April 2021, die WEG-Reform ist fünf Monate alt – und schon hat sich das erste Missverständnis in den Köpfen festgebrannt: Ein Umlaufbeschluss käme mit einfacher Mehrheit zustande. Aber so einfach ist es nicht.
Aber mal einen Schritt zurück, was ist überhaupt ein Umlaufbeschluss? Grundsätzlich werden Entscheidungen per Beschluss auf der Eigentümerversammlung getroffen, bedeutet: Es wird abgestimmt, bei 50,01%iger Zustimmung (oder mehr) kommt der Beschluss zustande, die Entscheidung ist gefallen.
Ein Umlaufbeschluss ist ein Beschluss außerhalb einer Eigentümerversammlung.
Das geht so: Der Verwalter formuliert einen Beschlusstext, und wenn 100% (!) der Eigentümer dem Vorschlag zustimmen, kommt der Beschluss zustande – auch ohne EV.Das ist übrigens Verbraucherschutz, weil beim Umlaufbeschluss viele andere Formen und Fristen ersatzlos wegfallen.Die WEG-Reform hat nicht viel am Umlaufbeschluss gerüttelt – nur an seiner Schriftform. Von jetzt an muss es keine Unterschrift aus Tinte mehr sein – es genügt, wenn Sie per E-Mail zustimmen.
Bei den Mehrheitsverhältnissen gibt es zwar ein paar Veränderungen, trotzdem kommt ein Umlaufbeschluss nicht einfach mit 50,01%iger Mehrheit zustande. Das neue WoEigG sieht vor,
dass man auf der Eigentümerversammlung beschließen kann,
eine ganz bestimmte Sache per Umlaufbeschluss zu entscheiden und
dass dieser Umlaufbeschluss dann mit einfacher Mehrheit zustande kommt.
Wichtig! Es geht immer nur um einenganz bestimmten Sachverhalt, den man jetzt auch ohne EV mit einfacher Mehrheit entscheiden kann.
Und warum beschließt man diesen Sachverhalt dann nicht direkt auf der Eigentümerversammlung?
Vielleicht erinnern Sie sich an die formellen Hürden einer Beschlussfassung? (Siehe Artikel „Eigentümerversammlung vs. Umlaufbeschluss“.) Ein Beschluss ist nichtig (oder anfechtbar), wenn wichtige Details fehlen. Vor allem, wenn sich aus dem Beschluss keine konkrete Handlung ableiten lässt, ist er meistens wertlos.
Negativ-Beispiel: Die WEG beschließt, „die Fassade anstreichen zu lassen“, mehr nicht. Dieser Beschluss wäre nichtig, ihm fehlen praktisch alle relevanten Details: Welcher Handwerker? Welcher Kostenrahmen? Und vieles mehr. Richtig, die Auswahl des Handwerkers darf (bei größeren Sachen) nicht auf Verwalter oder Beirat delegiert werden, weil sich aus diesem Beschluss ja keine eindeutige Handlung mehr ableiten ließe.
So hangelt man sich von Versammlung zu Versammlung und bekommt den Vorgang nicht erledigt. Wenn der Verwalter kapazitätsmäßig voll ausgelasteter ist, warten Sie vielleicht ein Jahr bis zur nächsten EV. Der Gesetzgeber wollte diese Situation entschärfen, damit man weitermachen kann.
Positiv-Beispiel: Sie beschließen auf der EV den Anstrich der Fassade und geben dafür bereits einen Kostenrahmen frei. Leider liegen noch nicht alle Handwerker-Angebote vor. Deswegen beschließen Sie, die Auswahl der Handwerker per Umlaufbeschluss nachzuholen. Und Sie beschließen, dass dafür eine einfache Mehrheit ausreichen soll.
Für diesen Fall ist die Neuerung im WoEigG gemacht.
Aber dieses Sonderrecht gilt für den Einzelfall – und kann oftmals schon sehr weiterhelfen. Sie können aber nicht beschließen, dass alle Umlaufbeschlüsse der Eigentümergemeinschaft von nun an mit 50,01%iger Mehrheit entstehen.
Wer sich im Netz umschaut, findet schnell heraus, dass der Begriff nicht genau definiert ist. Vereinfacht kann man sagen, dass man unter ordnungsmäßiger Verwaltung solche Maßnahmen versteht, die man halt so von einer ordentlichen, normalen Verwaltung erwarten kann. Also z.B. Erhaltungs-, Verbesserungs- und Nutzungsmaßnahmen und Beschlüsse, die dem gewöhnlichen Interesse des durchschnittlichen Wohnungseigentümers im Allgemeinen entsprechen.
Nicht viel schlauer als vorher? Das kann ich gut nachvollziehen, denn manchmal verursachen Gesetzgeber und Rechtsprechung durch undefinierte Begriffe, dass die Leute sich selbst etwas zusammenreimen, was so nicht stimmt.
Viele Eigentümer glauben nämlich, dass der Verwalter sich (ohne Eigentümerversammlung) kurzfristig um dies oder jenes kümmern kann, auch wenn es teuer ist, weil es ja „ordnungsmäßiger Verwaltung“ entspricht.
Jedenfalls kann man Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung in einer WEG meist mit einfacher Mehrheit beschließen. Im Gesetz findet man verschiedene Beispiele (§19 Abs. 2 WoEigG):
„Die Aufstellung einer Hausordnung,
die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums,
die angemessene Versicherung […],
die Ansammlung einer angemessenen Erhaltungsrücklage“, usw.
