Bessere Formalitäten der Eigentümerversammlung
Endlich! Seit dem 01.12.2020 haben wir ein neues WoEigG. Ich halte die WEG-Novelle für gut gelungen und sehe viele Vorteile. Hier gebe ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einen Überblick über die neuen Regeln:
Die Eigentümerversammlung ist jetzt immer beschlussfähig, egal wie viele oder wenige Eigentümer erscheinen. Auch wenn weniger als 50% der Miteigentumsanteile zur Versammlung erscheinen, ist sie beschlussfähig. (Mit „erscheinen“ meine ich hier: Persönlich oder per Vollmacht oder per Online-Teilnahme.) Die sogenannte „Zweitversammlung“ mit gleicher Tagesordnung zur Erzwingung der Beschlussfähigkeit ist somit Geschichte.
Umso wichtiger ist es, dass die Einladung frühzeitig bei den Eigentümern ankommt. Es ist von jetzt an möglich, die Einladung nur in Textform zu versenden, d.h. per E-Mail anstatt per Brief. Ein guter Verwalter macht beides, denn man sollte berücksichtigen, dass eine Mail leicht im Spam-Ordner landen kann. Dann geht die Einladung zur EV ungesehen verloren. Ein Brief im Briefkasten kann nur schwer übersehen werden.
Die Einladungsfrist wurde von zwei auf drei Wochen verlängert. (Möglicherweise sieht Ihre Teilungserklärung auch eine längere Frist vor.) Die Änderung hätte man sich eigentlich auch schenken können… Die drei Wochen sind eine Soll-Frist. Man kann sie abkürzen, wenn das wegen Dringlichkeit geboten ist.
Unverändert kann man nicht unter „TOP Sonstiges“ irgendetwas „beschließen“, was den Anwesenden gerade einfällt. Alle Tagesordnungspunkte, über die abgestimmt werden soll, müssen in der Einladung stehen, also drei Wochen vorher in den Briefkästen der Eigentümer liegen. Im Sinne des Verbraucherschutzes ist also weiterhin gewährleistet, dass sich jeder Eigentümer ausführlich mit den Tagesordnungspunkten auseinandersetzen kann. Es ist sehr wichtig, dass niemand auf der Versammlung überrumpelt werden kann. Natürlich kann man bei besonders eilbedürftigen Vorgängen die Einladungsfrist abkürzen, also auch hier keine Veränderung.
Vereinfachter Umlaufbeschluss
Was ist überhaupt ein Umlaufbeschluss? Laut WoEigG werden alle Entscheidungen immer von den Eigentümern per Beschluss getroffen, das bedeutet: Auf einer Eigentümerversammlung wird abgestimmt. Bei mindestens 50,01%iger Zustimmung kommt ein Beschluss zustande, die Entscheidung der Eigentümer ist gefallen.
Wenn es schnell gehen soll, kann man einen Beschluss abkürzen. Dann machte man bisher einen „Unterschriftenzettel“, genannt „Umlaufbeschluss“. Der kommt (ohne EV) zustande, wenn 100% (!) der Eigentümer dem Vorschlag des Verwalters zustimmen.
Neu: Seit der WEG-Reform entfällt die Schriftform (Unterschrift aus Tinte). Die Zustimmung können die Eigentümer in Textform erteilen (also per Mail, Fax, Whatsapp, natürlich auch per Brief). So kann man Formen und Fristen verkürzen und sinnvolle Entscheidungen „entkomplizieren“.
Ich persönlich werde keine Beschlussfassung per Whatsapp mitmachen, weil ich nur Emails dauerhaft speichern kann. Bei Whatsapp geht das nicht besonders gut.
Online-Eigentümerversammlung
Ab sofort ist es zulässig, Eigentümer online zu einer ortsgebundenen Versammlung zuzuschalten. Das bedeutet, dass auch eine reine Online-Versammlung zulässig ist, denn: Ein Sonderfall der Online-Zuschaltung zu einer ortsgebundenen Versammlung ist die Online-Zuschaltung aller Eigentümer zu einem Ort, an dem der Verwalter ganz alleine sitzt.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ja, es muss den Eigentümern zumindest möglich sein, persönlich vorbeizukommen. Denken Sie z.B. an ältere Leute, die weder Computer noch Mobiltelefon besitzen und sich deswegen nicht online zuschalten könnten. Andererseits haben 2020 auch sehr betagte Eigentümer ganz einfach an meinen Online-Versammlungen teilgenommen.
Corona hat diese Art der Eigentümerversammlung schon im März ins Rampenlicht gerückt. Zwar war das Gesetz noch nicht gültig, ich habe es aber trotzdem manchmal riskiert – für Beschlüsse ohne große Tragweite. So konnten die Eigentümer bspw. die Jahresabrechnung beschließen, als in der ersten Corona-Welle niemand wusste, ob man sich treffen darf oder nicht. (Siehe Beitrag: „Online-Eigentümerversammlungen in Zeiten von Corona“.)
