Wenige Sandkörner im Getriebe können oftmals die ganze Verwaltung lahmlegen. Weil viele Verwalter sich nicht von Störenfrieden trennen, schauen sie lieber gar nicht mehr in ihre Mails und es dreht sich ihnen der Magen um, wenn das Telefon klingelt. Und die Kunden wundern sich, warum sie niemanden erreichen oder der Verwalter sich erst Wochen später zurückmeldet. Ich musste erst lernen, wie wichtig es ist, schlechte Kunden schnellstmöglich rauszuwerfen, weil sie die anderen blockieren. Wiederholung, damit keine Missverständnisse entstehen: Ernstgemeinte und normale Fragen darf jeder Wohnungseigentümer immer stellen, das ist sein grundlegendes Recht. Aber viele Eigentümer übertreiben maßlos. Und so gibt es „Beschäftigungstherapeuten“, die den Verwalter (ähnlich einer sprudelnden Quelle) täglich mit neuen Aufgaben überschütten.
Welche Kunden fressen denn Kapazität? Hier ein paar Beispiele:
- Erstens gibt es die Extremfälle, wo jemand offensichtliche … Probleme hat und seine Miteigentümer auf der Eigentümerversammlung anschreit. Aber mal abgesehen von solchen Extremfällen kenne ich viele weitere Spaßvögel:
- Der pensionierte TÜV-Ingenieur ohne Fingerspitzengefühl, der das ganze Haus unaufgefordert nach abgelaufenen Prüfsiegeln, schiefliegenden Türmatten und lockeren Türklinken durchsucht – und dem Verwalter anschließend eine zwei Seiten lange Mail schreibt, um unter Fristsetzung um eine ebenso lange Stellungnahme zu „bitten“.
- Der „Beiratspräsident“, der seinen Nachbarn verbieten will, Hunde zu halten, nach 19 Uhr zu musizieren oder im Treppenhaus miteinander zu reden (während der Mittagsruhe und aus seiner Sicht lauter als in Zimmerlautstärke).
- Der pingelige Wirtschaftsprüfer, der die WEG-Jahresabrechnung durchleuchten und prüfen möchte, als wäre es eine Konzernbilanz (und dafür beim Verwalter fünf volle Arbeitstage blockiert, die keinem anderen Kunden mehr zur Verfügung stehen).
- Die Rentnerin, die sich beschwert, dass ihre Nachbarin nachts duscht, sich allerdings nicht traut, diese selbst anzusprechen, sondern Unterschriften sammelt, meine Privatadresse herausfindet und mich samstags mittags besucht, um mir einen Vortrag zu halten und den Brief mit den Unterschriften zu überreichen.
Einmal habe ich eine WEG übernommen, die mir beim Kennenlerngespräch versicherte, dass es keinen Sanierungsstau gibt, keine größeren Probleme und auch sonst nichts. Später, bei Übernahme der Unterlagen, bekam ich drei Regalmeter an Gerichtsakten, denn die Eigentümer führten untereinander schon seit Jahren einen erbarmungslosen Rechtsstreit. Manche Prozesse lagen noch beim Amtsgericht, andere waren schon in der zweiten oder dritten Instanz. Wenn Sie als Verwalter solche Akten durchlesen, sind Sie um 13 Uhr völlig erschöpft und können schlafen gehen. An diesem Tag lösen Sie bestimmt keine kognitiven Aufgaben mehr. Und selbstverständlich steht die Kapazität anderen Kunden nicht mehr zur Verfügung, die vielleicht auch ein berechtigtes Anliegen haben.
Oder die Eigentümer denken einfach mal über eine Baumaßnahme nach. Nicht, weil es nötig wäre, sondern einfach mal so. Wie wäre es mit neuen Geländern für die Balkone? Oder könnte man vielleicht die Kellertreppe verschönern lassen? Die sieht immer so schäbig aus. Wie wäre es mit einer neuen Haustür oder einer Umgestaltung des Vordergartens? Eine ständig sprudelnde Quelle neuer Ideen, die alle einen Rattenschwanz nach sich ziehen. Deswegen rechne ich sowas nach Stunden ab. Wird die WEG die Maßnahme überhaupt beschließen oder ist es bloße Beschäftigungstherapie? Als Verwalter muss man erstmal raus, um sich mit Handwerkern zu treffen und sich die verschiedenen Optionen erklären zu lassen. Damit nicht genug: Es müssen mehrere Angebote von verschiedenen Firmen eingeholt werden – für all das muss man mehrere Ortstermine wahrnehmen. Und wenn dann mal die Kosten auf dem Tisch liegen? 12.000 EUR? Viel zu teuer, das Thema „vertagen“ wir auf die nächste Eigentümerversammlung. Oder der Vorschlag wird sofort begraben – und die ganze Arbeit war für die Katz. Auch hier muss man differenzieren: Es gehört zu den Kernaufgaben des Verwalters, die Instandhaltung und Instandsetzung des Gemeinschaftseigentums zu begleiten, aber es macht einen großen Unterschied, ob die Eigentümer etwas wirklich haben wollen oder „nur mal fragen“ möchten und den Verwalter dann ein paar Tage beschäftigen.