Vielleicht ist das Fenster undicht, pfeift und beschert Probleme mit den Mieter? Es wäre im Interesse aller, wenn der Verwalter sich kurzfristig darum kümmern dürfte. So ist es ja auch. Dafür braucht der Verwalter aber grundsätzlich trotzdem einen Beschluss (, wenn die Maßnahme nicht gerade durch den Verwaltervertrag abgedeckt ist).
Ordnungsmäßige Verwaltung bedeutet also nicht, dass der Verwalter einfach so handeln kann, wie er möchte. Grundsätzlich dürfen weder Beirat noch Verwalter einfach irgendetwas nach Gutdünken entscheiden. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass man eine Eigentümerversammlung benötigt, denn nur diese darf Entscheidungen treffen – niemand sonst. Dann wird die Eigentümerversammlung abgehalten und der Beschluss gefasst. Ordnungsmäßige Verwaltung bedeutet also nicht, dass man als Eigentümer kurzerhand an den Verwalter herantreten kann, wenn man einen Wunsch hat. Beziehungsweise: Natürlich darf man das, aber der Verwalter darf nicht einfach etwas umsetzen, denn er würdedie anderen Eigentümer sonst umgehen. Das ist der springende Punkt. Er muss einen Mehrheitsbeschluss herbeiführen, um eine Rechtsgrundlage zu haben.
Wenn man sowas liest, dreht sich einem der Magen um. Amtsgericht Lemgo, Urteil vom 24.08.2020 – 16 C 10/20. Worum streiten die sich? Der WEG-Verwalter hat alle Wohnungseigentümer von der Eigentümerversammlung ausgeladen – und die Versammlung trotzdem durchgeführt. Moment, Eigentümerversammlung ohne Eigentümer? Richtig gelesen.
Das Gericht hat diesen hirnverbrannten Unsinn zum Glück sofort kassiert. Alle gefassten Beschlüsse sind nichtig.
Zur Sachlage: Jeder Eigentümer hat bestimmte Grundrechte, die man ihm nicht nehmen kann. Dazu gehören Teilnahme-,Rede- und Stimmrecht auf der Eigentümerversammlung.
Andererseits muss ein Beschluss, damit er gültig ist, in der Einladung stehen. Man kann sich also nicht spontan irgendwas ausdenken, was man dann kurzerhand „beschließt“. Gut so. Verbraucherschutz davor, überrumpelt zu werden. Trotzdem erfolgt auf jeder Eigentümerversammlung immer ein Gedankenaustausch, der so nicht in der Einladung stand. Diese kollektive Willensbildung ist sehr wichtig. Und in der aktuellen Coronazeit ist das nicht unbedingt einfacher, vor allem bei großen Wohnungseigentümergemeinschaften. Wenn Sie sich überhaupt treffen, müssen Sie die Abstands- und Hygienemaßnahmen einhalten, sonst gibt’s Ärger mit dem Gesundheitsamt.
Der „geschulte“ Verwalter wollte es sich jedenfalls einfach machen.
Er lud zur „Eigentümerversammlung im Vollmachtsverfahren“ in sein Büro ein. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass sein Büro jedoch wegen der Covid-Pandemie für den Publikumsverkehr geschlossen sei und eine Eigentümerversammlung mit Eigentümern (!) wegen der Kontaktsperre nicht stattfinden darf. Die Eigentümer sollten dem Verwalter lieber Vollmacht erteilen und notfalls ihre Abstimmungswünsche anzukreuzen. Und dann schließt er die Einladung ernsthaft mit „Bitte erscheinen Sie nicht persönlich.“
Der Typ sollte sich wirklich mal Gedanken über seine Berufsvorstellung machen. So unschön die aktuelle Situation auch ist. Teilnahme-,Rede- und Stimmrecht sind jedenfalls elementare Rechte jedes Wohnungseigentümers, die man nicht einfach so aushebeln kann.
Endlich! Seit dem 01.12.2020 haben wir ein neues WoEigG. Ich halte die WEG-Novelle für gut gelungen und sehe viele Vorteile. Hier gebe ich (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) einen Überblick über die neuen Regeln:
Die Eigentümerversammlung ist jetzt immer beschlussfähig, egal wie viele oder wenige Eigentümer erscheinen. Auch wenn weniger als 50% der Miteigentumsanteile zur Versammlung erscheinen, ist sie beschlussfähig. (Mit „erscheinen“ meine ich hier: Persönlich oder per Vollmacht oder per Online-Teilnahme.) Die sogenannte „Zweitversammlung“ mit gleicher Tagesordnung zur Erzwingung der Beschlussfähigkeit ist somit Geschichte.
Umso wichtiger ist es, dass die Einladung frühzeitig bei den Eigentümern ankommt. Es ist von jetzt an möglich, die Einladung nur in Textform zu versenden, d.h. per E-Mail anstatt per Brief. Ein guter Verwalter macht beides, denn man sollte berücksichtigen, dass eine Mail leicht im Spam-Ordner landen kann. Dann geht die Einladung zur EV ungesehen verloren. Ein Brief im Briefkasten kann nur schwer übersehen werden.
Die Einladungsfrist wurde von zwei auf drei Wochen verlängert. (Möglicherweise sieht Ihre Teilungserklärung auch eine längere Frist vor.) Die Änderung hätte man sich eigentlich auch schenken können… Die drei Wochen sind eine Soll-Frist. Man kann sie abkürzen, wenn das wegen Dringlichkeit geboten ist.