Voraussetzungen: Eine Online-Plattform mit Passwortschutz oder ähnlicher Zugangsberechtigung (z.B. Cisco Webex). Ein gewisser Mindest-Sicherheitsstandard ist wichtig, um zu gewährleisten, dass nur Leute teilnehmen, die eingeladen wurden. Die Technik ist völlig unproblematisch (z.B. Cisco Webex oder Zoom), weil sie so einfach zu bedienen ist wie WhatsApp. (Siehe Beitrag: „Online-Eigentümerversammlungen in Zeiten von Corona“.)
Unverändert gilt das Gebot der Nichtöffentlichkeit (sowohl Online als auch bei einer „normalen“ EV). Es dürfen grundsätzlich nur Leute teilnehmen, die als Eigentümer im Grundbuch stehen.
Jedenfalls darf kein Fremder im Videochat danebensitzen (geschweige denn dauernd reinreden). Aber der abstrakte Gedanke, dass theoretisch jemand hinter der Kamera sitzen und mithören könnte, macht die Online-EV trotzdem nicht automatisch angreifbar. Und: Spielende Kinder im Hintergrund sind meiner Meinung nach unproblematisch.
Vorteile der Online-EV:
- Fernab wohnende Wohnungseigentümer müssen nicht anreisen (z.B. von München nach Düsseldorf).
- Es gibt keinen Stress im Berufsverkehr oder wegen der Parkplatzsuche.
- Außerdem entfällt die Gebühr für den Versammlungsort.
Rechtssicherheit: Streng genommen muss die Eigentümergemeinschaft erst (auf einer normalen EV) beschließen, dass sie mit einer Online-EV einverstanden ist. Andernfalls wäre eine Anfechtung der Beschlüsse möglich. Bei homogenen und freundlichen WEGs dürfte das aber kein Problem darstellen. Der Verwalter muss wie so oft Fingerspitzengefühl haben. Eigentümergemeinschaften, die sich gerne streiten oder schon mal Beschlüsse angefochten haben, bekommen im Zweifel keine Online-EV und müssen dann eben länger warten. Ich werde für kritische Beschlüsse oder für Entscheidungen von großer Tragweite immer lieber ortsgebundene Eigentümerversammlungen veranstalten, falls das möglich ist.
Die Beschlusssammlung bleibt!
In der Beschlusssammlung findet man alle Beschlüsse aus der Vergangenheit einer WEG. Auch nach neuem Recht muss der Verwalter weiterhin die Beschlusssammlung führen.
Richtig so! Sie ist ein wichtiges Informationsinstrument, vor allem für den Käufer einer Wohnung. (Siehe auch Artikel „Vorselektion von Eigentumswohnungen, Teil 2: Die Protokolle vergangener Eigentümerversammlungen“.) So weiß jeder Interessent schon vor dem Kauf, ob in der WEG ein Hundehaltungs- oder ein Musizierverbot beschlossen wurde, an das er sich halten muss.
Der Aufwand für den Verwalter ist vertretbar. Nach jeder Eigentümerversammlung übernimmt er die Textelemente aus dem Protokoll mit Copy & Paste in die Beschlusssammlung. Beides sind in der Regel einfache Worddateien.
Guten Tag,
unsere Hausvewaltung, mit welches wir desöfteren auch vor Gericht sind, hat uns gestern Abend (Freitag, 18.52Uhr) eine Mail zukommen lassen, in welcher Sie einen OnlineTermin für eine Beschlussfassung über neue Heizungsanlage ( großes finanzilles Thema) festgelegt. Dieser Termin soll dann gleich am Montag ( 3Tage später) um 18.ooUhr stattfinden. Ist diese sehr kurzfristige Terminierung rechtens? Für manche ist die technische Anforderung an diesen OnlineTermin wahrscheinlich nicht ohne Fremde Hilfe möglich. Am WoEnde
kann man keine Fachfirma damit beauftragen und ein Vollzeitberufstätiger kann sich an einem Arbeitstag nun auch nicht darum kümmern. Ich finda die Vorgehensweise sehr fraglich.
Besten Dank für Ihre zeitnahe Rückmeldung ( möglichst bereits am Mo-Vormittag )
Diana Kullmann
Liebe Frau Kullmann,
wir sind uns einig, dass ich Hausverwalter und kein Rechtsanwalt bin – und daher keine Rechtsberatung gebe (siehe auch „Haftungsausschluss“). Außerdem kenne ich die Rahmenbedingungen des Einzelfalls nicht, denn je nach Kontext muss man die Frage ganz anders beantworten.
