Textform oder Schriftform

Seit der WEG-Reform im Jahr 2020 können Vollmachten zur Eigentümerversammlung grundsätzlich auch in Textform erteilt werden. Gleiches gilt für die Zustimmung zu einem Umlaufbeschluss. Aber was bedeutet Textform eigentlich? Juristen unterscheiden – neben anderen Formen – Schriftform und Textform. Schriftform bezeichnet Ihre eigenhändige Unterschrift „aus Tinte“, während Textform heißt, dass Buchstaben dauerhaft „schwarz auf weiß“ stehen, wie es bei einem Fax oder einer Email der Fall ist.

Bisher ging man davon aus, dass die Echtheit einer eigenhändigen Unterschrift einfacher nachgewiesen werden kann als die eines anderen Dokuments, z.B. einer Email. Bei bestimmten Rechtsgeschäften bevorzugt man daher immer noch die Schriftform, vor allem, wenn formale Anforderungen besonders hoch oder die Beweissicherheit wichtig ist. Denken Sie z.B. an Ihren Arbeits- oder Mietvertrag.

Bis zur WEG-Reform im Jahr 2020 war für Umlaufbeschlüsse, Vollmachten oder die Einladung zur Eigentümerversammlung die Schriftform erforderlich. Das hat sich geändert und nun ist die Textform ausdrücklich erlaubt. Das bringt Ihnen viele Erleichterungen, denn für eine schriftliche Vollmacht brauchten Sie auf jeden Fall einen Umschlag plus Briefmarke, und ggf. auch einen Drucker, um das Schriftstück überhaupt drucken und mit Tinte unterschreiben zu können. Vieles war aufwändiger und nicht mehr zeitgemäß. Für die Textform müssen Sie bspw. nur eine E-Mail schicken.

Auch Fax, WhatsApp oder SMS genügen der Textform, denn auch dort werden Buchstaben dauerhaft „schwarz auf weiß“ gespeichert – Sprachnachrichten wiederum nicht. Wenn Sie ein Dokument, das Sie mit Tinte unterschrieben haben, einscannen und als pdf-Datei versenden, bringen Sie es übrigens zurück in die Textform, weil die Tinte in Einsen und Nullen auf dem Computer umgewandelt wird. Eine Vollmacht per SMS oder WhatsApp zu erteilen, wäre möglich, aber ziemlich gewagt, weil sie schnell mal übersehen werden kann. Und weil es hier die größten Probleme mit dauerhafter Datenspeicherung und -wiederherstellung gibt. Zwar entspricht auch das Fax der Textform, aber es benutzt heutzutage fast niemand mehr.

Kann man Textform leichter fälschen? Vielleicht, aber ganz ehrlich: Eigentümerversammlungen sind kein hoheitlicher Staatsakt. Ihr Verwalter führt vermutlich keine Liste mit Unterschriftsproben und könnte selbst Ihre Unterschrift nicht ohne weiteres identifizieren oder prüfen. Wenn ich ein unterschriebenes Dokument bekomme, kann ich glauben oder nicht, dass der Absender es selbst unterschrieben hat. Ob Ihre Unterschrift aus ein paar Kringeln, Strichen oder Buchstaben besteht, kann und möchte ich nicht nachprüfen. So läuft es doch auch bei Emails. Man geht davon aus, dass der Absender die E-Mail selbst geschrieben hat und der Account des Absenders, dessen E-Mailadresse man in der Kopfzeile sieht, nicht gehackt wurde.

Vollmachten für Eigentümerversammlungen sind auch nicht gerade das beliebteste Ziel von Trickbetrügern und „Enkeltricksern“. Schwer vorstellbar, wer einen Vorteil davon hätte, hierfür eine fremde Unterschrift zu fälschen. Außer vielleicht ein Eigentümer mit viel krimineller Energie, der sich eine Mehrheit für seinen eigenen Tagesordnungspunkt ergaunern will. Aber der würde auch handgeschriebene Vollmachten fälschen. Ein paar Kringel und Striche auf das Vollmachtsformular, und schon hat er seine Unterschrift. In einer Eigentümergemeinschaft gibt es ja keinen ständigen Publikumsverkehr, sondern oftmals jahrelang die gleichen Eigentümer, die sich von den Versammlungen mittlerweile kennen. Daher fliegen solche Tricksereien besonders schnell auf, spätestens bei Versand des Protokolls mit den Abstimmungsergebnissen – und das hätte für den Fälscher erhebliche, strafrechtliche Konsequenzen. Daher brauchen Sie sich nicht allzu sehr vor Vollmachten und Umlaufbeschlüssen in Textform zu fürchten.

Beschluss und Vereinbarung in einer WEG

Die meisten von Ihnen wissen, was ein WEG-Beschluss ist. Wenige kennen aber den „kleinen Bruder“, die Vereinbarung. Sie führt zumeist ein unbekanntes Schattendasein.

Grundsätzlich gilt: Entscheidungen einer WEG werden auf der Eigentümerversammlung getroffen. Solch eine Entscheidung nennt man Beschluss. Der Gesetzgeber sagt: Ein Beschluss regelt einen bestimmten Einzelfall, eine einmalige Entscheidung, z.B. den Einbau von Elektroladestationen oder Fahrradständern. Dazu benötigt man in der Regel eine 50%ige Mehrheit.