Unverändert kann man nicht unter „TOP Sonstiges“irgendetwas „beschließen“, was den Anwesenden gerade einfällt. Alle Tagesordnungspunkte, über die abgestimmt werden soll, müssen in der Einladung stehen, also drei Wochen vorher in den Briefkästen der Eigentümer liegen. Im Sinne des Verbraucherschutzes ist also weiterhin gewährleistet, dass sich jeder Eigentümer ausführlich mitden Tagesordnungspunkten auseinandersetzen kann. Es ist sehr wichtig, dass niemand auf der Versammlung überrumpelt werden kann. Natürlich kann man bei besonders eilbedürftigen Vorgängen die Einladungsfrist abkürzen, also auch hier keine Veränderung.
Vereinfachter Umlaufbeschluss
Was ist überhaupt ein Umlaufbeschluss? Laut WoEigG werden alle Entscheidungen immer von den Eigentümern per Beschluss getroffen, das bedeutet: Auf einer Eigentümerversammlung wird abgestimmt. Bei mindestens 50,01%iger Zustimmung kommt ein Beschluss zustande, die Entscheidung der Eigentümer ist gefallen.
Wenn es schnell gehen soll, kann man einen Beschluss abkürzen. Dann machte man bisher einen „Unterschriftenzettel“, genannt „Umlaufbeschluss“. Der kommt (ohne EV) zustande, wenn 100% (!) der Eigentümer dem Vorschlag des Verwalters zustimmen.
Neu: Seit der WEG-Reform entfällt die Schriftform (Unterschrift aus Tinte). Die Zustimmung können die Eigentümer in Textform erteilen (also per Mail, Fax, Whatsapp, natürlich auch per Brief). So kann man Formen und Fristen verkürzen und sinnvolle Entscheidungen „entkomplizieren“.
Ich persönlich werde keine Beschlussfassung per Whatsapp mitmachen, weil ich nur Emails dauerhaft speichern kann. Bei Whatsapp geht das nicht besonders gut.
Online-Eigentümerversammlung
Ab sofort ist es zulässig, Eigentümer online zu einer ortsgebundenen Versammlungzuzuschalten. Das bedeutet, dass auch eine reine Online-Versammlungzulässig ist, denn: Ein Sonderfall der Online-Zuschaltung zu einer ortsgebundenen Versammlung ist die Online-Zuschaltung aller Eigentümer zu einem Ort, an dem der Verwalter ganz alleine sitzt.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Ja, es muss den Eigentümern zumindest möglich sein, persönlich vorbeizukommen. Denken Sie z.B. an ältere Leute, die weder Computer noch Mobiltelefon besitzen und sich deswegen nicht online zuschalten könnten. Andererseits haben 2020 auch sehr betagte Eigentümer ganz einfach an meinen Online-Versammlungen teilgenommen.
Corona hat diese Art der Eigentümerversammlung schon im März ins Rampenlicht gerückt. Zwar war das Gesetz noch nicht gültig, ich habe es aber trotzdem manchmal riskiert – für Beschlüsse ohne große Tragweite. So konnten die Eigentümer bspw. die Jahresabrechnung beschließen, als in der ersten Corona-Welle niemand wusste, ob man sich treffen darf oder nicht. (Siehe Beitrag: „Online-Eigentümerversammlungen in Zeiten von Corona“.)
Voraussetzungen: Eine Online-Plattform mit Passwortschutz oder ähnlicher Zugangsberechtigung (z.B. Cisco Webex). Ein gewisser Mindest-Sicherheitsstandard ist wichtig, um zu gewährleisten, dass nur Leute teilnehmen, die eingeladen wurden. Die Technik ist völlig unproblematisch (z.B. Cisco Webex oder Zoom), weil sie so einfach zu bedienen ist wie WhatsApp. (Siehe Beitrag: „Online-Eigentümerversammlungen in Zeiten von Corona“.)
Unverändert gilt das Gebot der Nichtöffentlichkeit (sowohl Online als auch bei einer „normalen“ EV). Es dürfen grundsätzlich nur Leute teilnehmen, die als Eigentümer im Grundbuch stehen.
Jedenfalls darf kein Fremder im Videochat danebensitzen (geschweige denn dauernd reinreden). Aber der abstrakte Gedanke, dass theoretisch jemand hinter der Kamera sitzen und mithören könnte, macht die Online-EV trotzdem nicht automatisch angreifbar. Und: Spielende Kinder im Hintergrund sind meiner Meinung nach unproblematisch.
Vorteile der Online-EV:
Fernab wohnende Wohnungseigentümer müssen nicht anreisen (z.B. von München nach Düsseldorf).
Es gibt keinen Stress im Berufsverkehr oder wegen der Parkplatzsuche.
Außerdem entfällt die Gebühr für den Versammlungsort.
Rechtssicherheit: Streng genommen muss die Eigentümergemeinschaft erst (auf einer normalen EV) beschließen, dass sie mit einer Online-EV einverstanden ist. Andernfalls wäre eine Anfechtung der Beschlüsse möglich. Bei homogenen und freundlichen WEGs dürfte das aber kein Problem darstellen. Der Verwalter muss wie so oft Fingerspitzengefühl haben. Eigentümergemeinschaften, die sich gerne streiten oder schon mal Beschlüsse angefochten haben, bekommen im Zweifel keine Online-EV und müssen dann eben länger warten. Ich werde für kritische Beschlüsse oder für Entscheidungen von großer Tragweite immer lieber ortsgebundene Eigentümerversammlungen veranstalten, falls das möglich ist.
Die Beschlusssammlung bleibt!
In der Beschlusssammlung findet man alle Beschlüsse aus der Vergangenheit einer WEG. Auch nach neuem Recht muss der Verwalter weiterhin die Beschlusssammlung führen.