Das ist schon ganz schön knapp – am Freitag eine Eigentümerversammlung für Montag einzuberufen, finden Sie nicht? Laut neuem WoEigG soll (!) die Frist zur Einladung ja drei Wochen betragen. Der Gesetzgeber möchte nicht, dass die Wohnungseigentümer (=Verbraucher) überrumpelt werden. Deswegen sind Beschlüsse bei extremer Abkürzung der Frist meist anfechtbar. Trotzdem ist es eine Soll-Frist, die bei dringlichen Entscheidungen abgekürzt werden darf (und auch sollte). Ob die „Einladung über Nacht“ jetzt so hilfreich ist, sei mal dahingestellt.
Aber was sollte man als Verwalter tun, wenn die Heizung komplett ausgefallen ist? Vielleicht hat die gesamte Anlage kein Warmwasser mehr? Vielleicht ist die Heizungsanlage nicht mehr (wirtschaftlich) zu reparieren? Dann muss schnellstens eine Entscheidung her, ist das vielleicht auch bei Ihnen der Fall? Beim Verwalter klingelt sich das Telefon heiß, weil das Wasser in den Wohnungen eiskalt bleibt. Er selbst hat vermutlich keine Verwaltervollmacht, die ausreicht, um eine große Reparatur selbst zu entscheiden, das wäre ja auch nicht im Sinne des Erfinders. Auch der Beirat ist ja laut Gesetz nur der „Handlanger“ des Verwalters und darf nichts entscheiden.
Wenn es so ist, wie ich vermute, dann bleibt das Warmwasser eiskalt, und zwar bis zur Beschlussfassung auf der Eigentümerversammlung. Anders kann es der Verwalter nicht machen.
Die Eigentümer könnten natürlich noch darum bitten, drei Angebote einzuholen. Bei der aktuellen Konjunktur und Nachfragesituation bei den Handwerkern sind Sie dann aber auch mindestens 14 Tage weiter. Bei einem Totalausfall der Heizung (den ich vermute) wird der Verwalter in dieser Zeit wahnsinnig, weil das Telefon nicht mehr aufhört zu klingeln.
Auch die Variante Online-Eigentümerversammlung ist das beste, was der Verwalter machen kann. Würde man eine „echte“ ortsgebundene EV machen, muss der Verwalter sich tagelang mit dem Gesundheitsamt abstimmen wegen des Hygienekonzepts – sofern er überhaupt einen Versammlungsort findet! Wenn er mehr als eine WEG verwaltet (logisch!), dann wird er schnell zum Corona-Superspreader, indem er von EV zu EV marschiert. Einen Umlaufbeschluss kann er zwar versuchen (das geht ja jetzt auch per Mail), aber es müssen 100% der Eigentümer zustimmen – oft scheitert es an einem einzelnen.
Dann bleibt dem Verwalter ja fast nur noch die Variante Online-EV. Dass einzelne Eigentümer das noch nicht gemacht haben, ist auch keine „Ausrede“, schließlich sieht der Gesetzgeber das jetzt vor – und die Möglichkeit bietet fast nur Vorteile. Auch meine älteren Kunden hatten noch nie Probleme mit einer Online-EV. Notfalls macht man vorher mal einen Probelauf. Denken Sie mal daran: Was macht ein Eigentümer, wenn er auf dem Weg zur „normalen“ Eigentümerversammlung mit dem Auto liegen bleiben würde? Genau, technische Probleme gibt’s immer.
Sehr geehrter Herr Stephan Walochnik,
gemäß § 23 Abs. 3 WEG_neu kann ein Umlaufbeschluß auch in Textform erfolgen. Soweit klar! – Ist es Ihrer Meinung nach aber auch möglich, z.B. über einen Wartungsvertrag für eine Heizungsanlage („einzelner Gegenstand“ – § 23 Abs.3, Satz 2 WEG_neu) einen Umlaufbeschluß als Mehrheitsbeschluß herbeizuführen?
Vielen Dank für Ihre zeitnahe Rückantwort.
Freundliche Grüße
Walter Schnell
Beirat + Rechnungsprüfer
einer WEG
Lieber Herr Schnell,
wir sind uns einig, dass ich Hausverwalter und kein Rechtsanwalt bin – und daher keine Rechtsberatung gebe (siehe auch „Haftungsausschluss“). Außerdem kenne ich die Rahmenbedingungen des Einzelfalls nicht, denn je nach Kontext muss man die Frage ganz anders beantworten.
Leider hat der Gesetzgeber sich da einen sehr missverständlichen Passus in §23 (3) ausgedacht. Einen Umlaufbeschluss für einen Wartungsvertrag können Sie auch nach der WEG-Reform nicht mit einfacher Mehrheit beschließen. Man müsste vorher auf der Eigentümerversammlung beschließen, dass für diesen Umlaufbeschluss die einfache Mehrheit nötig ist. Komisch, oder? Ich habe zum besseren Verständnis gerade einen weiteren Beitrag veröffentlicht, um die Zusammenhänge verständlicher zu machen, siehe hier.