Was ist nun eine Vereinbarung?

Eine Vereinbarung in einer WEG ist eine dauerhafte Regelung, die als Vertrag zwischen allen (!) Eigentümern ausgestaltet ist, auch ohne EV und Beschluss, z.B. die Zuweisung von Nutzungsrechten an Parkplätzen. Es ist verständlich, dass die Unterscheidung zwischen Vereinbarung und Beschluss vielen Leuten schwerfällt, denn auch Beschlüsse können langfristige Wirkungen haben.

Beschlüsse können z.B. den Anstrich des Treppenhauses behandeln, wenn eine andere Farbe verwendet werden soll – oder die Aufstellung eines Fahrradständers im Hof, die Installation von Elektroladestationen etc. Aus gesetzlicher Sicht sind das aber alles Einzelfälle oder „Einmal-Aktionen“. Sie werden einmal beauftragt und umgesetzt, und haben dennoch langfristige Wirkung. Das Ergebnis sieht man vielleicht noch in 15 Jahren oder später.

Eine Vereinbarung ist eine dauerhafte Regelung. Sie ändert die Spielregeln auf Dauer. Eine Vereinbarung – wie der Name schon andeutet – ist ein Vertrag zwischen den Eigentümern. Sie brauchen keine Versammlung und keinen Beschluss, sondern die Eigentümer treffen sich, besprechen etwas und unterschreiben einen Vertrag – und zwar 100% einstimmig!

Solche dauerhaften Änderungen können z.B. Nutzungsrechte am Parkplatz sein. Wenn dieser reines Gemeinschaftseigentum ist, könnte man per Vereinbarung die Stellplätze bestimmten Wohnungen zuweisen. Auch eine Umnutzung des nicht mehr genutzten Öltankkellers zu einem Fahrradraum wäre eine dauerhafte Regelung und damit eine Vereinbarung. (Obwohl ich mir sicher bin, dass die meisten WEGs dies als Beschluss behandeln würden und niemand dagegen vorgeht).

Mit der WEG-Reform 2020 kam eine interessante Änderung zur Änderung der Kostentragung. Nach § 16 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz kann die WEG „für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten“ eine neue Regel zur Kostenverteilung beschließen – mit einfacher Mehrheit. Zum Beispiel sind Fenster immer Gemeinschaftseigentum. Standardmäßig zahlen alle Eigentümer im Verhältnis der Miteigentumsanteile bei jedem Austausch bzw. Reparatur eines Fensters mit. Man kann nun beschließen, dass ab jetzt jeder die Kosten der Fenster (oder Rollläden) seiner Wohnung selbst trägt.  Vor 2020 wäre das immer eine Vereinbarung gewesen, da es die Spielregeln dauerhaft ändert. Vermutlich hat der Gesetzgeber es geändert, um die Mehrheitsverhältnisse zu senken und Streit zu beenden, da bisher einzelne Eigentümer dies hätten blockieren können. Wir brauchen wohl nicht erwähnen, dass man bei solchen Regeln im Rahmen des Legalen bleiben muss und niemanden ungerechtfertigt benachteiligen darf.

Noch etwas sehr wichtiges: Wenn sie nicht notariell beurkundet wird, hält eine Vereinbarung nur bis zum nächsten Eigentümerwechsel!

Dazu ein Beispiel:

Abstrahieren wir von der WEG. Stellen Sie sich vier Einfamilienhäuser vor. Die Nachbarn treffen sich und vereinbaren einiges zum Thema Laub kehren und welche Größe, Höhe und Farbe die Zäune haben dürfen. Es wird schriftlich aufgesetzt und alle unterschreiben. Sie geben sich selbst diese Regeln, dann gelten sie auch für alle. Wenn jetzt aber jemand sein Haus verkauft, dann hat der Käufer bzw. neue Nachbar diesen Vertrag natürlich nie unterschrieben. Er muss sich nicht an die Regeln bzgl. Zaun und Laub kehren halten. Für ihn gelten nur die städtischen Regelungen. Er hat den Vertrag niemals unterschrieben.

Zurück zur WEG: Aus diesem Grund sollten Sie eine Vereinbarung auch notariell beurkunden lassen, damit sie auch über einen Eigentümerwechsel hinaus Bestand hat. Denn es haben ja nur 100% der aktuellen Eigentümer den Vertrag unterschrieben, daher ist er im Falle eines Eigentumswechsels nicht mehr bindend.

Die Grenze zur Änderung der Teilungserklärung ist sehr, sehr dünn. Denn wenn Sie schon zum Notar gehen, können Sie die neuen Spielregeln auch direkt als Nachtrag zur Teilungserklärung aufnehmen.

Fazit:

Ein Beschluss regelt eine einzelne Entscheidung, auch wenn diese sehr langfristige Auswirkungen hat. Eine Vereinbarung ändert die Spielregeln dauerhaft. Sie sehen, dass die Grenzen sehr dünn sind. Einerseits zu einer Änderung der Teilungserklärung, andererseits zur Änderung der Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WoEigG. Daher sollten Sie bei jeder Vereinbarung unbedingt einen Notar konsultieren, um diese auch rechtssicher umzusetzen.