Der Aufwand für den Verwalter ist vertretbar. Nach jeder Eigentümerversammlung übernimmt er die Textelemente aus dem Protokoll mit Copy & Paste in die Beschlusssammlung. Beides sind in der Regel einfache Worddateien.
Meinen Neukunden schlage ich vor, zu Beginn meiner Verwaltertätigkeit eine „Brainstorming-Eigentümerversammlung“ zu veranstalten, auf der keine Beschlüsse gefasst werden. Ziel ist, dass wir uns austauschen, um die gegenseitigen Vorstellungen und Gedanken besser zu verstehen. Jeder Eigentümer hat Gelegenheit, seine Wünsche und Ziele zu kommunizieren – nicht nur gegenüber dem Verwalter, sondern auch gegenüber den anderen Eigentümern. Denn der Verwalter handelt ja schließlich immer nur als Vertreter der Eigentümergemeinschaft, nie für einen Einzelnen. Deswegen ist es für einen Verwalter ungeheuer wichtig, die unterschiedlichen Vorstellungen der einzelnen Eigentümer zu verstehen.
Deswegen lade ich meine neuen Kunden zu einer informellen Eigentümerversammlung ein, um die Themen zu besprechen, die ihnen wichtig sind. Es werden keine Beschlüsse gefasst, sondern Sichtweisen und Gedanken ausgetauscht. Das ist mir wichtig, denn um die WEG und ihre / Ihre Interessen zu vertreten, muss ich die Vorstellungen der Eigentümer verstehen. (Das ist von Haus zu Haus zum Teil sehr unterschiedlich.) Weil keine Beschlüsse gefasst werden, sind keine Vollmachten erforderlich.
Wir werden keine Beschlüsse fassen. Aber auch nichts übers Wetter sprechen. Daher werde ich auf Basis der Rückmeldungen der Eigentümer eine Agenda vorbereiten, damit es jedem Eigentümer möglich ist, sich vor der Versammlung Gedanken zu den Themen zu machen.
Neben dem sinnvollen Austausch der Eigentümer untereinander hat das auch für den Verwalter enorme Vorteile: Jeder meiner Kollegen weiß, dass man im ersten Jahr mit einer neuen WEG kein Geld verdient. In den ersten Wochen klingelt erst mal das Telefon sturm, weil viele Eigentümer sich vielleicht von der alten Verwaltung missverstanden gefühlt haben, und nicht möchten, dass diese Missverständnisse fortgesetzt werden. Oder sie möchten einfach nur sich und ihre Wünsche der neuen Hausverwaltung gegenüber erklären und kommunizieren.
Problematisch ist jedenfalls, dass bei Übernahme der Verwaltung eine Menge Einzel-Kommunikation zwischen einzelnen Eigentümern und dem Verwalter stattfindet, weil viele irgendetwas loswerden möchten, was sie auf dem Herzen haben. Das ist ja auch richtig so, aber es erreicht dann nur den Verwalter. Wie andere Eigentümer dazu stehen, bleibt ungeklärt.
Wie man sich vorstellen kann, ist es ein heilloses Chaos, das man als Verwalter erstmal sortieren muss. Seit ich Brainstorming-Versammlungen mache, findet dieses Chaos praktisch überhaupt nicht mehr statt. Ich kann meinen Verwalterkollegen versprechen, dass es die Wünsche und Vorstellungen der einzelnen Eigentümer auf einen Abend bündelt und kanalisiert, wo man als Verwalter einmal in den sauren Apfel beißen und ohne Bezahlung mit den Eigentümern zusammensitzen muss. Natürlich macht auch das eine gewisse Menge Arbeit, aber das war es dann auch. Das ganze Durcheinander entfällt. Denn ehrlich gesagt: Der Grund für das Durcheinander ist ja, dass die Eigentümer immer nur einzeln mit dem Verwalter sprechen und nicht hören, was die anderen Eigentümer dem Verwalter schon gesagt haben. Und so werden Dinge zehnfach erwähnt (und immer anders erzählt). Eine einheitliche Kommunikation findet leider nicht statt und wird ersetzt durch tausend Einzelgespräche. „Wir möchten, dass das Treppenhaus neu angestrichen wird.“ Wer ist „wir“? Möchten das wirklich alle Eigentümer? Jeder sagt was anderes. Und in der Versammlung wird dann einfach mal alles mitgeschrieben, was die Leute gesagt haben, und das Protokoll bekommen alle Eigentümer per E-Mail. Dann ist klar, wer sich was wünscht und wer was gesagt hat. Entspannung tritt ein.
Düsseldorf, den 29.07.2020. Wie es aussieht, wird die Corona-Situation noch etwas andauern. Selbst wenn Veranstaltungen mit bis zu 50, 100 oder 200 Personen wieder stattfinden könn(t)en, bleibt bei vielen Leuten ein unbehagliches Gefühl. Das gilt auch für die Eigentümerversammlung, selbst wenn es keine „private Spaßveranstaltung“ ist.
Es muss ja irgendwie weitergehen, denn schließlich gelten Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan bis zum Beschluss auf der Eigentümerversammlung als bloßer Entwurf, der das Papier nicht wert ist. Daher kann (und sollte!) der Verwalter die Guthaben vorher nicht auszahlen und die Nachzahlungen nicht einfordern. Ohne Beschluss hätte er ja keine Rechtsgrundlage. Und vielleicht müssen ja Instandhaltungsarbeiten beschlossen werden, die nicht lange warten sollten? Soll das der Verwalter mal mit dem Beirat klären? Weit gefehlt!
