Die Hausordnung – Lieblingskind vieler selbsternannter „Beiratspräsidenten“, Blockwarte und Beschäftigungstherapeuten, Ärgernis vieler Hausverwalter und Geldquelle vieler Rechtsanwälte und Verbraucherschutzorganisationen. Das Problem daran: Wenn man sie nicht braucht, dann ist sie überflüssig, weil es auch ohne Hausordnung rund läuft. Und wenn man sie braucht, dann ist sie nutzlos, weil sich Störenfriede in der eigenen Eigentumswohnung nicht um die Hausordnung scheren.
Wann braucht man dann eigentlich eine Hausordnung? Stellen Sie sich mal vor, ein Eigentümer macht in seiner Wohnung ordentlich Lärm, und zwar andauernd. Er hört bis tief in die Nacht so laut Musik, dass Sie als Nachbar mitsingen könnten. Er grölt bei jedem Fußballspiel, stellt Müll oder seine Schuhe vor die Wohnungstüre oder knallt ständig mit den Türen. Leider ist eine Hausordnung bei solchen Leuten völlig nutzlos, weil sie sie nicht mal lesen würden. Sie hängt dann einfach ungelesen im Treppenhaus. Menschen, die sich wie Chaoten benehmen, werden nicht anhalten, um einen Blick auf den Text zu werfen. Selbst wenn man ihnen die Hausordnung postalisch zustellt, landet sie im Müll. Diejenigen Eigentümer, an die eine Hausordnung eigentlich adressiert wäre, werden sie weder lesen noch beachten. Wenn sich einer der Eigentümer nicht um die Regeln eines geordneten Zusammenlebens schert, hat die WEG ernsthafte Probleme. Die Hausordnung wird sie aber nicht lösen, weil sie bei solchen Leuten auf taube Ohren stößt. Und dann geht es ja noch um die Durchsetzbarkeit. Einem Eigentümer können Sie nicht kündigen, denn es ist ja sein Eigentum – und Mieter sind nicht an die Hausordnung einer WEG gebunden. Beziehungsweise nur dann gebunden, wenn der Vermieter sie wirksam zum Bestandteil des Mietvertrags macht, was so gut wie nie passiert.

Dazu kommt, dass Hausordnungen oftmals angreifbar sind. Hundehaltungsverbote sind meist rechtswidrig (und gelten nicht automatisch gegenüber Mietern), feste Ruhezeiten ebenso. Duschen soll nach 22 Uhr verboten sein! Was ist denn mit dem, der um Mitternacht von der Nachtschicht kommt? Er wird unangemessen benachteiligt, damit ist die Regelung dahin. Oftmals sind Formulierungen in der Hausordnung sehr vage. Verbietet die Hausordnung etwa „jegliche lauten Geräusche“ nach 23 Uhr? Auch Coronahusten oder eine umgefallene Vase sind laute Geräusche, somit ist die Regelung zu undifferenziert und damit unhaltbar. In anderen Fällen müsste die WEG die Einhaltung der Hausordnung einklagen, aber die Erfolgsaussichten sind gering. Wie wollen Sie vor Gericht beweisen, wer im Treppenhaus raucht, nach 22 Uhr die Musik voll aufdreht oder wessen Hund länger als zehn Minuten am Tag bellt? In vielen Fällen kann sich ein Störenfried erfolgreich wehren, wie man zuletzt eindrucksvoll beim Gerichtsprozess um den Düsseldorfer Kettenraucher Friedhelm gesehen hat – obwohl dieser nicht Eigentümer, sondern Mieter war.
Aber auch in weniger provokanten Fällen hilft die Hausordnung wenig. Manche Eigentümer stören sich daran, dass ein Nachbar seinen Müll ständig vor die Wohnungstür – und damit ins Treppenhaus – stellt. Wenn man solche Probleme über die Hausordnung lösen möchte, dann wird man schnell erleben, dass dies kaum möglich ist. Denn was ist eigentlich, wenn er sich gar nicht angesprochen fühlt? Es wäre schön, wenn die Hausordnung das alles übernehmen könnte, aber in der Realität scheitert das Vorhaben kläglich. Dann kann man die Hausordnung auch ganz sein lassen, und muss seine Probleme auf andere Art lösen. Wenn der Hund einen Nachmittag lang bellt, könnte man ja selber mal an der Tür klingeln und den Nachbarn darauf ansprechen, anstatt den Hausverwalter mit der Hausordnung vorzuschicken. Wahrscheinlich ist ihm schon dieses Gespräch unangenehm und wird einiges bewirken. Und wenn es noch mal passiert? Nochmal klingeln und nochmal ansprechen. Wenn Sie freundlich sind, verbessern Sie mit jedem Besuch den Kontakt, und machen Ihr Anliegen trotzdem bemerkbar. Und wenn bald mehrere Nachbarn kommen, um sich zu beschweren, ist das hundertmal effektiver als jede Hausordnung. Daran führt fast kein Weg vorbei.
Der erste Schritt muss immer sein, das Gespräch zu suchen – auch mehrfach. Den meisten Menschen ist es unangenehm, wenn schon wieder der Nachbar vor der Tür steht, um sich (freundlich!) zu beschweren. In sehr vielen Fällen ist es den Leuten einfach gar nicht klar, dass sie mit ihrem Verhalten jemanden stören. Deswegen ist die beste Lösung, einfach hinzugehen und miteinander zu reden. So können Sie 95% der Probleme lösen.

