Vermeidung von größeren Schäden

(Versicherungs-) Schäden in Ihrer Eigentumswohnung

Leider gibt es in meinen verwalteten Gebäuden regelmäßig vermeidbare – teils größere – Schäden, weil selbstverständliche Dinge im Alltag manchmal untergehen. Daher möchte ich an dieser Stelle einmal auf bestimmte Dinge hinweisen, um teure Schäden mit einfachen Maßnahmen zu vermeiden. Ein Überblick:

  • Silikonfugen: Das sind die weichen, gummiartigen Ränder an Dusche oder Badewanne. Eigentlich sollte man sie alle 3-5 Jahre erneuern lassen, was erfahrungsgemäß fast niemand tut. Jedoch können sich mit der Zeit kleine Risse bilden. Schwer zu glauben, aber durch kleinste Risse können bereits sehr große Wassermengen ins Bauwerk eindringen und hohe Schäden anrichten. Bitte kontrollieren Sie Ihre Silikonfugen regelmäßig, und lassen Sie sie (z.B. von einem Maler) erneuern, wenn Sie Risse sehen. Diese großen Schäden gelten durch ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2023 nicht mehr als Leitungswasserschäden und sind grundsätzlich nicht mehr versichert. Jedoch bieten die Versicherungsgesellschaften einen Schutz gegen Aufpreis an, um den ich mich kümmere.
  • Legionellen: WennWarmwasser „stagniert“, d.h. unbewegt in den Leitungen steht, können sich Legionellen bilden. Darunter versteht man „Bakterien“, die teils schwere Lungenentzündungen verursachen. Lassen Sie regelmäßig (mindestens alle 48 Stunden) alle Wasserhähne / -quellen in der Wohnung kurz laufen. Auch wenn Sie in Urlaub oder anderweitig abwesend sind, müssen Sie darauf achten, z.B. mit Unterstützung von Familienmitgliedern oder Nachbarn.
  • Rauchmelder: Als Eigentümer bzw. Vermieter müssen Sie in allen Schlafzimmern (d.h. auch Gästezimmern) und „Verbindungsräumen“ (=Flure und Durchgangszimmer) Rauchmelder installieren (lassen) und diese regelmäßig prüfen, sonst gefährden Sie den Versicherungsschutz.
  • Brandlasten im Treppenhaus: Das Treppenhaus ist ein Flucht- und Rettungsweg, , weshalb dieHauseingangstür zu keiner Tages- oder Nachtzeit abgeschlossen werden darf. Brandlasten sind Gegenstände, die Feuer oder Rauchbildung verstärken könnten, z.B. Kartons oder Schränke. Im Treppenhaus darf zudem nichts stehen, was in einem Treppenhaus voller Rauch den Durchgang behindern oder jemanden zum Stolpern bringen könnte. Schuhe, Kisten, Schränke etc. gehören weder ins Treppenhaus noch in den Gemeinschaftsflur.
  • Toiletten: Bitte spülen Sie keine feuchten Tücher die Toilette runter, weil diese sich auch im Wasser nicht abbauen. Die Rohre verstopfen. Kippen Sie bitte auch keine Essensreste in die Toilette, weil Sie sonst Ratten anlocken (Sie haben richtig gelesen – die Tierchen schaffen es bis in die Kloschüssel).
  • Heizen und Schimmel: Wenn Sie Energie sparen wollen, dann bedenken Sie bitte, dass sich unter 18°C Schimmel bildet, wenn Sie nicht ausreichend lüften. Ausreichen lüften bedeutet: Fenster ganz auf – nicht auf Kipp. Gekippte Fenster begünstigen die Schimmelbildung, weil die Laibung an bestimmten Stellen überproportional auskühlt und sich dort Schimmel ansiedeln kann.
  • Schlüssel für Notfälle: Hinterlegen Sie idealerweise einen Schlüssel für Notfälle bei einer Kontaktperson und nennen Sie deren Rufnummer einem Nachbarn oder der Hausverwaltung.
  • Dreifachsteckdosen: Sie sind nicht für hohe Lasten auf Dauer ausgelegt. Wenn man mehrere starke Geräte (Kühlschränke, Trockner, Waschmaschine…) an eine Dreifachsteckdose anschließt, riskiert man einen Brand. Wenn bei einer Dreifachsteckdose schon das Licht am On-Off-Schalter flackert, ersetzen Sie die Steckdose lieber sofort.
  • Wasser-Absperrhähne, z.B. unter der Spüle müssen einmal im Jahr auf- und zugedreht werden, weil sie sich sonst festsetzen. Sie können dann kein Wasser mehr absperren. Im Fall eines Wasserschadens müsste sonst das ganze Haus abgesperrt werden, und alle Wohnungen haben kein Wasser mehr.

Was bedeutet eigentlich „ordnungsmäßige Verwaltung“?

Oft wird der Begriff „ordnungsmäßige Verwaltung“ dahingehend falsch verstanden, dass einzelne Eigentümer dem Verwalter für bestimmte Maßnahmen gerne Anweisungen geben möchten, sich sofort und kurzfristig um die Umsetzung kümmern müsse, ohne die anderen Eigentümer zu fragen. Das ist aber nur teilweise richtig.