Im WEG-Recht ist allein die Eigentümerversammlung das „konstitutive Organ“. Niemand anders darf Entscheidungen von größerer Tragweite treffen.
Eine Versammlung muss her. Aber wie? Im März 2020 habe ich ja schon einmal über die Möglichkeit der Online-Eigentümerversammlung berichtet. Eine Video-Telefonkonferenz, z.B. mit Software wie Zoom oder Webex. Die ist so einfach zu bedienen wie WhatsApp. In der Corona-Zeit haben viele Institutionen verstanden, dass unbürokratische Hilfe wichtiger ist, als sich hinter Formalitäten zu verstecken. Und auch in der Verwalterbranche ist die Online-EV zu einer beliebten Idee geworden. Trotzdem ist sie (zumindest bis zum neuen WoEigG) nicht 100% rechtssicher. Bis dahin könnte man Beschlüsse nach der EV noch eine Zeit lang anfechten. Deswegen werden Verwalter sich nur bei guten Kunden darauf einlassen – oder zumindest dort, wo sie keinen potentiellen „Heckenschützen“ bzw. Anfechtungs-Spaßvogel vermuten. Wer sich als Verwalter die falschen Kunden an Land gezogen hat, der muss nämlich mit teuren Anfechtungsklagen rechnen.
Und egal, wie simpel die Software zu bedienen ist: Was tun, wenn es z.B. viele ältere Leute gibt, die kein Mobiltelefon und keinen Computer haben? Oder wenn die Eigentümer trotz der Vorteile einfach keine Online-EV möchten? Die Form der EV sollte ja nicht vom Verwalter allein entschieden werden, sondern von den Wohnungseigentümern.
Wichtig ist, dass niemand an der Teilnahme gehindert wird.
Wenn eine Online-EV einfach nicht geht oder unerwünscht ist, dann sehe ich (mindestens) die folgenden Möglichkeiten:
Wenn es keine dringenden Themen gibt, könnte man die EV bis auf weiteres ausfallen lassen, denn laut diesem „Notstandsgesetz“ gelten sowohl Verwalterbestellung als auch Wirtschaftsplan auf unbestimmte Zeit weiter. In vielen Fällen kann man das machen, aber es wirkt so inkonsequent.
Man könnte eine Geisterveranstaltung abhalten. Das ging auch schon vor Corona. Vor allem in vielen größeren WEGs ist das häufig zu beobachten. Da sitzt der Verwalter mit einem Bündel Vollmachtenalleine im Raum (oder ggf. mit 1 oder 2 Eigentümern) und stimmt über die Jahresabrechnung ab. Voraussetzung: Die Vollmachten müssen auf 50,0001% der Stimmrechte kommen. Und man darf niemandem das Recht nehmen, persönlich zur Versammlung zu erscheinen. Keinesfalls sollte man „voraussetzen“ oder „verpflichten“, seine Vollmacht an Verwalter oder Beirat zu erteilen! Und: Weil man ja nie weiß, wie viele Eigentümer erscheinen werden, muss man den Raum trotzdem lieber zu groß als zu klein buchen.
Bei kleineren WEGs mit weniger als 20 WE könnte man sich auf dem Vorhof, im Garten der EG-Wohnung, in der Tiefgarage oder in einem großen Gemeindesaal der Kirche treffen und eine echte EV mit Masken und Riesenabstand veranstalten. Beschlussfassung über Abrechnung und Wirtschaftsplan und dann gehen alle wieder. Wichtig ist, dass man auf die Umstände achtet. Bei 6 Eigentümern wäre es fahrlässig, ein Treffen in der 8 qm großen Waschküche anzuberaumen, aber wie ist es bei 16 Eigentümern und einer weitläufigen Tiefgarage? Ich hielte die letzte Option für gangbar. Wenn es im und um das Gebäude nicht genug Platz gibt, dann reservieren Sie lieber den Gemeindesaal – auch wenn das mehr kostet. Und man muss natürlich auf die Nichtöffentlichkeit der EV achten, sonst ist jeder Beschluss anfechtbar.
Wenn die Größe der WEG überschaubar ist, sollten Verwalter meiner Meinung nach zuerst den Umlaufbeschluss versuchen, um Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan beschließen zu lassen. Der UB ist eine Art „Unterschriftenzettel“. Formelle Besonderheit: Jeder Wohnungseigentümer, also 100%, müssen den UB unterschreiben, sonst kommt er nicht zustande. Deswegen klappt es meistens nur bei kleineren WEGs. Und nach derzeitigem WoEigG reicht kein Fax oder Scan für die Rücksendung, es muss eine echte Unterschrift aus Tinte sein. Aber warum sollte man es nicht versuchen? Wenn keine größeren Themen zu beschließen sind, sollte man es probieren. Wenn es klappt, dann spart der Verwalter Zeit und kann an weiteren effizienten Ideen für seine Kunden arbeiten.
Welcher Vorschlag Ihnen auch immer am besten gefällt: Bitte denken Sie an Ihren Verwalter, denn im Zweifel haftet er für die Veranstaltung.
Weil man ja nie weiß, wie viele Eigentümer erscheinen werden, muss man den Raum trotzdem lieber zu groß als zu klein buchen.
