Sie haben gesehen, dass sehr viele Formalitäten nötig sind, um eine Eigentümerversammlung einzuberufen. Der Gesetzgeber möchte Sie schützen, weil die meisten Wohnungseigentümer Privatpersonen ohne juristische Vorbildung sind – entsprechend gut und mit langer Frist sollen Sie von der Verwaltung informiert werden, damit man Sie nicht überrumpeln kann. Eine kurze Wiederholung, welche Formalitäten eingehalten werden müssen:
- Die Einladung muss an die letzte bekannte Adresse der Eigentümer gesendet werden.
- Die Einladungsfrist beträgt drei Wochen und soll nur im Notfall unterschritten werden. Ggfs. ist die Frist laut Ihrer Teilungserklärung länger.
- Alle zu beschließenden Themen müssen in der Einladung genannt – oder besser erläutert – werden. Der Verwalter muss Ihnen komplexere Themen und deren Konsequenzen erklären.
- Weil Beschlüsse – auch für zukünftige Eigentümer – bindend sind, muss der Beschlussgegenstand klar und eindeutig sein.
- Die EV muss nichtöffentlich sein, also an einem Versammlungsort stattfinden, wo Dritte nicht zuhören können.
- Themen, die Ihnen spontan einfallen, können nicht sofort beschlossen werden, sondern müssen auf die Tagesordnung der nächsten Eigentümerversammlung.
- Obwohl ein Beschluss durch Stimmauszählung und Verkündung zustande kommt, muss die EV zu Dokumentationszwecken protokolliert und von zwei Eigentümern oder dem Beirat unterzeichnet werden.
- Das Protokoll muss Ihnen nach der Versammlung in Textform zugänglich gemacht werden
Wenn aufgrund eines dringenden Themas eine zusätzliche Eigentümerversammlung veranstaltet werden soll, verursacht das einen gewissen Mehraufwand. Schauen wir uns an, welche Arbeiten zur Vor- und Nachbereitung einer zusätzlichen EV anfallen, am Beispiel „Austausch eines Fensters“:

Es zieht! Ein Fenster in Ihrer Wohnung ist marode und ausgetrocknet. Bei starkem Regen und Wind läuft sogar etwas Wasser in Ihre Wohnung! Sie brauchen ein neues Fenster, sonst wird es bald ungemütlich für Ihren Mieter und eine Mietminderung droht. Aber Fenster sind Gemeinschaftseigentum, weil sie das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes prägen. Wenn nicht gerade ein Notfall vorliegt, und z.B. täglich große Wassermassen durchs Fenster auf Ihren Parkettboden laufen, dürfen Sie nicht einfach selbst tätig werden und den Einbau eines neuen Fensters beauftragen. Auch nicht, wenn es kaputt ist. Was ist zu tun?
Sie erklären die Situation Ihrem WEG-Verwalter, und er versteht sofort: Wir müssen uns beeilen. Aber auch er dürfte nur im Notfall sofort handeln. In allen anderen Fällen benötigt auch er die Zustimmung der Mehrheit der Eigentümer – per Beschluss auf der Eigentümerversammlung. Für Sie bedeutet das eine gewisse Wartezeit.
Aber hoffentlich nicht, weil der Verwalter trödelt, obwohl auch das zuweilen vorkommt. Und Sie müssen auch nicht bis nächstes Jahr warten. Eine zusätzliche Versammlung kann mehr oder weniger kurzfristig einberufen werden. Aber sie muss vernünftig vorbereitet werden, damit die Zustimmung Ihrer Nachbarn nicht an formellen Gründen scheitert.
Einer der Einflussfaktoren ist die eigentliche Vorbereitungszeit. Hier geht es unter anderem darum, mehrere Angebote einzuholen. Weil es in diesem Beitrag hauptsächlich um die Formen und Fristen geht, nehmen wir mal an, dass Sie die WEG um Genehmigung bitten, auf eigene Kosten ein neues Fenster einzubauen, das optisch dem bisherigen Erscheinungsbild entspricht. Wir gehen davon aus, dass durch die Verwaltung keine Angebote eingeholt werden müssen, da Sie sich bereiterklären, die Kosten allein zu tragen. Daher überspringen wir Ortstermine, Wartezeit, Nachhalten der Angebote und die Erstellung des Preisspiegels.
Der Verwalter muss einen Versammlungsort suchen, terminlich abstimmen und reservieren. Vor allem muss er den Sachverhalt in der Einladung erläutern, Rahmenbedingungen erklären und einen klaren und verständlichen Beschlussvorschlag formulieren – und am Ende alles ausdrucken, eintüten und zur Post bringen. Idealerweise wird auch das Protokoll schon einmal vorformuliert. Für die Einladung zur EV haben praktisch alle WEG-Verwalter Vorlagen. Die Hauptarbeit entfällt auf die Formulierung von Problem und Beschlussantrag. Wenn es nur um ein einziges Thema geht, dauert die Vorbereitungszeit zwischen einer Stunde und einem halben Tag – abhängig vom Erklärungsbedarf und der Komplexität der Maßnahme. Weil der Verwalter auch noch andere Kunden hat, deren Anliegen er bearbeiten muss, braucht er wahrscheinlich etwas Vorlaufzeit. Wenn die Eigentümerversammlung entsprechend ihrer Dringlichkeit eine hohe Priorität hat, sollte die Einladung spätestens innerhalb einer Woche fertig sein.