Ordnungsmäßig ist die Verwaltung dann, wenn sie dem „billigen Ermessen“, also dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer dient, so steht es in § 18 WoEigG. Also Maßnahmen, die man von einer ordentlichen, normalen WEG-Verwaltung erwarten kann, und die dem gewöhnlichen Interesse von Wohnungseigentümern im Allgemeinen entsprechen. Sie sehen schon: Es ist ein Begriff mit viel Definitionsspielraum. Die Rechtsprechung sagt: Etwas zählt zur ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn es aus neutraler, objektiver Sichtweise betrachtet für die Gesamtheit der Eigentümer grundsätzlich nützlich ist, wobei die individuellen Umstände und auch die finanziellen Verhältnisse der WEG zu würdigen sind.

Sie als Eigentümer können von der Gemeinschaft Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung verlangen und notfalls auch gerichtlich einfordern. Dass die WEG vom Verwalter repräsentiert wird, bedeutet aber nicht, dass dieser sofort loslegen muss, wenn ein Einzelner etwas von ihm verlangt, was ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Denn man darf nicht vergessen, dass der Verwalter alleine keine Entscheidungen treffen darf, z.B. einen Handwerker zu beauftragen und Geld für eine Reparatur auszugeben. Wenn es kein Notfall und keine Maßnahme von untergeordneter Bedeutung ist, bleibt die Entscheidung immer noch bei der Eigentümerversammlung.

Der Unterschied liegt darin, dass die Eigentümerversammlung nicht unbegründet „nein“ sagen und einen Beschlussantrag ablehnen kann, wenn die Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Als Wohnungseigentümer haben Sie nämlich einen Anspruch darauf, dass bestimmte Dinge gemacht werden, die „dazugehören“, ansonsten können Sie sie auch gerichtlich durchsetzen.

Und warum müssen diese trotzdem von der EV beschlossen werden? Das liegt daran, dass die EV sich mit dem „ob“ und mit dem „wie“ auseinandersetzen muss. So gehört bspw. die „ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums“ zur ordnungsmäßigen Verwaltung, sagt § 19 WoEigG. Aber über die Fragen, wie im vorliegenden Fall das Gemeinschaftseigentum erhalten werden soll, wer den Auftrag bekommt, was es kosten darf und wie es finanziert wird, darüber entscheidet die Eigentümerversammlung – und nicht Verwalter, Beirat oder ein betroffener Eigentümer. Zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört auch die Jahresabrechnung, die der Verwalter ohne weitere Aufforderung in der ersten Jahreshälfte aufstellen sollte, um auf dessen Basis die Abrechnungsspitze zu beschließen.

Auch über Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung muss ein Beschluss gefasst werden, aber die WEG darf die Maßnahme nicht unbegründet ablehnen. Man kann sich im Einzelfall bestimmt darüber streiten, wann etwas zur ordnungsmäßigen Verwaltung gehört oder nicht. Es muss eben im Sinne der Gemeinschaft der Eigentümer sein. Und weil das so ein schwammiger Begriff ist, liefert der Gesetzgeber im WoEigG mehrere Beispiele:

  • Aufstellen einer Hausordnung,
  • ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
  • Abschluss einer Gebäude-Sachversicherung sowie einer Haftpflichtversicherung,
  • Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage,
  • Aufstellen von Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung,
  • Einberufung der Eigentümerversammlung,
  • Ihnen Einsicht in Verwaltungsunterlagen gewähren,
  • usw.

Somit sind diese Verwaltungsmaßnahmen schon einmal definiert und Sie können einen Anspruch geltend machen, damit diese beschlossen werden. Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Auch weitere Maßnahmen, die dem „billigen Ermessen“, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer dienen, entsprechen ordnungsmäßiger Verwaltung. Was das ist, hängt stark von Situation und Eigentümergemeinschaft ab. Natürlich bietet so eine schwammige Definition viel Spielraum für Interpretationen, weil der Gesetzgeber die Türe für weitere Maßnahmen offenhalten wollte. Damit wurde in Kauf genommen, dass viele Diskussionen, Literatur und Rechtsprechung entstehen.

Ordnungsmäßige Verwaltung bedeutet also nicht, dass Sie kurzerhand an den Verwalter herantreten können, wenn Sie einen Wunsch haben, und dass der Verwalter dann sofort so handeln muss. Er muss in diesen Fällen auf jeden Fall handeln, aber er darf die anderen Eigentümer nicht umgehen. Er muss die Eigentümerversammlung nach dem „ob“ und dem „wie“ fragen.

Grundrechte von Wohnungseigentümern in der Coronapandemie

Wenn man sowas liest, dreht sich einem der Magen um. Amtsgericht Lemgo, Urteil vom 24.08.2020 – 16 C 10/20. Worum streiten die sich? Der WEG-Verwalter hat alle Wohnungseigentümer von der Eigentümerversammlung ausgeladen – und die Versammlung trotzdem durchgeführt. Moment, Eigentümerversammlung ohne Eigentümer? Richtig gelesen.

Das Gericht hat diesen hirnverbrannten Unsinn zum Glück sofort kassiert. Alle gefassten Beschlüsse sind nichtig.