In meinenortsgebundenen Veranstaltungen (sofern sie beim besten Willen nicht online stattfinden), müssen die Eigentümer auch während der Veranstaltung ihre Maske oder ihren Schal vor der Nase haben. Sorry, alles andere ist mir zu gefährlich. Zwar teilte der Berufsverband der Hausverwalter erst kürzlich mit, dass ortsgebundene „echte EVs“ (in NRW) derzeit wieder zulässig sind, weil es sich nicht um private „Spaßveranstaltungen“ handelt, aber natürlich unter Einhaltung aller Hygiene- und Abstandsvorschriften! Trotzdem kommt Ihr Verwalter in Erklärungsnot, wenn sich aufgrund seiner Veranstaltung jemand mit Corona ansteckt. Wichtig ist, dass sich auch im Eingangsbereich kein Gedränge bildet. Und auch beim besten Verhältnis der Eigentümer untereinander darf sich niemand die Hand geben. Komme was wolle, zwei Meter Abstand muss (und kann) man immer einhalten. Der Verwalter kann bei dm oder Rossmann für 70 Cent ruhig mal ein paar Tuben Desinfektionsgel kaufen und an die Eigentümer verschenken. … zudem eine tolle Idee für die Kundenbindung!
Das neue WoEigG sieht also ganz andere Mehrheitsverhältnisse vor, als wir sie bisher kannten (bzw. die erforderliche Stimmenmehrheit für bestimmte Sachverhalte). Nun gilt, dass man nahezu alle Vorgänge mit 50 plus X Prozent entscheiden kann, d.h. mit einfacher Mehrheit.
Achtung! Hier geht es um meine persönliche Meinung zum neuen WoEigG. Wie auch in den anderen Artikeln hier noch ein wichtiger Hinweis zum Haftungsausschluss! Ich bin Webseitenbetreiber (und WEG-Verwalter), aber kein Rechtsanwalt. Das hier ist keine Rechtsberatung und meine Äußerungen würdigen nicht die Aspekte Ihres Einzelfalls. Tätigen Sie auf Basis meiner Aussagen keine Dispositionen. Suchen Sie sich im Zweifelsfall stets einen guten Fachanwalt: Ein guter Rechtsanwalt ist wie ein Kompass. Er bricht keinen Streit vom Zaun, sondern berät Sie und gibt Ihnen Orientierung.
Mit großem Anlauf hat der Gesetzgeber die
doppelt qualifizierte Mehrheit (bei Modernisierungsmaßnahmen und bei Änderung des Kostenverteilschlüssels für den Einzelfall) und die
Zustimmung aller Betroffenen (bei baulichen Veränderungen)
abgeschafft und gegen die normale Mehrheit getauscht.
Bisher gab es drei unterschiedliche Stimmenmehrheiten, die nötig waren.
Bei allen „gewöhnlichen Maßnahmen“ konnte man mit einfacher Mehrheit entscheiden, d.h. mit 50,0001 Prozent.
Bei Modernisierungsmaßnahmen. Wenn also die WEG z.B. die alten (intakten!) Fenster gegen überteuerte, dreifachverglaste Super-Energiespar-Fenster austauschen wollte, dann brauchte man eine sog. doppelt qualifizierte Mehrheit, also die Zustimmung von ¾ aller Eigentümer PLUS 50 Prozent aller Miteigentumsanteile (MEA).
Anmerkung: Wenn jedoch marode alte Fenster (, die ohnehin kaputt waren und sowieso repariert werden mussten,) gegen neue Superfenster ausgetauscht werden sollten, dann hieß es „modernisierende Instandsetzung“ und man brauchte nur eine einfache Mehrheit, also 50,0001 Prozent.
Dann gab es bauliche Veränderungen. Wenn jemand z.B. eine außenliegende Klimaanlage installieren wollte, also Veränderungen am äußeren Erscheinungsbild, dann brauchte er die Zustimmung von allen Wohnungseigentümern, die davon potentiell in irgendeiner Weise betroffen sein könnten.
Die baulichen Veränderungen waren aber auch das Problem. Denn selbst das Anbringen einer Markise oder die Bestellung von neuen, außenliegenden Briefkästen galten nach altem Recht als „bauliche Veränderung“. Das Problem: Es musste JEDER Eigentümer zustimmen, der potentiell betroffen sein könnte. Und die Rechtsprechung hat diesen Begriff sehr weit ausgelegt. Im Zweifelsfall war JEDER Wohnungseigentümer potentiell betroffen und musste zustimmen.
Vor allem in großen Eigentümergemeinschaften fand sich leider immer ein verkrusteter Typ, der da seine sogenannten „Bedenken“ hatte und jede kleine bauliche Veränderung blockieren konnte.
Da erleben WEG-Verwalter die abstrusesten Sachen: Ein Handlauf soll angebracht werden? Ein Eigentümer fordert zuerst ein statisches Gutachten, das die Unbedenklichkeit attestierte. Die WEG wollte eine Photovoltaikanlage installieren? Das Dach ist Gemeinschaftseigentum. Einer der Eigentümer behauptete, dass im Brandfall die Feuerwehr das Gebäude bis auf die Grundmauern abbrennen lassen würde, weil man Photovoltaikzellen nicht löschen darf. Stimmt das? Keine Ahnung. Es geht um ein anderes Problem:
Jede Art von Veränderung konnte kurzerhand blockiert werden.
Weil die Rechte eines Einzelnen potentiell beeinträchtigt werden könnten, musste nur einer sagen, dass er das nicht möchte, und schon war das Thema für immer begraben.
Das hat viele Wohnungseigentümergemeinschaften blockiert. Weil aus gesetzlichen Gründen per Definition quasi alles das „Wesen der Anlage“ veränderte, konnte man quasi alles durch eine Nein-Stimme behindern.
Diese Regelung wurde jetzt Gott sei Dank abgeschafft. Von jetzt an gilt für bauliche Veränderungen die einfache Mehrheit (siehe Artikel über bauliche Veränderungen im neuen WoEigG).