Nun müssen verschiedene Fristen eingehalten werden: Die Einladungsfrist für Eigentümerversammlungen soll drei Wochen betragen und nur in begründeten Fällen unterschritten werden. Es kann sein, dass in Ihrer Teilungserklärung eine längere Frist steht. Das heißt: Im Normalfall sollten alle Eigentümer die Einladung zur EV drei Wochen vor der Versammlung im Briefkasten haben (und am besten parallel per Email bekommen). Die Frist dient Ihrem Schutz, damit Sie nicht überrumpelt werden. Übrigens: Es gibt keinen Unterschied zwischen „ordentlicher“ und „außerordentlicher“ Eigentümerversammlung. Es gelten immer dieselben Formen und Fristen, egal ob die Versammlung im März, im Sommer oder bei Vollmond stattfindet. Es muss nicht lange dauern. Sie stimmen ab und gehen wieder. Jedes Jahr kann es beliebig viele Versammlungen geben.
Bis zur EV vergehen also mindestens drei Wochen. Vor der WEG-Reform hätte man die Versammlung wiederholen müssen, wenn weniger als die Hälfte der Eigentümer erschienen (oder per Vollmacht vertreten) wären. Seit 2020 ist das einfacher: Die EV ist beschlussfähig, wenn auch nur ein einziger Eigentümer erscheint oder eine Vollmacht erteilt.
Auf der EV kann man Ihnen mit einfacher Stimmenmehrheit die Genehmigung erteilen, Ihr Fenster auszutauschen. Zu den formellen Anforderungen an den Beschluss gehört die inhaltliche Bestimmtheit. Aus dem Beschlusstext muss klar und eindeutig hervorgehen, welche Genehmigung erteilt wird, welche Rahmenbedingungen zu beachten sind, wer die Kosten trägt usw. Gängige Voraussetzung ist, dass das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nicht verändert wird, zum Beispiel die Farbe des Fensterrahmens.
Der Beschlussantrag wird zur Abstimmung gestellt. Sie stimmen per Handzeichen ab und der Verwalter zählt die Stimmen. Wenn es mehr Ja- als Nein-Stimmen gibt, verkündet er das Ergebnis. Der Beschluss kommt durch Verkündung des Abstimmungsergebnisses zustande – und nicht durch Aufnahme in das Protokoll oder Unterschrift durch den Beirat, weil beides lediglich der Dokumentation dient. Bis hierhin sind drei Wochen plus Vorbereitungszeit vergangen. Der Beschluss ist nun sofort rechtsgültig und kann direkt umgesetzt werden. Sie haben sofort die Erlaubnis, die Fenster auszutauschen.

Der Beschluss könnte innerhalb eines Monats noch von einem Eigentümer aus formellen Gründen angefochten werden. Einen zweiten Monat räumt man dem Anfechtenden für die Begründung seiner Klage ein. Sind dem Verwalter Formfehler unterlaufen, könnte das Gericht den Beschluss dann für ungültig erklären. Erst nach fruchtlosem Ablauf der Monatsfrist – gerechnet ab dem Datum der EV – ist sicher, dass der Beschluss Bestandskraft hat. In der Praxis können Sie sicher sein, wenn innerhalb von zwei bis drei Monaten nach der EV keine Anfechtungsklage zugestellt wurde.
Fazit: Selbst bei idealen Voraussetzungen müssen Sie eine längere Zeit warten, wenn Sie ein neues Fenster benötigen und es sich nicht um einen akuten Notfall handelt. Zu den Einflussfaktoren gehören:
- Einholung von drei Angeboten: Abhängig von den Handwerkern.
- Organisatorische Vorbereitung und Einladung: Maximal eine Woche, wenn der Verwalter dem Thema eine hohe Priorität einräumt.
- Gesetzliche Einladungsfrist: Drei Wochen.
- Wartezeit, ob Anfechtungsklage erhoben wurde: Zwei Monate.
Gut zu wissen, dass die EV beschlussfähig ist, wenn mehr als 50 Prozent der Eigentümer erscheinen oder eine Vollmacht erteilen. Für meine Altbauwohnung steht die nächste Woche eine Fenster-Reparatur an. Hoffentlich habe ich bis dahin einen passenden Fachmann gefunden.
Hallo Herr Schwarz,
bitte beachten Sie, dass ich diesen Artikel vor der Reform des WoEigG geschrieben habe. Inzwischen hat sich vieles verändert, siehe hier:
http://stephanwalochnik.de/weg-reform-2020-eine-kurze-zusammenfassung/
Unter anderem muss nur einer erscheinen – und schon ist die EV beschlussfähig. Voraussetzung ist natürlich, dass alle Formen und Fristen eingehalten wurden (z.B. Versand an die letztbekannte Adresse und mindestens 3 Wochen Einladungsfrist).
Die wichtigste Formalie, damit etwas beschlossen werden kann ist, dass das Thema auf der Einladung stand. Das ist Verbraucherschutz, damit kein Eigentümer auf der EV überrumpelt werden kann: „Ach ja, übrigens würde ich gerne die Fenster sanieren“. So ein Beschluss wäre per se ungültig. Wenn Sie einen Wunsch haben, muss der mindestens 3 Wochen vor der EV in der Einladung im Briefkasten alle Eigentümer liegen, damit sich jeder Gedanken darüber machen kann.
Herzliche Grüße
Stephan Walochnik