Zur Sachlage: Jeder Eigentümer hat bestimmte Grundrechte, die man ihm nicht nehmen kann. Dazu gehören Teilnahme-, Rede- und Stimmrecht auf der Eigentümerversammlung.

Andererseits muss ein Beschluss, damit er gültig ist, in der Einladung stehen. Man kann sich also nicht spontan irgendwas ausdenken, was man dann kurzerhand „beschließt“. Gut so. Verbraucherschutz davor, überrumpelt zu werden. Trotzdem erfolgt auf jeder Eigentümerversammlung immer ein Gedankenaustausch, der so nicht in der Einladung stand. Diese kollektive Willensbildung ist sehr wichtig. Und in der aktuellen Coronazeit ist das nicht unbedingt einfacher, vor allem bei großen Wohnungseigentümergemeinschaften. Wenn Sie sich überhaupt treffen, müssen Sie die Abstands- und Hygienemaßnahmen einhalten, sonst gibt’s Ärger mit dem Gesundheitsamt.

Der „geschulte“ Verwalter wollte es sich jedenfalls einfach machen.

Er lud zur „Eigentümerversammlung im Vollmachtsverfahren“ in sein Büro ein. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass sein Büro jedoch wegen der Covid-Pandemie für den Publikumsverkehr geschlossen sei und eine Eigentümerversammlung mit Eigentümern (!) wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden darf. Die Eigentümer sollten dem Verwalter lieber Vollmacht erteilen und notfalls ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen. Und dann schließt er die Einladung ernsthaft mit „Bitte erscheinen Sie nicht persönlich.“

Der Typ sollte sich wirklich mal Gedanken über seine Berufsvorstellung machen. So unschön die aktuelle Situation auch ist. Teilnahme-, Rede- und Stimmrecht sind jedenfalls elementare Rechte jedes Wohnungseigentümers, die man nicht einfach so aushebeln kann.

Ich weiß natürlich auch, dass es nicht mehr so einfach ist wie früher. Siehe auch hier: Artikel Vorschläge zur (Online- und Offline-) Eigentümerversammlung in der Corona-Zeit

Das Dilemma der Hausordnung

Die Hausordnung – Lieblingskind vieler selbsternannter „Beiratspräsidenten“, Blockwarte und Beschäftigungstherapeuten, Ärgernis vieler Hausverwalter und Geldquelle vieler Rechtsanwälte und Verbraucherschutzorganisationen. Das Problem daran: Wenn man sie nicht braucht, dann ist sie überflüssig, weil es auch ohne Hausordnung rund läuft. Und wenn man sie braucht, dann ist sie nutzlos, weil sich Störenfriede in der eigenen Eigentumswohnung nicht um die Hausordnung scheren.

Wann braucht man dann eigentlich eine Hausordnung? Stellen Sie sich mal vor, ein Eigentümer macht in seiner Wohnung ordentlich Lärm, und zwar andauernd. Er hört bis tief in die Nacht so laut Musik, dass Sie als Nachbar mitsingen könnten. Er grölt bei jedem Fußballspiel, stellt Müll oder seine Schuhe vor die Wohnungstüre oder knallt ständig mit den Türen. Leider ist eine Hausordnung bei solchen Leuten völlig nutzlos, weil sie sie nicht mal lesen würden. Sie hängt dann einfach ungelesen im Treppenhaus. Menschen, die sich wie Chaoten benehmen, werden nicht anhalten, um einen Blick auf den Text zu werfen. Selbst wenn man ihnen die Hausordnung postalisch zustellt, landet sie im Müll. Diejenigen Eigentümer, an die eine Hausordnung eigentlich adressiert wäre, werden sie weder lesen noch beachten. Wenn sich einer der Eigentümer nicht um die Regeln eines geordneten Zusammenlebens schert, hat die WEG ernsthafte Probleme. Die Hausordnung wird sie aber nicht lösen, weil sie bei solchen Leuten auf taube Ohren stößt. Und dann geht es ja noch um die Durchsetzbarkeit. Einem Eigentümer können Sie nicht kündigen, denn es ist ja sein Eigentum – und Mieter sind nicht an die Hausordnung einer WEG gebunden. Beziehungsweise nur dann gebunden, wenn der Vermieter sie wirksam zum Bestandteil des Mietvertrags macht, was so gut wie nie passiert.

Foto: Stephan Walochnik

Dazu kommt, dass Hausordnungen oftmals angreifbar sind. Hundehaltungsverbote sind meist rechtswidrig (und gelten nicht automatisch gegenüber Mietern), feste Ruhezeiten ebenso. Duschen soll nach 22 Uhr verboten sein! Was ist denn mit dem, der um Mitternacht von der Nachtschicht kommt? Er wird unangemessen benachteiligt, damit ist die Regelung dahin. Oftmals sind Formulierungen in der Hausordnung sehr vage. Verbietet die Hausordnung etwa „jegliche lauten Geräusche“ nach 23 Uhr? Auch Coronahusten oder eine umgefallene Vase sind laute Geräusche, somit ist die Regelung zu undifferenziert und damit unhaltbar. In anderen Fällen müsste die WEG die Einhaltung der Hausordnung einklagen, aber die Erfolgsaussichten sind gering. Wie wollen Sie vor Gericht beweisen, wer im Treppenhaus raucht, nach 22 Uhr die Musik voll aufdreht oder wessen Hund länger als zehn Minuten am Tag bellt? In vielen Fällen kann sich ein Störenfried erfolgreich wehren, wie man zuletzt eindrucksvoll beim Gerichtsprozess um den Düsseldorfer Kettenraucher Friedhelm gesehen hat – obwohl dieser nicht Eigentümer, sondern Mieter war.