Natürlich ist es das andere Extrem. Auf einmal braucht man auch bei krassen Veränderungen nur noch eine einfache Mehrheit. Schade, dass man sich hier nicht auf eine doppelt qualifizierte Mehrheit geeinigt hat.
Einerseits freue ich mich, dass nicht mehr ein Einzelner die gesamte WEG blockieren kann. Das ergab in der Vergangenheit zum Teil sehr surreale Situationen. Andererseits bin ich (im Sinne von Verbraucherschutz) auch etwas skeptisch, dass z.B. ein einzelner Mehrheitseigentümer jetzt alles regieren kann, wie er möchte.
Das ist wohl das Problem, dem sich der Gesetzgeber immer gegenübersieht. Das Gesetz kann ja nicht jeden Einzelfall durchdeklinieren. Aus meiner Verwalter-Erfahrung gesprochen, war es immer sehr ermüdend, wenn nur eine einzelne Nein-Stimme eine sinnvolle Verbesserung versenken konnte. Und die ganze Vorarbeit! Damit ist jetzt Schluss.
Jede Medaille hat zwei Seiten.
Zwischen Tag und Nacht gibt es immer noch die Dämmerung. Schauen wir uns an, wie es sich in der Realität auswirkt. Ich werde berichten 🙂
Und wie sollte man das machen? Ein Beschluss kommt nicht am Anfang, sondern am Ende vom Vorgang der Entscheidungsfindung, siehe Abbildung:
In der ersten Phase kommen Verwalter, Beirat oder Eigentümer mit bestimmten Ideen, Wünschen usw. und dann wird erstmal vorbereitet, dann wird erstmal die Eigentümergemeinschaft informiert, da werden Wünsche und Details vorgetragen, Fragen geklärt, …
Jeder professionelle Verwalter sollte bei großen Maßnahmen wie einer Balkonsanierung (mindestens) eine Eigentümerversammlung zur Vorbesprechung veranstalten.
Es geht ja um Gebäude und Vermögen der Wohnungseigentümer. Dann sollten die es doch auch entscheiden, oder etwa nicht? Und ja, in den meisten Verwalterverträgen gibt es dann eine geringfügige Sondervergütung – aber die ist allemal billiger als ein schiefgegangener (sogenannter) Beschluss (siehe vorherige Punkte), mit anschließenden jahrelangen Rechtsstreitigkeiten – viel Spaß. Außerdem verteilen sich die paar Mark Sondervergütung sowieso auf sehr viele Schultern und können bei Vermietung sogar noch steuerlich geltend gemacht werden.
Ja, man sollte also wirklich eine Brainstorming-Eigentümerversammlung veranstalten, damit jeder Eigentümer mal seine Gedanken äußern kann, was er sich wünscht.
Diese Versammlung dient nur dazu, einen Beschluss vorzubereiten. Da werden keine Beschlüsse gefasst.
Im Nachgang zu einer solchen unverbindlichen Versammlung hat der Verwalter dann die Aufgabe, das alles zusammenzutragen und in einen vernünftigen Beschluss zu gießen. Dieser Beschluss-Vorschlag steht dann in der Einladung, die allen Eigentümern per Post mindestens 14 Tage vor der entscheidenden (!) Versammlung zugeht.
Und ein solcher Beschluss kann nur gültig sein, wenn er wirklich so gemacht ist, dass auch ein x-beliebiger Wohnungseigentümer aus der Ferne mit JA oder NEIN abstimmen könnte.
Dann wird abgestimmt und dann verkündet der Verwalter, ob der Beschluss zustande gekommen ist oder nicht. Und dann kann er den Auftrag rechtsgültig erteilen, ohne dass es zu gefährlichen Schadenersatzansprüchen kommen könnte.
Das ist dann ein gültiger Beschluss. Und der bedarf natürlich sehr viel Vorbereitung und Vorbesprechung. Aber man kann es nicht anders machen, also nicht einfach irgendwie mal was besprechen und im Nachhinein die Entscheidungen aus der Versammlung herausdelegieren. Das wäre rechtswidrig.
Fortsetzung: Oft genug wird in so einer Eigentümerversammlung die „Entscheidung“ an den Beirat delegiert.
Der kann sich freuen und gleichzeitig warm anziehen,
weil ihm Entscheidungen ja per Gesetz verboten sind. Und wenn er dann doch etwas entscheidet (wenn er sich bspw. für ein Handwerker entscheidet, der Insolvenz anmeldet), dann ist das ja Vorsatz, dann zahlt der Beirat den Schaden auch aus seinem Geldbeutel, denn seine Versicherung trägt das nicht. Es ist ja Vorsatz und keine Fahrlässigkeit. Der Beirat sollte die Entscheidung lieber dort lassen, wo sie hingehört: In der Eigentümerversammlung.
Und schon sind wir beim nächsten Thema: Stellen Sie sich mal vor, Verwalter oder Beirat entscheiden über die Auswahl der Handwerker – Anzahlung 15.000 EUR und der Handwerker geht pleite. Passiert nicht? Dann googeln Sie mal die vielen schönen Gerichtsurteile zu dem Thema.
Weder Verwalter noch Beirat dürfen das entscheiden! Die Handwerkerauswahl (zumindest ja wohl bei großen, teuren Maßnahmen) trifft alleine die Eigentümergemeinschaft. Wenn Verwalter oder Beirat meinen, sie müssten den Handwerker auswählen, dann müssen sie auch dafür geradestehen. Wenn das Geld weg ist, dann zahlt es der, der über die Köpfe der Eigentümer hinweg entschieden hat.