Schwierige Eigentümergemeinschaften steigern diese Arbeiten exponentiell. Man muss davon ausgehen, dass es zu einem großen Rattenschwanz an Folgearbeiten kommt, wenn die Eigentümer kompliziert sind oder sich eine Gemeinschaft untereinander nicht versteht. Dann gönnen die sich gegenseitig nichts und es kann vorkommen, dass jemand wegen einer Kleinigkeit Einspruch gegen die Jahresabrechnung erhebt. Also muss der Verwalter vor der Beschlussfassung die Abrechnung nochmal neu erstellen, drucken, versenden, und natürlich auch an die Fristen denken. Je weniger sich die Eigentümer einig sind, desto wahrscheinlicher ist es, dass mehrere Versammlungen im Jahr nötig sind, weil es Gesprächs- und Diskussionsbedarf gibt, und die Eigentümer sich trotzdem einfach nicht einig werden. Trotzdem steht es ihnen ja laut Wohnungseigentumsgesetz zu, so oft eine Eigentümerversammlung einzuberufen, wie es etwas zu besprechen gibt.
Hausverwalter können oft überhaupt nicht kostendeckend arbeiten. Sie strampeln sich für 5% der Kunden im Hamsterrad ab, und ärgern sich, dass so viel zu tun ist. Deswegen kommen sie nicht dazu, sich um die 95% guten Kunden zu kümmern, deren Abrechnung rechtzeitig anzufertigen oder die Versammlung bis März über die Bühne gehen zu lassen.
Es sind 5% der Kunden, die 95% der Arbeit verursachen. Die anderen gucken in die Röhre, obwohl sie Besseres verdient hätten. Ich persönlich bin jedenfalls irgendwann aufgewacht und betreibe seit 2014 vehement „Kundenhygiene“, weil ich das Renteneintrittsalter halbwegs unbeschadet erreichen möchte und meine Gesundheit für diese 5% opfern möchte, die es mir sowieso nicht danken.
Gebäudeversicherungen sind konsequenter als Hausverwalter.
In der Branche schmeißt man Kunden raus, die zu viele Schäden verursacht haben, weil die Versicherung sonst nicht kostendeckend arbeiten kann.
Und all diese Probleme passieren bei Ihnen nicht? Dann gratuliere ich Ihnen. Dann gehören Sie zu den guten Kunden.
Aber Hallo,
was für ein toller Beitrag! Jetzt kann ich völlig nachvollziehen, weshalb ca. 80% der jährlichen Nebenkostenabrechnungen falsch bzw. fehlerhaft sind (Absicht schließe ich selbstverständlich aus).
Sicherlich zählen sie zu den „20%“.
Ich ordne mich übrigens als pensionierten TÜV Ing. ein, der mit einer HVW zu tun hat, die den „80%“ zuzuordnen und auch da noch eine Negativselektion möglich ist.
Aber wie gesagt, ein toller Beitrag.
Aber Hallo auch, lieber Herr Loth,
ich freue mich, wenn Ihnen der Beitrag gefallen hat und Sie nun auch die Perspektive der Hausverwaltung kennen, wenn sich am frühen Morgen schon 60 Emails im Postfach tummeln, die man erstmal beantworten muss, bevor man um 15 Uhr mit der Arbeit anfangen kann.
Ich freue mich darüber, dass Sie auch ein pensionierter TÜV-Ingenieur sind und hoffe, dass bei Ihnen alle Prüfsiegel auf den Briefkästen sind und die Türklinken regelmäßig geölt werden 😉
Ich wünsche alles Gute und verbleibe mit herzlichen Grüßen
Stephan Walochnik