Aber auch in weniger provokanten Fällen hilft die Hausordnung wenig. Manche Eigentümer stören sich daran, dass ein Nachbar seinen Müll ständig vor die Wohnungstür – und damit ins Treppenhaus – stellt. Wenn man solche Probleme über die Hausordnung lösen möchte, dann wird man schnell erleben, dass dies kaum möglich ist. Denn was ist eigentlich, wenn er sich gar nicht angesprochen fühlt? Es wäre schön, wenn die Hausordnung das alles übernehmen könnte, aber in der Realität scheitert das Vorhaben kläglich. Dann kann man die Hausordnung auch ganz sein lassen, und muss seine Probleme auf andere Art lösen. Wenn der Hund einen Nachmittag lang bellt, könnte man ja selber mal an der Tür klingeln und den Nachbarn darauf ansprechen, anstatt den Hausverwalter mit der Hausordnung vorzuschicken. Wahrscheinlich ist ihm schon dieses Gespräch unangenehm und wird einiges bewirken. Und wenn es noch mal passiert? Nochmal klingeln und nochmal ansprechen. Wenn Sie freundlich sind, verbessern Sie mit jedem Besuch den Kontakt, und machen Ihr Anliegen trotzdem bemerkbar. Und wenn bald mehrere Nachbarn kommen, um sich zu beschweren, ist das hundertmal effektiver als jede Hausordnung. Daran führt fast kein Weg vorbei.

Der erste Schritt muss immer sein, das Gespräch zu suchen – auch mehrfach. Den meisten Menschen ist es unangenehm, wenn schon wieder der Nachbar vor der Tür steht, um sich (freundlich!) zu beschweren. In sehr vielen Fällen ist es den Leuten einfach gar nicht klar, dass sie mit ihrem Verhalten jemanden stören. Deswegen ist die beste Lösung, einfach hinzugehen und miteinander zu reden. So können Sie 95% der Probleme lösen.

Foto: Stephan Walochnik

Sonder- oder Gemeinschaftseigentum?

An dieser Stelle möchte ich Ihnen einen Überblick über die Definitionen und die gängigsten Beispiele zu Sonder- und Gemeinschaftseigentum geben:

Definition Sondereigentum:

  • In der Teilungserklärung ausdrücklich benannte und nach außen hin abgeschlossene Wohnräume (Wohnungseigentum) oder nicht zu Wohnzwecken dienende Räume (Teileigentum) (§1 Abs. 1 WoEigG) und
  • zu diesen Räumen gehörende Gebäudeteile, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch anderes Sondereigentum beeinträchtigt oder gemeinschaftliches Eigentum oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert werden (§5 Abs. 1 WoEigG).
  • Seit der WEG-Reform des Jahres 2020 können auch Grundstücksteile (z.B. Gärten) zum Sondereigentum einer Wohnung gehören. Bis dahin konnte daran nur ein Sondernutzungsrecht eingeräumt werden.

Beispiele Sondereigentum:

  • „Die im Grundriss (Anlage 1 zur Teilungserklärung) mit Ziffer 4 bezeichneten Wohnräume im 1.OG links. (65,40 qm)…“, einschließlich der
  • nichttragenden Zwischenwände,
  • Innentüren, Heizkörper,
  • Decken-, Wand- und Fußbodenbeläge,
  • Versorgungsleitungen ab dem Zwischenzähler bzw. ab der ersten Absperrmöglichkeit nach dem Abzweig vom Hauptstrang.
  • „Die in Anlage 1 zur Teilungserklärung mit Ziffer 4 bezeichnete Gartenfläche.“

Definition Gemeinschaftseigentum:

Grundstück und Gebäudeteile, Anlagen und Einrichtungen,

  • die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, auch wenn sie sich im Sondereigentum befinden (§5 Abs. 2 WoEigG),
    • die für Bestand oder Sicherheit des Gebäudes erforderlich sind (§5 Abs. 2 WoEigG) oder
    • nicht zu Sondereigentum erklärt wurden.

Beispiele Gemeinschaftseigentum:

  • Fassade,
  • Dach,
  • (Außen-) Fenster und Rollläden,
  • (tragende) Wände,
  • Treppenhaus,
  • Zentralheizung,
  • zentraler Warmwassertank,
  • Gartenfläche (oft belegt mit einem Sondernutzungsrecht zugunsten einer bestimmten [Wohn-]Einheit),
  • Wohnungstüren (!),
  • Wasserzähler,
  • Kellerflur,
  • Hausanschlussraum,
  • Hebeanlage,
  • Aufzug,
  • Hoffläche (ggf. belegt mit Sondernutzungsrechten als Stellplätze),
  • Tiefgaragentor.