Der Beirat ist doch versichert? Nö. Nicht bei Vorsatz.
Wenn der Beirat dem Verwalter eine Anweisung gibt, überschreitet er massiv seine Kompetenz, weil Entscheidungen ja nur die Eigentümerversammlung treffen darf. Und auch der Verwalter muss sein Beruf beherrschen und sollte das wissen.
Und wenn einer von beiden trotzdem entscheidet, dann muss er den Wohnungseigentümern halt das Geld erstatten, wenn der Handwerker pleite ist.
…es sei denn, die Eigentümerversammlung hätte entschieden.
„Wir reden auf der Eigentümerversammlung mal darüber und dann schauen wir mal weiter“. Das scheint das Motto vieler Wohnungseigentümer zu sein – oder zumindest eine immer noch verbreitete Ansicht. Knapp 70 Jahre nach Einführung des WoEigG hat sich die Erkenntnis, was der Gesetzgeber eigentlich wollte, leider immer noch nicht durchgesetzt, zumindest nicht flächendeckend. Dabei hat das Wohnungseigentumsrecht eine klare Vorstellung:
Entscheidungen trifft allein die Eigentümerversammlung, niemand sonst.
Der Verwalter hat die Aufgabe, Entscheidungen vorzubereiten und muss die WEG über vieles informieren. Der Beirat hat bei dieser Vorbereitung die Aufgabe, den Verwalter zu unterstützen.
Die Entscheidung trifft die Eigentümerversammlung.
Danach ist wieder der Verwalter gefragt, seine Aufgabe ist wieder die Umsetzung der Entscheidung, welche die Eigentümerversammlung gefällt hat. Der Verwaltungsbeirat muss ihm bei der Umsetzung helfen, so steht es im Gesetz.
Die (rechtswidrige) Realität sieht in vielen Fällen noch so aus, siehe Abbildung.
Da gibt es also eine lockere Idee, aber wenig konkretes. Die Idee heißt z.B. „Sanierung der Balkone“. Das steht dann manchmal ohne weitere Informationen als Überschrift auf der Einladung zur Eigentümerversammlung. Das ist kein Beschluss, schon allein deshalb nicht, weil der Inhalt nicht hinreichend bestimmbar ist.
Wenn sich aus einem „Beschluss“ keine konkrete Handlung ableiten lässt, dann ist der „Beschluss“ nichtig. Er ist schlichtweg nicht rechtsgültig.
Einen potentiell gültigen Beschluss erkennen Sie daran, dass auch ein x-beliebiger Wohnungseigentümer aus der Ferne mit JA oder NEIN abstimmen könnte.
In so einem „Beschlussvorschlag“ bleibt aber vieles ungeklärt:
Über welche Balkone reden wir eigentlich? Alle Balkone? Nur die Straßenseite, nur die Rückseite?
Was soll „Sanierung“ genau heißen? Sollen nur die Fliesen neu gelegt werden oder geht es um eine Komplettsanierung im handwerklichen Sinne, inklusive Estrich, tragender Schichten, einschließlich fachgerechter Herstellung eines vernünftigen Gefälles?
Also was versteht man unter den Begriffen? Schon allein dafür ist ja mal ein Angebot notwendig, und daraus geht dann die nächste Frage hervor:
Wie hoch sind die Kosten und wer bezahlt sie? Gibt es eine Sonderumlage oder geht es zu Lasten der Rücklage?
Und welcher Handwerker soll es machen?
Alle diese Fragen müssen vorher in einem Beschluss geklärt werden. Noch mal: Ein Beschluss, aus dem sich keine konkrete Handlung ableiten lässt, ist nichtig! Er ist einfach nicht gültig.
Nochmal zurück zu der rechtswidrigen Wackelkonstruktion. Ein solcher „Beschluss“ (oder sollten wir besser sagen, so eine „Überschrift“) geht dann in die Versammlung. Dann wird da viel geplappert und alle sind sich irgendwie einig: „Ja, ja, machen wir“.
Einig zumindest solange, wie die Eigentümer nicht wissen, dass eine fachgerechte Balkonsanierung (je nach Komplexität) pro Balkon mindestens 5.000 EUR kostet, oftmals viel mehr. Und wenn der Eigentümer das vorher wüsste, dann würde er so einem „Beschluss“ wie hier ganz sicher nicht zustimmen.
Nach der Eigentümerversammlung geht es oft noch weiter: Da erlebt man Dinge, die eigentlich für den Beschluss wichtig gewesen wären. Im Nachgang gibt es dann plötzlich Eigentümer mit neuen und zusätzlichen Ideen, die ihnen vorher irgendwie nicht eingefallen sind, z.B. Änderungswünsche, usw. Dann gibt es ein unglaubliches Durcheinander,
aber die Eigentümerversammlung ist ja schon zu Ende und man kann gar nicht mehr miteinander zu einem Konsens finden.
Und oft trifft am Schluss der Beirat die sogenannte „Entscheidung“, die natürlich keine ist. Wenn der Verwalter blöd genug ist, erteilt er dann einen Auftrag ohne jegliche Rechtsgrundlage. Das ist vielen Leuten gar nicht klar: Der Verwalter kann nur auf Basis eines gültigen Beschlusses einen Auftrag erteilen. Aus so einem Beschluss muss ganz klar hervorgehen, wer / was / wann / wie teuer gemacht werden soll. Und wenn jemand den Verwalter ärgern möchte, verklagt er ihn auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands, der aber schwer zu erreichen bzw. zu definieren ist.
Also führen Sie bis zur Rente einen Gerichtsprozess. Das wünsche ich niemandem.
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