirat. Bei allen Dingen mit einer gewissen Tragweite (z.B. wenn hohe Kosten absehbar sind, oder ins Bauwerk eingegriffen wird, wie eben bei einer Balkonsanierung) muss der Verwalter Sie über alle relevanten Sachverhalte informieren. Sie müssen rechtzeitig vor der Versammlung die Möglichkeit haben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen oder Rückfragen zu stellen. Der Verwalter muss alle Informationen so aufzubereiten, dass die Eigentümer eine vernünftige Entscheidungsgrundlage haben.

Bei dringenden Themen stellt man allzu oft fest, dass diese während des Jahres bereits irgendwie erledigt wurden und nicht mehr auf der Agenda stehen. Das ist zwar grundsätzlich in Ihrem Sinne, aber ganz so leicht sollte der Verwalter es sich nicht machen. Hier sollte man differenzieren: Auch bei dringenden Angelegenheiten muss der Verwalter grundsätzlich kurzfristig eine Eigentümerversammlung einberufen, damit Sie mehrheitlich entscheiden können. Auch für eilige Themen gilt die gesetzliche Regelung, dass nur die EV entscheiden darf – und nicht der Verwalter in Absprache mit dem Beirat.

Es ist jedoch wichtig, die Sachlage differenziert zu betrachten: Ist Gefahr im Verzug, muss der Verwalter schnellstens handeln. Auch das ist vorgeschrieben, ebenso wie die Pflicht, dass die EV sich mit jedem größeren Thema zu befassen hat. Problematisch sind Grenzfälle mit sehr geringem Entscheidungsspielraum. Eigentlich muss überall, wo es einen Entscheidungsspielraum gibt, aus rechtlicher Sicht eine Eigentümerversammlung stattfinden.

Nehmen wir zwei Beispiele. Erstens: Der Aufzug ist komplett ausgefallen. Ein Ersatzteil muss bestellt werden und kostet 4.000 EUR. Vor allem die neueren Aufzugsmodelle sind, was Ersatzteile und Wartungsfirmen angeht, oft sehr eng an den Hersteller gebunden. Mehrere Angebote einzuholen ist nahezu unmöglich. Wenn jetzt noch ein Rollstuhlfahrer im 3. OG wohnt, muss es richtig schnell gehen. Aus rechtlicher Sicht müsste eine EV einberufen werden, man kann die Einladungsfrist ja abkürzen. Aber weil die Entscheidung mehr oder weniger klar ist, könnte der Verwalter hier auch entscheiden, ohne EV das teure Ersatzteil zu bestellen. Er sollte aber schnell und transparent alle Eigentümer über den Vorgang informieren. Je transparenter die Kommunikation, desto geringer das Risiko. Das gilt natürlich nur, wenn zwischen WEG und Verwalter ein langjähriges, beidseitiges Vertrauensverhältnis herrscht, denn solche Grenzfälle können für den Verwalter brenzlig werden. Schlimmstenfalls zahlt er alles selbst. Wenn es in Ihrer WEG schon Anfechtungsklagen gegeben hat oder dem Verwalter die Entlastung verweigert wurde, sollten Sie sich nicht auf diese Kulanz verlassen.

Aber nicht über jedes dringende Thema sollte der Verwalter kurzerhand selbst entscheiden. Bei einem Ersatzteil für den Aufzug für 4.000 EUR ist das Risiko mehr oder weniger kalkulierbar, weil die Sache klar ist. Was aber, wenn in einem großen Mehrfamilienhaus z.B. die Druckerhöhungsanlage für Trinkwasser ausfällt und für 40.000 EUR erneuert werden muss? Dieses Risiko würde ich als Verwalter auch beim besten Vertrauensverhältnis nicht eingehen. Der Verwalter sollte sich beeilen, schnellstens zwei Angebote einholen und kurzfristig zu einer Eigentümerversammlung einladen. Am besten sollte er Sie von Anfang an mit einbeziehen und direkt einen Termin für die EV nennen, während er gerade anfängt, die ersten Angebote anzufragen. So werden alle Eigentümer sofort informiert – Termin und grober Themenrahmen werden frühzeitig bekanntgegeben, aber die Preiskategorien beider Angebote werden etwas später nachgereicht, wenn sie vorliegen.

Diese Seite verwendet Cookies, um die Nutzerfreundlichkeit zu verbessern. Mit der weiteren Verwendung stimmen Sie dem zu.

Datenschutzerklärung