Transparenzgebot! Oder: Wem gehört das Geld?

Wenn ein Verwalter keine Lust hat, Ihnen Auskünfte zu geben, war es bisher ein beliebter Trick, Ihr Anliegen aufgrund von „Datenschutz“ abzuschmettern. Auch berechtigte Informationsbedürfnisse wurden Eigentümern leider oftmals verwehrt, obwohl jedem WEG-Verwalter klar sein müsste, dass Sie Mitglieder derselben Vermögensgemeinschaft sind. Nun wird Ihr berechtigtes Interesse in §18 Abs. 4 des neuen WoEigG festgehalten:

„Jeder Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen.“

Wem gehört z.B. das Geld in der Rücklage? Einen Vermieter gibt es ja nicht. Gehört das Geld etwa dem Verwalter oder dem Beirat? Nein, es ist das Vermögen der Eigentümergemeinschaft. Sie sind doch Wohnungseigentümer und kein Mieter. Der Verwalter ist nur Treuhänder von fremdem Vermögen. Eigentlich logisch, dass Ihnen ein unbeschränktes Einsichtsrecht in die Verwaltungsunterlagen zusteht. Der Gesetzgeber hat nur etwas klargestellt, aber rein logisch betrachtet, gab es auch früher schon keinen Grund, dass man Ihnen den Einblick in die Verwaltungsunterlagen verwehren sollte.

Und warum können Sie Auskunft von „der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer“ verlangen? Weil der WEG-Verwalter immer als gesetzlicher Vertreter der WEG handelt. Er ist einfach nur das ausführende Organ für die Bereitstellung der Unterlagen, wenn Sie Einsichtnahme verlangen.

Nach § 9b WoEigG ist die Vollmacht des Verwalters für die Bankkonten der WEG nicht beschränkbar. Es darf auch niemand anders eine Vollmacht bekommen, auch nicht der Beirat. Der Verwalter hat also alleinigen Zugriff auf alle Girokonten, auf denen sich durchaus größere Geldbeträge befinden können. Ein korrupter Verwalter könnte Geld abheben und sich aus dem Staub machen. Die Konten werden ja höchstens einmal im Jahr vom Beirat kontrolliert. Wer Gelder verschwinden lässt, würde erst sehr zeitverzögert auffliegen, während der Verwalter andersrum ohne weiteres Ihre Wohnung versteigern lassen kann, wenn Sie Ihr Hausgeld nicht bezahlen. Nach seinem Umgang mit dem WEG-Konto fragt niemand.

Es ist logisch, dass Ihnen somit jederzeit Einsichtnahme in die Unterlagen zustehen muss. Da der Verwalter so viele nicht beschränkbare Befugnisse hat (denn ansonsten wäre das „Schiff“ ja kaum zu steuern), ist es doch nur konsequent, dass die Eigentümer ihn auch kontrollieren können, denn ihnen gehört das Geld.

Foto: Stephan Walochnik

Rechtswidriger Beschluss Teil 3: Der gültige Beschluss

Wie geht es denn richtig? Ein Beschluss steht nicht am Anfang, sondern am Ende der Entscheidungsfindung zu einem Projekt. Unabhängig davon sollte die Eigentümergemeinschaft von Anfang an involviert sein. Gespräche zur Entscheidungsfindung sollten in der gesamten Vorbereitungsphase unbedingt stattfinden. Sie dürfen aber nicht mit einer verbindlichen Beschlussfassung verwechselt werden, wie die folgende Abbildung zeigt:

Skizze: Stephan Walochnik

In der ersten Phase äußert jemand ein bestimmtes Thema. Verwalter, Beirat und Eigentümer kommen mit bestimmten Ideen und Wünschen zusammen. Ein professioneller Verwalter sollte bei großen Maßnahmen wie einer Balkonsanierung eine Eigentümerversammlung zur Vorbesprechung veranstalten. Hier werden nun bestehende Probleme geschildert, die die Sanierung überhaupt erforderlich machen, es werden Wünsche und Details vorgetragen, Fragen geklärt und Anregungen ausgetauscht. Außerdem kann man hier schon erkennen, wie die Mehrheit zur Maßnahme steht.

Die Eigentümer müssen eingebunden werden, denn es geht ja um ihr Gebäude und Vermögen. Von der rechtlichen Lage abgesehen, sollte man auch aus moralischen Gründen eine Eigentümerversammlung zum Gedankenaustausch veranstalten, damit jeder Eigentümer seine Vorstellungen äußern kann. Diese erste Versammlung dient dazu, den Rahmen zu erfassen und einen späteren Beschluss vorzubereiten.

Danach muss der Verwalter eine Menge organisieren, z.B. sich bei Fachleuten informieren, Angebote von Handwerkern einholen, ggfs. von einem Fachplaner einen Zeitplan und ein Leistungsverzeichnis erstellen lassen, Kapazitäten bei den Unternehmen abfragen, Vorschläge zu Ausführung und Finanzierung unterbreiten, den Eigentümern die Angebote und einen Preisspiegel zukommen lassen. Möglicherweise gibt es auch in der Zwischenzeit Klärungsbedarf und es wird eine weitere Eigentümerversammlung veranstaltet. Anschließend muss der Verwalter einen Beschluss vorbereiten und die Einladung zur nächsten Eigentümerversammlung ausarbeiten, auf der die Entscheidung getroffen werden soll.

Auf dieser wird dann abschließend über die Maßnahme gesprochen, die finale Beschlussformulierung erarbeitet und zur Abstimmung gestellt. Am Schluss zählt der Verwalter die Stimmen und „verkündet“ (so steht es im Gesetz), ob der Beschluss zustande gekommen ist oder nicht. Jetzt kann der Verwalter den Auftrag mit einer gültigen Rechtsgrundlage erteilen, ohne dass er das Risiko gefährlicher Schadenersatzansprüche eingehen müsste.

Foto: Stephan Walochnik

Rechtswidriger Beschluss Teil 2: Heute lassen wir mal den Beirat zahlen

Das Wohnungseigentumsrecht hat eine klare Vorstellung: Alle größeren Entscheidungen trifft die Eigentümerversammlung. Dazu gehören alle wichtigen Details wie Kostenrahmen, Auswahl der Handwerker, Farben oder Sanierungsverfahren. Diese dürfen nicht einfach auf Verwalter oder Beirat delegiert werden. Die Aufgabenverteilung ist klar geregelt:

  • Der Verwalter muss Entscheidungen vorbereiten – und die WEG informieren. Der Beirat soll den Verwalter bei dieser Vorbereitung unterstützen – aber ebenso wenig mitentscheiden wie der Verwalter selbst (von Notfällen und untergeordneten Themen abgesehen).
  • Die Eigentümer finden alle Informationen in der Einladung zur Eigentümerversammlung. Sie treffen sich zur EV und fällen eine Entscheidung nach dem Mehrheitsprinzip.
  • Dann ist wieder der Verwalter an der Reihe, denn er ist verpflichtet, Entscheidungen der EV umzusetzen. Der Beirat soll ihn bei der Umsetzung unterstützen, so steht es im Gesetz

Bei falscher Organisation kann es jedoch vorkommen, dass auf der Eigentümerversammlung nur der grobe Rahmen beschlossen wird und im Nachgang etliche Eigentümer die unterschiedlichsten Details in Einzelgesprächen mit dem Verwalter vorschlagen oder klären möchten. Das Problem daran ist, dass es nun von der Eigentümerversammlung entkoppelte Einzelgespräche gibt, statt einer großen Runde mit anschließendem Konsens. Am Ende einer so unstrukturierten Diskussion trifft oftmals der Beirat die „Entscheidung“, die im rechtlichen Sinne keine ist. Wenn der Verwalter nicht spätestens jetzt schaltet, erteilt er einen Auftrag, dem jegliche Rechtsgrundlage fehlt.

Skizze: Stephan Walochnik

Vielen Leuten ist das nicht klar: Wenn nicht gerade ein Notfall oder eine untergeordnete Angelegenheit vorliegt, ist der Verwalter bei der Auftragserteilung an die Beschlüsse der WEG gebunden. Ohne Beschluss darf er auch keinen Auftrag erteilen. Schlimmstenfalls könnte jemand verlangen, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, da Bauarbeiten ohne Genehmigung der WEG durchgeführt wurden.

Stellen Sie sich vor, Verwalter oder Beirat haben einen Handwerker ausgewählt, der vor Abschluss der Bauarbeiten Insolvenz anmeldet. Vielleicht wurde sogar bereits eine Anzahlung überwiesen. Das Geld ist verloren. Wenn die Eigentümerversammlung die Entscheidung getroffen hätte, hätte die WEG auch die Konsequenzen gemeinschaftlich tragen müssen. Wenn aber nur Verwalter und Beirat über die Köpfe der anderen hinweg das Unternehmen ausgesucht haben, haben sie den Schaden verursacht. Die WEG könnte Ansprüche geltend machen, denn sie war in den Entscheidungsprozess nicht involviert. Wenn das Geld weg ist, zahlt es schlimmstenfalls derjenige, der entschieden hat.

Hat der Beirat dem Verwalter die Anweisung erteilt, einen bestimmten Handwerker zu beauftragen, ist das eine sehr unangenehme Situation. Während der Verwalter nach § 27 WoEigG immerhin bei Themen von untergeordneter Bedeutung und in Notfällen Entscheidungen treffen darf, sind dem Beirat Entscheidungen per Gesetz nicht erlaubt. Er unterstützt den Verwalter lediglich bei seinen Aufgaben (§ 29 Abs. 2 WoEigG). Wenn er sich darüber hinwegsetzt, und es dann zu einer solchen Situation kommt, muss er dafür geradestehen. Im schlimmsten Fall zahlt der Beirat die Wiederherstellung aus eigener Tasche. Die Beirats-Haftpflichtversicherung ist auf dessen gesetzliche Befugnisse beschränkt: Anweisungen oder Aufträge zu erteilen gehört nicht zu seinem Job. Von Fahrlässigkeit kann also keine Rede sein. Und auch der Verwalter muss seinen Beruf beherrschen und sollte das wissen. Man sollte die Entscheidung lieber dort lassen, wo sie hingehört: In der Eigentümerversammlung.

Foto: Stephan Walochnik

Weiter geht es hier mit Teil 3

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